1. März 2019 | Dom zu Greifswald

Kommt, lasst uns miteinander feiern!

Bischof Magaard während seiner Predigt im Dom zu Greifswald, Foto: Wendt/Nordkirche
Bischof Magaard während seiner Predigt im Dom zu Greifswald, Foto: Wendt/Nordkirche

01. März 2019 von Gothart Magaard

Predigt im Synodengottesdienst vor der Wahl eines neuen Bischofs für Mecklenburg und Pomnern

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

es ist für mich als Schleswiger Bischof eine große Freude, im Greifswalder Dom in einer großen Gemeinde heute Gottesdienst zu feiern. Da sind die aufgeweckten und erwartungsvollen Synodalen trotz gestriger Spätschicht. Und da sind Menschen aus der hiesigen Gemeinde, aus Stadt und Land, die diesen Gottesdienst mitfeiern möchten. Und da sind die beiden Kandidaten für das Bischofsamt.

Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit!“ – so heißt es im Lukasevangelium, das wir eben gehört haben. Und als Leserin und Hörer steht man da, sieht zu und mag es nicht fassen: Die Einladung wird ausgeschlagen. Der eine hat Land gekauft, der andere Vieh erworben, der letzte schließlich geheiratet – ihm kann man vielleicht noch am ehesten folgen.

Aber: Warum, so möchte man fragen, habt ihr das nicht anders gelöst? Warum schieben sich jetzt diese Alltagsgeschichten zwischen euch und das Fest? Die Enttäuschung und Bitterkeit des einsamen Gastgebers kann man mit Händen greifen. Es ist für mich eine dieser biblischen Geschichten, in die ich eingreifen möchte. Ich möchte diese trüben Gesellen schütteln; sie aufrütteln, damit das Fest doch noch beginnen kann.

Doch mein Eingreifen tut nicht Not. Das Fest wird stattfinden. Die Tische sind gedeckt. Die Musik, gewiss, ist bestellt. Alles ist bereit. Und dann werden sie hinein gebeten, ja geradezu hineingenötigt: die Armen und Kranken, die Blinden und Lahmen.

Und es wird gefeiert. Möglicherweise anders als geplant. Doch gewiss nicht weniger fröhlich.

Wenn der Besuch ausbleibt – wenn keiner kommt, oder möglicherweise andere kommen als die, die man erwartet hat – ist das, liebe Gemeinde, ein Thema für uns? Wen lassen wir in das Haus ein? Diese Frage lässt sich in ganz unterschiedlichen Horizonten durchbuchstabieren.

Gerade bin ich aus England zurückgekehrt, wo ich eingeladen war zur Weihe zweier Bischöfinnen, eine für die Diözese Durham, mit der wir partnerschaftlich verbunden sind. Einmal mehr dankbar für Verbundenheit im Glauben und für ökumenische Begegnung, gerade in politisch bewegten Zeiten mit ungewissem Ausgang. In einer Zeit, in der Grenzzäune in der Ukraine oder an der Grenze zu Mexiko errichtet werden, nachdem wir die Mauern überwunden glaubten. Am Rande des Gottesdienstes in England sprach mich ein älterer Herr in gutem Deutsch an, fragte woher ich denn komme und erzählte, dass er in den 60er Jahren mit einer Kirchendelegation der anglikanischen Kirche im Greiswalder Dom gewesen sei und mit Bischof Krummacher gesprochen habe. Er wusste genau, was Mauern bedeuten können.

Dankbar bin ich auch für unsere Begegnungen mit den slowenischen Christinnen und Christen, die in diesem Jahr den heutigen Weltgebetstag vorbereitet und gestaltet haben, aus dem wir Elemente in diesem Gottesdienst aufgenommen haben – auch die Auswahl des Predigttextes stammt also von dort. Gemeinsam mit unserem Konvent der Pröpstinnen und Pröpste im Sprengel Schleswig und Holstein habe ich Slowenien vor einigen Jahren besucht. Nur etwa 20.000 Menschen, also 1% der 2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner dieses sehr kleinen Landes der Europäischen Union sind evangelisch, etwa 60% römisch- katholisch. Herzliche Offenheit haben wir auch dort erlebt. Und wir haben gehört, was es heißt, als kleine Minderheitenkirche zu leben und zu glauben, mit um die 13 Pastorinnen und Pastoren und einer kleinen Diakonie, die versucht, dort Not zu lindern, wo sie am größten ist.

Und ich habe auch erlebt, dass sich diese Kirche nicht klein macht und als Volkskirche versteht: der Reformationstag ist dort seit der Staatsgründung nach dem Ende Jugoslawiens staatlicher Feiertag mit Festaktübertragung im Fernsehen, da der Reformator der Slowenen, Primus Truber, auch als Autor der slowenischen Sprache gilt. Die kulturelle Bedeutung der Reformation und die Bedeutung der Protestanten für die slowenische Gesellschaft wird respektiert und auch bewundert.

Die Frauen in Slowenien feiern schon lange den Weltgebetstag. Zunächst war die Gestaltung des Tages eine Herausforderung, sowohl im Hinblick auf die katholische Kirche als auch die wenigen orthodoxen Frauen. Aber mittlerweile ist dieser Tag dort fester Bestandteil im Miteinander der christlichen Konfessionen. Wie so oft und auch in unserer Geschichte sind Frauen auch hier die Vordenkerinnen und Vorreiterinnen für gute, friedensstiftende Entwicklungen, und „von gar nicht abschätzbarer Bedeutung“ (Titel Reformationsausstellung Frauen Nordkirche).

