Internet-Einträge

Mit Facebook und Twitter gegen die eigene Depression

Facebook-Einträge über die eigene Depression helfen, sind aber nur der erste Schritt (Symbolfoto)
Facebook-Einträge über die eigene Depression helfen, sind aber nur der erste Schritt (Symbolfoto)© Pathdoc / Fotolia

03. August 2015 von Timo Teggatz

Sie erzählen von Verzweiflung oder fehlender Selbstliebe: Immer mehr Menschen, die an einer Depression leiden, öffnen sich im Internet. Vielen helfen die Einträge bei Facebook und Twitter. Aber es gibt auch Gefahren.

Man müsse ihr nicht sagen, dass sie eine Katastrophe sei, das wisse sie schon selbst. Solche verstörenden Botschaften twittert Elisabeth (Name geändert) manchmal. Oder sie schreibt: Die Stimmen in ihr sagten ihr, dass sie falsch sei. Ihr Akku sei leer. Elisabeth leidet an einer Depression. Online erzählt sie davon, auf Facebook und in einem Tumblr-Blog. Auf Twitter hat sie mehrere tausend Tweets verfasst.

Und sie ist damit nicht alleine: Immer mehr Nutzer berichteten in sozialen Medien über ihre psychische Erkrankung, sagt Christiane Eichenberg, Professorin für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Medien an der Sigmund Freud Privat-Universität Wien. 60 Prozent der Nutzer suchten online auch nach Informationen über Krankheiten: "Das Internet ist inzwischen als Gesundheitsmedium etabliert."

#notjustsad: „Ich fühle mich wertlos“

Im November 2014 rückten Berichte über Depressionen im Internet in den Fokus der Öffentlichkeit, als Tausende unter dem Hashtag #notjustsad über die Krankheit schrieben. Mittlerweile ist das Thema nicht mehr prominent in den Medien, viele Nutzer machen aber weiter – auf Twitter, Facebook, Youtube. Eine Therapie ersetzen kann das nicht.

Auch Elisabeth berichtet seit Herbst vergangenen Jahres öffentlich über ihre Krankheit. Bei ihr sei diagnostiziert worden, dass sie seit ihrer frühesten Kindheit an einer Depression leide, erzählt die 30-Jährige. Sie könne sich nicht geliebt fühlen: "Das Empfinden von Urvertrauen und Liebe fehlt mir. Im Laufe der Therapie und während sehr schwerer depressiver Episoden frisst mich das fast auf. Ich bin dann nicht in der Lage, mich selbst zu bestätigen, fühle mich wertlos."

Jeder fünfte Deutsche erkrankt in seinem Leben an einer Depression. Vier bis fünf Millionen Menschen bräuchten eine Behandlung, nur ein Bruchteil werde jedoch optimal betreut, erklärt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Die Krankheit macht antriebslos, man kann keine Freude mehr empfinden, schlimmstenfalls kommt es zu Suizidgedanken.

Internet – nur der erste Schritt

"Wenn Menschen in eine Depression geraten, dann ist das ein existenziell verstörendes Erlebnis mit veränderten Körperfunktionen, Empfindungen und Verhaltensweisen", erläutert Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig. "Die Erkrankten sind eben nicht nur traurig."

Schwer depressiv Erkrankte spürten, dass andere ihren Zustand nicht nachvollziehen könnten. "Zu versuchen, sich mitzuteilen, ist dann ein Weg aus der gefühlten Isolation", sagt Hegerl. Im Internet von den eigenen Gedanken zu berichten, könne direkte soziale Kontakte nicht ersetzen, aber ein erster Schritt sein. "Allein die eigenen Gefühle in Worte zu fassen kann dem Gefühl des Ausgeliefertsein und der Hilflosigkeit entgegenwirken."

Die negativen Gedanken zu notieren sei auch Teil einer klassischen Schreibtherapie, sagt Forscherin Eichenberg. "Man kann von einem Tagebuch-Effekt sprechen, denn durch das Aufschreiben kann man seine Gedanken ordnen und Erlebnisse verarbeiten." Auf diese Weise könnten auch belastende Ereignisse anders bewertet werden.

„Das Aufschreiben ist ein Ventil“

Patientin Elisabeth hat diese Erfahrung mit ihren Einträgen im Internet gemacht. "Das Aufschreiben ist ein Ventil für mich", erzählt sie. "Und auch nicht zu verachten ist, dass ich merke, nicht alleine zu sein." Sie bekomme auf ihre Online-Postings häufig Feedback und habe bereits viele Menschen mit ähnlicher Leidensgeschichte kennengelernt: "Das tut mir gut."

In schwierigen Phasen oder bei Suizidgedanken würden Beziehungen zu anderen Menschen helfen und stabilisieren, sagt Eichenberg. "Das macht jeder Krisenhelfer: in Kontakt gehen und eine Beziehung aufbauen." In sozialen Medien würde Betroffenen typischerweise Feedback gegeben. Die Kranken merkten, dass sie nicht alleine von einer Depression betroffen seien: "Die vielen Äußerungen im Internet zeigen, wie viele Leidensgenossen es gibt. Das entlastet", erklärt Hegerl.

Die öffentlichen Berichte können allerdings auch problematisch werden, warnen die Experten. Man müsse sich gut überlegen, wie viele Details aus seiner Krankengeschichte man online preisgibt, rät Hegerl. "Das ist ja auch bei allen anderen Erkrankungen so." Eine gute Möglichkeit könne sein, den richtigen Namen nicht zu nennen. Nicht absehbar ist zudem, ob die Leser möglicherweise negative Kommentare verfassen. "Allerdings reguliert sich das häufig von selbst", sagt Eichenberg. "Meistens reagieren dann andere Nutzer, die die Betroffenen in Schutz nehmen."

Wenn negative Reaktionen kommen

Und auch für die Leser könnten die Berichte heikel sein. "Zumindest einen kleinen Teil der Mitleser, die sowieso schon stark belastet sind, können die Erzählungen zusätzlich destabilisieren", sagt Eichenberg. "Aber Berichte im Internet lösen alleine keine Suizidgedanken aus."

Eisabeth schätzt die Entlastung. Negativen Reaktionen begegne sie mit einem Schmunzeln, sagt sie. "Menschen, die mit diesem Thema nie in Berührung kamen, werden sich schwer tun, den Sinn dahinter zu sehen." Neulich postete sie einen Beitrag mit anderem Tenor: Wenn der Tag trotz der Dramen gut verlaufe, schrieb sie, dann sei sie einfach glücklich.

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