„Glaube ist Widerstand gegen Fake-News aller Art“

Landesbischof Ulrich hielt Theaterpredigt zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“

Mit den Irrungen und Wirrungen von Shakespeares Komödie "Ein Sommernachtstraum" beschäftigte sich Landesbischof Ulrich in seiner sechsten Schweriner Theaterpredigt
Mit den Irrungen und Wirrungen von Shakespeares Komödie "Ein Sommernachtstraum" beschäftigte sich Landesbischof Ulrich in seiner sechsten Schweriner Theaterpredigt© Maren Warnecke, Nordkirche

26. Oktober 2018 von Maren Warnecke

Schwerin. „Was wird aus der Liebe im Zeitalter von Facebook und Twitter? Was geschieht mit unserem Geist und den Gefühlen, wenn das Dasein zunehmend virtuell stattfindet, wenn Filme, Bücher, Freunde und Shops aus Benutzeroberflächen bestehen, von denen ich nicht weiß, wie real sie wirklich sind?“ Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), warb heute (26. Oktober) in seiner Theaterpredigt im Großen Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin für mehr Empathie und Mut, sich auf Beziehungen im „Offline“-Modus einzulassen.

Anhand des Hohelied Salomos setzte Ulrich sich mit dem Shakespearschen-Stück „Ein Sommernachtstraum“ in einer Inszenierung von Jan Gehler auseinander. In der ersten Szene treffen in einem kalt-rationalen Großraumbüro vier Menschen aufeinander: das junge Liebespaar Hermia und Lysander darf einander nicht heiraten, weil Hermia Demetrios versprochen ist. So will es Theseus, Herrscher Athens. Demetrios wird allerdings von Helena geliebt. Nach der gemeinsamen Flucht des Quartetts in einen Zauberwald geraten sie in der zweiten Szene an das in Hassliebe miteinander verbundene Herrscherpaar des Elfenwaldes, Oberon und Titania, das seine eigenen Pläne verfolgt. Nun entfaltet sich die Macht der Liebe in ihrer auch zerstörerischen Gewalt.

„Von begehrender, zerstörender, brennender, lustvoller Liebe ist in der Kirche eher selten zu hören“, erinnerte Ulrich. Liebe werde meist auf die geistliche Beziehung zum ‚lieben‘ Gott bezogen, „auf das Miteinander als Menschen, das liebevoll sein soll. Wer ‚Ein Sommernachtstraum‘ gesehen hat, stellt sich schnell die Frage, ob wir in der Kirche womöglich die Liebe domestiziert haben: Das Abgründige, Erschreckende, das Rasende, das uns ganz Packende, in den höchsten Himmel Katapultierende, aber auch das Verwunderliche und Wunderbar-Leichte haben wir verdrängt. Das Romantische wird oft intellektuell verachtet“, so der Landesbischof.

Liebe müsse hingegen immer als ein Teil der Schöpfungstaten Gottes betrachtet werden. „Sie ist nicht zu verstehen ohne die Hingabe zur Schöpfung insgesamt, ist nicht nur eine Angelegenheit zwischen Menschen“, mahnte Ulrich. „Wo die Mitmenschen bedeutungslos werden, dort findet auch die Natur keine Achtung mehr. Sie gerät wie alles andere unter die Räder“, zog Ulrich den Bogen zur weltweiten ökologischen Krise. „Es wird gelebt, als verdienten der Andere und das Andere keine Achtung. Als gäbe es kein Morgen. Was nicht über einen Geld- oder Lustwert für mich verfügt, ist mir nutzlos. Und was diesen Geld-, diesen Lustwert doch hat, löst sich darin auf, wird anonym und gestaltlos. Die Schöpfung, der Mensch verschwinden: Die Welt wird irr. Und wir sind die Anstifter und die Erzeuger.“

Im dritten Ausschnitt der Theaterpredigt erwachen die Shakespearschen Liebespaare nach und nach wieder in ihrem Großraumbüro. Verwirrt und voller Sehnsucht. Ulrich: „Für mich hat DER Traum, der das Erwachen wirklich überdauert, einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte mit uns. Mit Jesus wird das Geheimnis der Liebe, das Geheimnis Gottes erkennbar, erfahrbar. Diese Liebe verändert. Richtet Gedemütigte auf, spricht Verzweifelten Mut zu, gibt Rechtlosen Würde und Respekt.“ Bei Jesus lernten die Menschen, sich auf den Nächsten einzulassen, als Ebenbild Gottes, ausgestattet mit unantastbarer Würde. „Das ist die Quelle meiner Hoffnung, die mich nicht abwarten lässt, sondern mir den Mut verleiht, zu widersprechen: der krassen Lieblosigkeit um uns herum, dem Herumgeschubse der Schwachen durch die Starken, der Gefühlvollen durch die Gefühllosen. Zu widersprechen dem Irrsinn des Populismus, des Hasses, des Krieges, der Gewalt und der Verachtung. Der Glaube ist ein Widerstands-Glaube gegen Fake-News aller Art“, sagte Ulrich.

Die Theaterpredigt zum Schauspiel „Ein Sommernachtstraum“ ist die inzwischen achte Veranstaltung in der Reihe „Dialog Kirche und Bühne“, ein Gemeinschaftsprojekt des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin mit der evangelischen und katholischen Kirche. Unter dem Motto „Predigt am anderen Ort“ hatte Gerhard Ulrich 2015 die erste Theaterpredigt in Schwerin gehalten, damals zu Shakespeares „Kaufmann von Venedig“. Die Theaterpredigt zu „Ein Sommernachtstraum“ ist zudem Bestandteil des ersten Kunst- und Kulturkongresses der Nordkirche in Schwerin. Noch bis morgen wird sich ein Fachpublikum aus Kunstschaffenden und kirchlich Engagierten unter dem Motto „Spielräume der Freiheit“ über grundsätzliche Perspektiven zum Verhältnis von Kultur, Religion und Theologie austauschen. Veranstalterin ist die Evangelische Akademie der Nordkirche in Kooperation mit dem Netzwerk Kunst und Kirche sowie den Hauptbereichen der Nordkirche.

Der in Hamburg geborene Gerhard Ulrich studierte zunächst Germanistik, Theaterwissenschaften und Schauspielkunst, bevor er 1974 zum Studium der Evangelischen Theologie wechselte. 2013 wurde er von der Landessynode der Nordkirche zum Landesbischof gewählt. Ulrich ist zugleich Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Die Amtszeit von Gerhard Ulrich als erster Landesbischof der Nordkirche endet am 31. März 2019.
 

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