27. September 2015 | Schenefeld, Marktplatz/Einkaufszentrum

Mit Gott zu Mittag essen

27. September 2015 von Kirsten Fehrs

Ökumenischer Gottesdienst, Predigt zu Lk 12, 15-21

Liebe ökumenische Gemeinde, hier mitten in der Stadt!

Erntezeit – reiche Zeit. Reich an Früchten, reich an Gründen – ten thousand reasons! – dankbar zu sein - und reich an Festen! So kenne ich es vom Land aus Dithmarschen, woher ich - und Ihre Pastorin Otterstein - stammen. Und wie wir heute und hier erleben: Ernte feiern wir auch in der Stadt. Mitten auf dem Marktplatz, wo Kirche hingehört. Mit ihrer guten Botschaft von der Güte und den Wundern Gottes – mit nichts Geringerem sollten wir rechnen.

Denn war es eben nicht wirklich zum Wundern schön? Als die Kinder gesungen haben – so herzensnah und voller Innigkeit, dass es einen ganz ehrfürchtig macht und anrührt. Und dann kommt einem doch ganz nahe, was wir eben mit den schönen Worten von Matthias Claudius gesungen haben: Gott wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein – und er entwickelt sich – manchmal ganz überraschend in unserem Leben. Dank singender Kinder. Und dank anderer, die unser Leben zum Wundern schön machen.

 

Deshalb Oh! Oh heißt das Buch voller Geschichten zum Wundern, von denen ich Ihnen eine zu Beginn erzählten möchte. Wunderbarerweise knüpft sie direkt an die Geschichte der Bürgermeisterin an:

Ein kleiner Junge will Gott treffen. Also packt er etwas zu essen in seinen Rucksack und macht sich auf den Weg. In einem Park sieht er eine alte Frau und setzt sich neben sie auf die Bank. Als er seinen Rucksack öffnet, sieht er den hungrigen Blick seiner Nachbarin und gibt ihr etwas ab. Dankbar lächelt sie ihn an -  es ist ein wundervolles Lächeln. Um dieses Lächeln noch einmal zu sehen, bietet er ihr wieder etwas an. Sie nimmt's und lächelt strahlender als zuvor. So sitzen die beiden den ganzen Nachmittag.

Als der Junge nach Hause kommt, fragt ihn seine Mutter: „Was hast du denn Schönes gemacht, dass du so fröhlich aussiehst?“ Der Junge antwortet: „Ich habe mit Gott zu Mittag gegessen, und sie hat ein wundervolles Lächeln.“

Auch die alte Frau wird von ihrem Sohn gefragt, warum sie so fröhlich aussehe. Sie antwortet: „Ich habe mit Gott zu Mittag gegessen, und er ist viel jünger, als ich dachte.“


Ich finde diese Geschichte wunderbar zum Erntedankfest, liebe Gemeinde: Diese Freundschaft im Geben und im Nehmen, der leise Humor, diese Ungezwungenheit  -  mit Gott zu Mittag essen ist wahrlich eine Freude, auf die jede und jeder ein Recht hat. Es kann auf der Parkbank stattfinden, beim Abendmahl oder in ökumenischer Gemeinschaft, es ist so unspektakulär wie liebevoll, es macht fröhlich, innerlich satt – und nicht dick. Mit Gott zu Mittag essen, das heißt, nicht allein zu sein, sondern Brot zu teilen und gute Worte, Trost zu spenden und Heiterkeit. Der Tisch des Herrn ist mit all dem gedeckt. Reichhaltig. Und wir, die wir so unterschiedlich sind wie der Junge und die alte Dame, wir sind alle eingeladen, jeden Tag aufs Neue.

Wie freudlos dagegen die Geschichte, die wir vorhin im Evangelium gehört haben. Obwohl der reiche Mann, ein Bauer, ja zunächst eigentlich viel Glück hat. Seine Felder tragen gut, was macht er also? Klar - investieren. Er reißt seine alten Scheunen ab und baut viel größere. Ein zupackender Unternehmer, ein Macher. Ein Richtig-Macher, sollte man meinen. Denn, wie er selbst sagt: „Du hast einen großen Vorrat für viele Jahre, hab nun Ruhe.“ Wer würde ihm das nicht gönnen? Und schließlich: So ein Erfolg will gefeiert werden: „Iss, trink und hab guten Mut!“

Was ist daran eigentlich so verwerflich, mal ehrlich? So wie er machen wir es doch auch. Wir sichern uns doch in allem Möglichen ab. Gerade in der heutigen Zeit, in der das Vertrauen in die staatlichen Sicherungssysteme geschwunden ist. Sind wir deshalb etwa habgierig?

Weil ich das nicht glauben kann, lese ich also das Gleichnis noch einmal genau, und…. Hören Sie selbst: „Und der Kornbauer dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ichmeine Früchte sammle. Und sprach: das will ich tun. Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast großen Vorrat für viele Jahre, habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut.“

Neun mal „ich“ und „mein“ in drei Versen! Nicht das Vorsorgen, liebe Gemeinde, die totale Selbstbezogenheit ist es, die den Kornbauern in den Augen Gottes zu einem habgierigen Menschen macht. Da scheinen um ihn keine Nachbarn zu leben, keine Freunde, keine Frau, keine Kinder, kein Mensch, dem er verbunden ist. Es gibt nur ihn und seine Scheunen. Und so kann er nichts von seinem Besitz abgeben, er kann nicht teilen, weil er gar nicht sieht, mit wem. Sogar seine Worte teilt er in Selbstgesprächen nur sich selbst mit.

