Kurzentrum Gode Tied an der Nordsee wird 50: "Mütter sollen hier einfach mal wieder durchatmen"
09. Mai 2025
Das Leben mit Kindern ist kräftezehrend, so bereichernd es auch sein mag. Meist sind es Mütter, die den Familien-Alltag maßgeblich organisieren. Immer noch. Dazu kommen ein herausfordernder Job und oft eine Partnerschaft, die ganz anders ist als ohne Nachwuchs. Fast jede vierte Mutter hat Bedarf an einer Kur, das hat das Müttergenesungswerk errechnet. Das Evangelische Kurzentrum Gode Tied in Büsum gibt Müttern neue Kraft – seit 50 Jahren.
Hier mehr erfahren über das Evangelische Kurzentrum "Gode Tied" an der Nordsee und ein Video ansehen
Der sonnige Vormittag beginnt mit Walken an der Nordsee, geht für einige Frauen mit „Rücken-Fit“ weiter und dann vielleicht mit Entspannung in der Sauna. Oder mit individuellen Behandlungen durch das Physio-Team, im Fitnessraum, mit Erziehungs- oder Schlafberatung.
Für das Mittagessen danach ist der Tisch gedeckt, das Essen gekocht. Die Kinder sind währenddessen professionell und liebevoll betreut. Was klingt wie Urlaub am Meer, ist für die Mütter hier im Evangelischen Kurzentrum Gode Tied in Büsum eine dringend benötigte Auszeit.

Sonne, Meer, Gespräche: Auszeit vom Leben "im Hamsterrad"
Aktuell: Kampagne "100 000 Mütter vor dem Brandenburger Tor" am 10. Mai. Eine Stimme für Mütter und echte Gleichstellung! Unterstützt auch vom Frauenwerk der Nordkirche...
Sie sind extrem stressbelastet und erleben ständigen Zeitdruck, ernten aber kaum Anerkennung für ihre Leistung. Alleinerziehende haben fast nie eine Chance, einmal durchzuatmen. Das Leben „wie im Hamsterrad“ verursacht oftmals gravierende Gesundheitsgefährdungen, Erschöpfung bis zum Burn-out, Angstzustände, Depressionen oder auch Schlafstörungen.
Nicht wenige Mütter haben permanente Schmerzen, stehen kurz vor einer chronischen Erkrankung. Sie sind hier, um Schlimmeres zu verhindern. „Eine Kur ist harte Arbeit an sich selbst“, fasst Katrin Schmidt, Geschäftsführerin von Gode Tied, zusammen. Eine Mutter sagt:
Hierher zu kommen - das ist, wie aus einem fahrenden Zug auszusteigen. Mit all diesen Zeitplänen im Kopf und all dem, was immer alles zu tun ist.
15 Monate hat sie auf ihren Kurplatz hier am Meer gewartet. "Und hier gibt es viele liebe Menschen, die einen daran erinnern, wieder auf sich selbst und seinen Körper zu achten."

Therapie auch der Seele: Briefe an sich selbst
Immer wieder fließen Tränen - in den Gesprächen mit der Ärztin, der Psychologin oder im Austausch mit anderen Müttern. Sogar in der kurzen Mittagsandacht im Raum der Stille, in der es um das Versprechen Gottes geht, auch in schweren Zeiten da zu sein. Eine Box mit Taschentüchern steht überall bereit.
Oft seien es Beziehungsprobleme und das ständige Kümmern um die Familie, die Frauen an ihre Grenzen bringe, erklärt Susanne Lauer, Diplom-Psychogin in Gode Tied: „Frauen tragen immer noch den größten Anteil an Care-Arbeit und Mental Load in den Familien.“ Also die unsichtbare Belastung, Termine im Blick zu behalten, Erledigungen zu planen und Sozialkontakte zu pflegen.

„Im Alltag laufen viele im Funktionsmodus. Schmerzen und Gefühle wie Trauer werden ignoriert, wie in eine Schublade gesperrt. Hier, losgelöst vom Alltag, dürfen Mütter auch mal schwach sein“, sagt die Psychologin. „Oft kann dann erst etwas angestoßen werden.“
Jede Teilnehmerin kommt am Anfang, nochmals im Verlauf der dreiwöchigen Kur und schließlich zum Abschluss mit ihr oder einer Kollegin. Hier können sie einen Brief an sich selbst schreiben. Er kommt 6 Wochen nach der Kur per Post, um zu erinnern: Diese Schritte zur Veränderung will ich gehen.
Mehrfachbelastung Job, Erziehung, Sorgearbeit
„Die Belastungen der Kurfrauen und auch die ihrer Kinder werden immer komplexer, und das immer schneller und dramatischer. Viele sind bereits krank, brauchen eigentlich eine Reha. "Der therapeutische Anspruch ist hoch“, sagt Katrin Schmidt.

Vor 50 Jahren seien Mütter meist Hausfrau gewesen und beispielsweise durch eine Zeit, in der die Familie ein Eigenheim gebaut hat, erschöpft. Heute sind viel mehr Frauen erwerbstätig, erleben immer stärkere Arbeitsverdichtung und sind mehrfach belastet. Katrin Schmidt sagt:
Die Teilnehmerinnen kommen aus ganz Deutschland aus allen Bevölkerungsschichten zu uns. Die gesellschaftlichen Veränderungen sind überall zu sehen und zeigen sich auch in der Frauengesundheit.
Umgang mit Trauer Schwerpunkt der Einrichtung
Auch Kinder brauchen Raum für Trauer: Lesen Sie hier unser Interview mit Trauerbegleiterin Ute Nehls-Eschner
Einer der Schwerpunkte der Kureinrichtung ist der Umgang mit Trauer. Deshalb kommen viele Frauen, die zusätzlich zur Alltagsbelastung den Verlust eines geliebten Menschen verkraften müssen und Wege suchen, mit der Trauer umzugehen.
„Mütter kommen zu uns, damit sie die Ursachen für ihre Erschöpfung und Erkrankung wahrnehmen“, erklärt Katrin Schmidt. „Hier finden sie einen geschützten Raum, können ihre Situation losgelöst von ihrer Rolle als Mutter oder Partnerin betrachten und finden mit unserer Hilfe Strategien, neue Ziele entwickeln zu können.“
Nach der Rückkehr: Ein Plan und ein Versprechen
Die kurze Zeit reicht nicht, um alle Probleme zu lösen. Aber für einen Plan, wie sich die Mütter künftig entlasten wollen und sich mehr um sich selbst kümmern können. Für das Versprechen an sich selbst, wieder mehr Sport zu machen, Therapien zu beginnen, Belastendes und Lähmendes anzugehen, Verdrängtes aufzuarbeiten.

Link zu Kampagne Hundertausend Mütter vor das Brandenburger Tor