Historische Forschung und persönliche Geschichten erlittenen Unrechts im Blick der Landessynode

Landesbischof kündigt Aufarbeitung kirchlicher DDR-Vergangenheit an

Die Nordkirche will die Bemühungen um eine Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ihrer Vorgängerkirchen fortsetzen und erweitern. Dazu informierte Landesbischof Gerhard Ulrich die Synodalen in Travemünde
Die Nordkirche will die Bemühungen um eine Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ihrer Vorgängerkirchen fortsetzen und erweitern. Dazu informierte Landesbischof Gerhard Ulrich die Synodalen in Travemünde© Nordkirche, Maren Warnecke

30. September 2017 von Stefan Döbler

Lübeck-Travemünde. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) will die Bemühungen um eine Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ihrer Vorgängerkirchen fortsetzen und erweitern. Über konzeptionelle Überlegungen dazu informierte heute (30. September) Landesbischof Gerhard Ulrich die 156 Mitglieder der Landessynode. Dabei werde es sowohl um die wissenschaftliche Erforschung historischer Hintergründe und Zusammenhänge als auch um die Aufarbeitung von persönlichen Geschichten erlittenen Unrechts gehen, so Ulrich. Die historische Forschung solle sich zunächst auf bestimmte Phasen der Geschichte des 20. Jahrhunderts in den drei Vorgängerkirchen der Nordkirche richten.

So könne beispielsweise die Zeit von 1933 bis 1945 in der Mecklenburgischen Landeskirche erforscht werden. Zum anderen solle es um die Geschichte der evangelischen Kirche in der DDR von 1969, dem Jahr der Trennung von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bis 1989 gehen. Die Aufarbeitung werde sich auf alle drei Vorgängerkirchen der Nordkirchen beziehen. Im Blick sei dabei zum Beispiel die vielfältige Begegnungs- und Partnerschaftsarbeit zwischen Ost und West, kündigte der Landesbischof an. Schließlich solle auch die Phase der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zwischen 1990 und 2012 betrachtet werden.

Anlaufstelle für Betroffene geplant

Neben der historischen Forschung ist vorgesehen, dass Betroffene die Möglichkeit erhalten, ihre persönliche Geschichte zu erzählen und, wo es nötig ist, unterstützt zu werden, sagte Ulrich: „Es geht um Menschen, die unter Druck gesetzt wurden, die in Interessens- und Loyalitätskonflikte gezwungen wurden, denen etwas verwehrt wurde, bis dahin, dass man sie schlicht fertiggemacht hat.“ So würden im Zusammenhang mit dem Biografienprojekt in Mecklenburg auch weiterhin neue Bitten um Gespräche an kirchliche Verantwortliche herangetragen. Daher gebe es Überlegungen, künftig ein Gremium als Anlaufstelle einzurichten und dies als Gesprächsangebot öffentlich bekanntzugeben.

Landesbischof Ulrich: „Es wäre doch wohl sehr naiv, wollte man annehmen, dazu gebe es nichts mehr zu sagen, man habe sich ausgesprochen und all das spiele heute keine Rolle mehr. Wir sind in einer Zeit, in der viele Zeitzeugen und sehr viele Betroffene jener Zeit da sind. Uns als Nordkirche sind die Menschen ein Anliegen, sie sind es, die uns wichtig sind, die wir verstehen wollen und sollen. Und natürlich wollen wir uns auch selbst verstehen und uns selbst gegenüber aufrichtig sein. Diesen Weg haben wir in der Diskussion der Kirchenleitung begonnen und wir möchten ihn gern in der kommenden Zeit weiter verfolgen.“

Liturgisch-pädagogische Arbeitshilfe für Gottesdienste und Gedenkfeiern

Bereits 2014 hatte die Erste Kirchenleitung der Nordkirche ein Konzept „Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit in der Nordkirche – Grundlage und Handlungsstrukturen“ beschlossen, in dem sowohl die Epoche der NS-Gewaltherrschaft als auch die Epoche der SED-Diktatur im Rahmen der deutschen Teilung angesprochen wird. Zu den Ergebnissen zählt u.a. das gegenwärtig in Mecklenburg vorbereitete „Biografienprojekt“ in Kooperation des Hauptbereichs „Seelsorge und gesellschaftlicher Dialog“ der Nordkirche, des Kirchenkreises Mecklenburg und der Gesellschaft für Regional- und Zeitgeschichte e.V. (GRZ). Dabei werden Kurzbiografien von insgesamt 200 Menschen sowohl aus der Kirche als auch aus der gesamten Gesellschaft zur Zeit der DDR recherchiert und in einem Gedenkbuch vorgestellt, die auf unterschiedliche Weise in die Mühlen des SED-Systems gerieten. Eine liturgisch-pädagogische Arbeitshilfe für Gottesdienste, Gedenkfeiern und Veranstaltungen dazu soll ebenfalls erarbeitet werden.

In Pommern sei u.a. durch die gründlich neu bearbeitete Untersuchung der Historikerin Rahel Frank „Einsam oder gemeinsam? Die Greifswalder Weg und die DDR-Kirchenpolitik 1980 bis 1989“ erneut das Interesse an dem Thema gewachsen und neues Interesse geweckt worden, so Landesbischof Ulrich. Er erinnerte an den Beschluss der pommerschen Kirchenkreissynode vom März, auch weiterhin seelsorgerliche Begleitung für Menschen anzubieten, die unter den Lasten der DDR-Vergangenheit leiden, sowie die Geschichte der damaligen Greifswalder Landeskirche von 1970 bis 1990 zu erforschen und darzustellen.

Anfang 2016 beauftragte der Bischofsrat der Nordkirche eine Arbeitsgruppe, Vorschläge für weitere Schritte zu entwickeln. Die Erste Kirchenleitung hat das Landeskirchenamt gebeten, auf dieser Basis einen detaillierten Umsetzungsplan zur weiteren Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zu erarbeiten.

 

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