Erinnerung an Mut der Demonstranten – Ruf zu Mitmenschlichkeit und Frieden

Ökumenischer Gottesdienst in Waren (Müritz): 30 Jahre friedliche Revolution

Ökumenischer Gottesdienst in Waren (Müritz) am 16. Oktober 2019: Rund 450 Menschen hatten sich in der St.-Georgen-Kirche versammelt, um an die Andacht dort und die von dieser ausgehenden ersten Demonstration im heutigen Mecklenburg-Vorpommern vor 30 Jahren zu erinnern. Foto: Stefan Döbler, Nordkirche
Ökumenischer Gottesdienst in Waren (Müritz) am 16. Oktober 2019: Rund 450 Menschen hatten sich in der St.-Georgen-Kirche versammelt, um an die Andacht dort und die von dieser ausgehenden ersten Demonstration im heutigen Mecklenburg-Vorpommern vor 30 Jahren zu erinnern. Foto: Stefan Döbler, Nordkirche

16. Oktober 2019 von Stefan Döbler / Martin Innemann

Schwerin/Waren. In einem ökumenischen Gottesdienst haben heute (16. Oktober) in Waren (Müritz) die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), das Erzbistum Hamburg und das Erzbistum Berlin an den Ausgangspunkt für die erste friedliche Demonstration im Land im Herbst 1989 erinnert.

Der Gottesdienst fand im Rahmen der Festveranstaltung des Landes „30 Jahre friedliche Revolution in Mecklenburg-Vorpommern“ statt. Zeitzeugen aus Waren gestalteten die Liturgie; Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, Nordkirche, und Erzbischof Dr. Heiner Koch, Erzbistum Berlin, predigten. Im Anschluss an den Gottesdienst zogen die Teilnehmenden mit Kerzen auf der damaligen Demonstrationsstrecke von der St.-Georgen-Kirche über den Neuen Markt zur St.-Marien-Kirche, wo anschließend der Festakt des Landes begann.

Landesbischöfin: „Öffentlich zusammenstehen für Menschenwürde aller“

Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt rief den bereits Jahrzehnte zuvor begonnenen inneren Prozess in Erinnerung, den es brauchte, um 1989 mit Kerzen in den Händen auf die Straßen zu ziehen: „Ich sehe mit Dankbarkeit und großem Respekt auf alle, die damals losgegangen sind.“ Sie haben „sich und anderen Freiheit und Menschenwürde unter hohem persönlichen Einsatz erkämpft und mit hohem persönlichen Risiko erobert“, so die Landesbischöfin. Damit haben sie gezeigt: „Man kann Angst und Furcht hinter sich lassen, wenn die Hoffnung vor einem liegt.“ Gottes Geist weckt keinen Untertanengeist, so die Landesbischöfin, „sondern Gottes Geist schenkt Freiheit. Nicht gedankenlose Freiheit von, sondern verantwortliche Freiheit für: für Gebundenheit an Gottes Liebe, seinen Frieden, seine Gerechtigkeit. Für Nächstenliebe, Barmherzigkeit. Für einen aufmerksamen und respektvollen Umgang miteinander. Dafür weckt Gottes Geist in jedem und jeder von uns ungeahnte Kräfte und Gaben – ‚die Gabe Gottes, die in dir ist‘, so heißt es in der Bibel. Die Gabe Gottes, die in dir ist, die dir mitgegeben und geschenkt ist: für dich selbst, für dein Leben – und für das Zusammenleben aller Menschen. Denn Gottes geliebte Geschöpfe – das sind wir alle auf dieser Erde.

Inzwischen ist die Diktatur überwunden: „Heute geht es darum, Freiheit und Menschenrechte in der Demokratie vor ihren Gegnern zu schützen, sich einzusetzen für die Unantastbarkeit der Würde aller Menschen.“ Die Landesbischöfin erinnerte an die Kerzen, die nach dem Terroranschlag in Halle vor vielen Synagogen entzündet worden sind: „Dieses Mal standen die Kerzen für Trauer, Entsetzen und Fassungslosigkeit. Mitgefühl mit den Angehörigen der Getöteten und mit den Verletzten. Solidarität und Verbundenheit mit den Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens, gegen die der rechtsextrem, antisemitisch und rassistisch motivierte Anschlag von Halle gerichtet war.“

Beim „Kerzenweg“ im Anschluss an den Gottesdienst werde sie ihre Kerze nicht nur mit Dankbarkeit, Respekt und Hochachtung für die, die 1989 ihre Angst hinter sich gelassen haben, tragen, so die Landesbischöfin: „Ich trage sie auch dafür, dass wir nicht nur heute öffentlich zusammenstehen, deutlich und klar eintreten für Nächstenliebe und Barmherzigkeit, für Freiheit, für Menschenwürde und Menschenrechte aller Menschen. Dafür, dass wir die Straße, die Öffentlichkeit, die Politik, die sozialen Netzwerke nicht denen überlassen, die Hass und Hetze propagieren, die andere missachten und bedrohen, die vor Gewalt und Mord nicht zurückschrecken. Sondern dass wir einstehen für ein friedliches und vielfältiges Zusammenleben in unserem Land.“

Erzbischof: „Wir brauchen Veränderungen der Liebe“

„Wir brauchen in Deutschland wirkungsvolle Fortschritte, nicht zaghaftes, zögerliches Handeln, wir brauchen mutige Menschen voller Kraft“, sagte Erzbischof Koch in seinem Predigtimpuls. „Wir brauchen auch Veränderungen der Liebe, wo einer auf den anderen Rücksicht nimmt, wir brauchen Solidarität zwischen Reichen und Armen, zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Weltanschauungen und Religionen, Menschen unterschiedlicher Lebenserfahrungen und Menschen unterschiedlichen Alters. Wehe, wenn der Geist der Liebe uns nicht mehr verbindet.“

Der Geist der Liebe lasse den anderen eine Bereicherung und nicht eine Gefährdung sein, so Koch weiter. „Und schließlich brauchen wir den Geist der Besonnenheit, der Nachdenklichkeit, nicht der raschen populistischen Parolen, nicht der auf Wählerfang ausgerichteten glatten und alles umfassenden Lösungen, die es doch nicht gibt. Wir müssen miteinander in Deutschland und in Europa im Geiste besonnen handeln, aufmerksam und achtsam. Manchmal müssen wir eher mal stehen bleiben und nachdenken und nicht permanent dem Druck des schnellen Handelns und der raschen Worte nachgeben“, sagte der Erzbischof.

Vieles ist nach Ansicht von Erzbischof Dr. Heiner Koch in den 30 Jahren der Einigung erfolgreich auf den Weg gebracht worden. All denen, die sich darum bemühten und manche Unsicherheiten, Verletzungen und Herausforderungen mittrugen, sei er dankbar dafür.

Hintergrund:

Am 16. Oktober 1989 war eine Andacht in der St.-Georgen-Kirche von Waren Ausgangspunkt für einen anschließenden „Kerzenweg“ der Teilnehmenden zum Marktplatz. Dies gilt als erste friedliche Demonstration im Herbst 1989 im heutigen Mecklenburg-Vorpommern.

Datum
16.10.2019
Quelle
Pressestelle der Nordkirche
Von
Stefan Döbler / Martin Innemann
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