Kirchen ehren Berlinale-Leiter Kosslick
11. Februar 2019
Die katholische und evangelische Kirche haben Dieter Kosslick, den scheidenden Leiter der Berlinale, geehrt. Pastor Johann Hinrich Claussen nutzte die Gelegenheit für eine Warnung vor dem wiedererstarkenden Rechtspopulismus.
Dass die beiden großen Kirche auf der Berlinale mit einer eigenen Jury vertreten sind und gemeinsam zum Empfang laden, hat Tradition. So war es auch an diesem Sonntagabend. Diesmal hieß es allerdings auch Abschied nehmen.
Nach 18 Jahren ist es die letzte Berlinale für Direktor Dieter Kosslick, der von der Ökumenischen Jury für seine Verdienste mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet wurde.
Die Grußworte sprachen auf katholischer Seite der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Gebhard Fürst, und auf evangelischer Seite der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Pastor Dr. Johannes Hinrich Claussen.
Kino als demokratiefördernder Faktor
Hamburger Propst Claussen wird neuer Kulturbeauftragter der EKD (nordkirche.de)Claussen-Interview zum Thema Zuwanderung (nordkirche.de)
Johann Hinrich Claussen stellte fest, dass sich das deutsche Kino nicht nur wirtschaftlich oder technologisch in einer Krise befinde. "Als Teil des deutschen Kulturlebens muss es sich auch inhaltlich und politisch in einem raueren Klima behaupten." Zeichen dieses raueren Klimas seien "gezielte Angriffe von Rechtsextremen gegen Kulturschaffende, auch aus der Welt des Films." Claussen plädierte für "mehr Solidarität untereinander, ein Einstehen füreinander".
Zugleich solle der Zivilgesellschaft deutlich sein, was für ein Kulturgut das Kino darstellt und welchen Beitrag es für eine demokratische Kultur leisten kann. Als Voraussetzung dafür müsse das Kino allerdings "den Blick öffnen, Grenzen überwinden, Verbindungen stiften und Unbekanntes und Unerhörtes ins Bild setzen".
Missbrauch in der Kirche ist Thema
Der katholische Bischof Gebhard Fürst betonte die wichtige gesellschaftliche Funktion der Medien. "Wir müssen alle Sachverhalte kennen, um eine Grundlage für unser Handeln zu haben, für unsere Entscheidungen darüber, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen." Da nicht jeder einzelne jeden Sachverhalte selbst auf seinen Wahrheitsgehalt prüfen könne, brauche es dazu Vermittler, sagte er und meinte damit wohl vor allem den dokumentarischen Film und nicht den fiktiven.
Ausdrücklich ging Fürst auf den bei der Berlinale gezeigten kirchenkritischen Film "Grâce à Dieu" ("Gelobt sei Gott") von Francois Ozon ein, der sich mit sexuellem Missbrauch in der Kirche beschäftigt.
"Den Blick darauf zu werfen ist unbestreitbar schmerzhaft, aber wir haben uns seitens der katholischen Kirche für den Weg der rückhaltlosen Aufklärung entschieden. Wir müssen die realen Probleme hier in Deutschland lösen, aber damit wir uns ein Bild machen können, was Missbrauch bedeutet, vor allem für die Opfer, sind auch Filme wichtig, die hier Impulse geben", sagte der katholische Geistliche. Die Wahrnehmung einer fremden Welt sei kein Zeitvertreib.
Ein dezidiert politisches Festival
In ihrer Laudatio auf Dieter Kosslick lobte die Präsidentin von INTERFILM, Pastorin Julia Helmke, dass sich die Berlinale unter Kosslick "auch zu einem politischen Festival entwickelt" habe.
"Man erkennt vielleicht erst heute, nach der Erschütterung zahlreicher politischer, moralischer und kulturell-kommunikativer Gewissheiten, den Wert und die Bedeutung dieser entschiedenen Positionierung."
Die Laudatorin betonte, dass Kosslicks Berlinale den "Bogen der Wahrnehmung, der Erfahrung, der Erkenntnis und des Widerspruchs so weit wie möglich gespannt hat, als Anwältin kultureller Vielfalt und Anteilnahme, als ein Leuchtturm des weitesten Horizonts."
Die Stimme der Kirche(n)
Der Ehrenpreis solle aber auch "ein Zeichen der Dankbarkeit" dafür sein, dass sich Kosslick dauerhaft für die Ökumenische Jury eingesetzt habe und für die Bemühungen der beiden mit ihr verbundenen Filmorganisationen INTERFILM und SIGNIS, "für herausragende Werke der Filmkunst in Kirche und Gesellschaft Aufmerksamkeit, Verständnis und Anerkennung zu erzeugen“.