Armer reicher Kornbauer. Armer Kornbauer, der nicht von sich selbst absehen, der sich nicht bedanken und das Glück spüren kann, beschenkt worden zu sein. In seiner Ichbezogenheit hat er die Rechnung ohne den eigentlichen Wirt gemacht. Du Narr!, sagt Gott zu ihm.

Und vielleicht sagt er es ja nicht nur zu ihm? Du Narr, der du glaubst, du kannst in allem vorsorgen, ja, kannst dein Leben sichern, indem du Besitz ansparst für das, was kommen mag. Und ich denke an einen Freund, der alles andere war als ichbezogen und habgierig. Der sich im Gegenteil Zeit seines Lebens krumm gelegt hat, um für seine Familie zu sorgen, mit Haus und Garten und was nicht alles, nur damit sie es gut haben. Und dann, als er endlich leben wollte, starb er, zwei Tage vor seinem 65. Geburtstag.

Unser Leben ist so kostbar. Viel zu kostbar, um es nicht zu leben. Jetzt. Es wird uns doch so vieles geschenkt. Jetzt. Dies einmal zuzulassen, wie reich wir sind, reich bei Gott,  – dazu will uns die Predigtgeschichte anstoßen. Es eröffnet sich damit nämlich eine neue Dimension. Eine, die man nicht herbeipredigen kann. Nein, sie ereignet sich in eurer Seele, in der oft so von der Sorge aufgescheuchten Seele, wenn sie hier zur Ruhe kommt. Hier mit dem Blick in den Himmel, in großer, gütiger Gottesnähe.

Reich sein bei Gott: Das ist auch Zusage. Du kannst vertrauen, heißt das, dass dein Leben gesegnet ist. Dass dein Leben so in Liebe gelebt sein will und zu Ende gehen wird wie es aus lauter Liebe in diese Welt hineingeboren wurde. Dieses Gottvertrauen macht reicher als alle Scheunen der Welt, sagt Jesus. Es ist ein Reichtum an innerer Kraft, an Klar-Sicht, gütiger Großzügigkeit.

Und: Reich zu sein bei Gott hat Folgen. Man kann gar nicht anders, als sich der Welt zuzuwenden und sich ihr zu öffnen -  und sei sie noch so elend und arm und aus dem Gleichgewicht. Sich den vielen Gesichtern der Armut zu öffnen, hier und in der Welt der ungerechten Verteilung, dazu sind wir in jeder Hinsicht vermögend, sagt Gott. Gerade doch jetzt gilt es hinzuschauen auf die Flüchtlingsnot an den Grenzen Europas – so viele Kinder in Schleppergewalt, mein Gott. So wie sich derzeit in unzähligen Gemeinden und Messehallen die Menschen kümmern und Hilfe leisten – auf dem Marktplatz unserer Städte zählen doch derzeit wunderbarerweise die inneren Schätze! Die Warmherzigkeit. Dieses tiefe Angerührtsein all der Kinder und Jugendlichen in unseren Schulen. Die gute Tat. Nächstenliebe konkret. In diesem Jahr für mich eine besondere Ernte an Mitmenschlichkeit, die mich zutiefst dankbar macht.


Der Tisch des Herrn steht eben genau in dieser Welt!  Mit ihrem Mangel und ihren Zerrissenheiten. Und wir mittendrin. Mit unruhiger Seele, aber doch auch reich beschenkt. Und so schauen wir auf unser Glück und auch auf das, was wir tragen müssen. Und dann ist's auf einmal wieder so bewusst, dass Frieden und Freiheit, ja dass jeder glückliche Moment im Leben ein wunderbares Geschenk ist.Dann wissen wir wieder, dass jeder Sonnenstrahl, jedes Sich–Finden und die Geborgenheit, dass ein Musical am Mittag und Geistesgegenwart am Lebensabend, dass dein Kind auf dem Schoß und die Hand auf der Schulter, dass all dies ein Gnadengeschenk ist, das uns hilft zu leben. Und sagen wir dann nicht ganz erleichtert: Gott sei Dank!? Ganz von Herzen, innen heraus. Ungezwungen. Denn Danken ereignet sich. Im Schweigen und der Nachdenklichkeit, im Lachen, im Gebet und in der Liebe. Überall dort, wo ich mich hinein-, ja hin-gebe.

Und auf einmal, während man so beschäftigt damit ist, für all das Gegebene zu danken, nimmt Gott selbst neben dir Platz. Als ältere Dame, gewitzter Junge, als abgerissener Bettler. Und als Flüchtling auch. Und dann sagt er: „Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat“. Und das bedeutet im Umkehrschluss ja: Man lebt, je mehr man gibt. Das ist unsere christliche Botschaft auf dem Marktplatz der Welt: Wir werden reicher, je mehr wir teilen. In der Fürsorge für Geschwister, seien sie Nah und Fern, Jung und Alt. Für die, die nicht nur auf der Parkbank sitzen, sondern auf ihr schlafen müssen, für sie, die auf dieser Erde kein Ackerland haben und keine Früchte, für die Hoffenden und Flüchtenden, die Traurigen und Gehetzten, all die, die uns brauchen:

Wir haben ihnen so viel zu geben, spricht Gott.

Werden  – wundern wir uns nicht! –

selbst zum Segen.

Nichts weniger.

Vielmehr

erhellt ein wundervolles Lächeln unser Land

und macht uns reich. Froh.

Dankbar,

dass Gott viel jünger ist, als wir dachten.

 

Denn sein Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahrt jeden Augenblick unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

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