Natürlich ist heute ein besonderer Tag für unsere Schwestern und auch Brüder dort, wenn in mehr als 120 Ländern von ihnen und ihrem Glauben und Leben zu hören ist und so denke ich heute fürbittend und in der Verbundenheit unseres Glaubens an sie.

Und, liebe Synodale, ich kann Ihnen nur ans Herz legen, dieses Land und seine Menschen einmal zu besuchen. Seine Landschaft, seine Kultur sind beeindruckend, und es liegt, wie ein Slogan des Tourismusverbandes einmal hieß: „auf der Sonnenseite der Alpen!“

Liebe Schwestern und Brüder, für mich bedeuten diese persönlichen Erfahrungen:

Wie auch immer über die europäischen Grenzen entschieden werden wird: Die Häuser werden wir füreinander offenhalten. Wir werden das Verbindende suchen und miteinander feiern. Und ich hoffe, dass wir im gemeinsamen europäischen Haus als Kirchen noch stärker an einer europäischen Idee von Diakonie, vom Dienst an den Menschen arbeiten. Das ohne Frage mit Augenmaß und im Zusammenspiel von Entwicklungszusammenarbeit, von Engagement für den Frieden und gerechte Lebens- und Arbeitsbedingungen weltweit und zugleich mit Angeboten in unseren Gemeinden und Diensten und Werken vor Ort für Geflüchtete und Beheimatete und Suchende.

Doch, liebe Gemeinde, was ist, wenn der Besuch ganz ausbleibt? Ist das auch ein Thema für uns im Hinblick auf die Zukunft unserer Kirche? Zu unseren Alltagen im kirchlichen Leben gehört auch die Erfahrung, dass weniger Menschen kommen – nicht immer, fraglos.

Es gibt auch Aufbrüche im Kleinen und Größeren, doch insgesamt zeigen statistische Daten einen Rückgang etwa bei den Amtshandlungen und Kirchenmitgliedern. Hier mag es hilfreich sein, sich die Reaktion des Gastgebers in unserer biblischen Erzählung vor Augen zu führen. Er überprüft, wenn man so will, seine Gästeliste und passt sie an. Er zieht sich nicht zurück. Er gibt sich nicht zufrieden damit, ein „Dinner for one“ zu feiern.

Er packt die Sache anders an. Er sieht hin, wer die Einladung braucht, wer hungrig und einsam ist. Das ist für mich ein Hoffnungsbild für Kirche: dass sie ihre Türen nicht verschließt, dass sie sich anderen Stimmen und Klängen öffnet, möglicherweise geerdeter wird und andere Themen in den Blick nimmt. Aber vor allem: dass sie die Menschen nicht scheut.

Wie wir eine einladende Kirche bleiben, die offen ist, die aber auch Menschen erreicht und an-sprechend das Evangelium unter die Menschen bringt, das ist für uns in dieser weiten Nordkirche ein Thema, das sich uns allen mit verbindenden Elementen und in je spezifischer Weise stellt: in Schleswig-Holstein, Hamburg und hier in Mecklenburg-Vorpommern.

Weniger werden wir. Doch unsere Großzügigkeit und Weitherzigkeit, die das Evangelium in uns weckt, sollte daran nicht kranken.

Wenn der Besuch ausbleibt – dann, liebe Schwestern und Brüder, kennt der Gastgeber keine Berührungsängste. Er holt die Leute herein. Ohne Gesichtskontrolle.

Und auch da stehen wir in einer Situation, die uns Besonnenheit und Umsicht abverlangt. Wir tun uns zu recht schwer damit, denen eine Bühne zu bieten, die sich die Dinge zu einfach machen. Wenn sie Gedankengut hoffähig machen wollen, das seine Zeit nie hätte haben dürfen.

Und doch dürfen wir um Gottes Willen einander nicht aufgeben – sondern sind aufgerufen, umeinander zu ringen. Wir schulden einander den Streit um eine verantwortliche Gestaltung unserer Gesellschaft, aber auch die Bereitschaft, Versöhnung zu suchen. Die verschlossene Tür ist kein evangelisches Gütesiegel – „Tritt ein, die Kirche ist offen“, das ist an vielen Kirchentüren zu lesen. Nicht offen für alles, was gesagt wird, doch offen für jede und jeden, der an diesem besonderen Ort willens ist andere zu hören und zu suchen, was dem Leben dient.

Liebe Schwestern und Brüder,

Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit!“ – Und das Fest wird stattfinden. Nur anders als erwartet.

Das ist nicht nur Zukunftsmusik, sondern erfahrbare Wirklichkeit. Schon heute.

An diesem Tag sind wir zu Gast, hier im Greifswalder Dom, als Synode beieinander. Wir werden nachher gemeinsam Entscheidungen treffen – für einen neuen Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern, für neue und andere Wege, die Zukunft dieser Kirche miteinander zu gestalten. Und wir wissen uns verbunden mit den Frauen und Männern, die mit uns in der Ökumene im Gebet und im Bezeugen des Evangeliums weltweit vereint sind.

Im Johannesevangelium sagt Jesus in einem der merkwürdigsten „Ich bin“-Worte: „Ich bin die Tür“. Darauf, liebe Schwestern und Brüder, muss man erst einmal kommen. Doch es ist zugleich stärkster Ausdruck dieser frohmachenden Botschaft, von der auch wir an diesem Tag hören: Gott igelt sich nicht ein. Er macht die Grenze nicht dicht, er zieht sich nicht zurück. Sondern die Tür ist jetzt geöffnet zum Fest, zur Feier seiner Gegenwart.

Kommt, lasst uns miteinander feiern!

Amen.

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