Themensynode Digitale Horizonte

Präses Hillmann: „Ich möchte, dass die Synodalen Lust auf die Digitalisierung der Nordkirche bekommen“

Präses Ulrike Hillmann wirbt für den digitalen Wandel in der Nordkirche. Die Zeit dafür sei spätestens mit Corona gekommen: „Da spürte man echten Teamgeist!”
Präses Ulrike Hillmann wirbt für den digitalen Wandel in der Nordkirche. Die Zeit dafür sei spätestens mit Corona gekommen: „Da spürte man echten Teamgeist!”

11. November 2021 von Agnes Zeiner

Die nächste Landessynode beschäftigt sich mit dem digitalen Wandel. Präses Ulrike Hillmann ist selbst gerne digital unterwegs und begleitete im Rahmen ihrer Berufstätigkeit in der Justiz mehrere IT-Projekte. Ihre Freude an der Digitalisierung möchte sie auch den Synodalen vermitteln. Und sie findet, dass die Synode nicht nur die Rahmenbedingungen schaffen, sondern auch Impulsgeberin und Vorbild sein soll.

Präses Hillmann, die 12. Tagung der II. Landessynode steht unter dem Thema Digitalisierung. Ist das so ein drängendes Thema für die Nordkirche?

Ja – das ist es. Unser Leben im Jahr 2021 ist digital – nicht erst, aber ganz besonders seit der Corona-Pandemie. Und das wird sich weiter verstärken. Als Kirche haben wir deshalb nicht nur die Notwendigkeit, sondern bis zu einem gewissen Grad auch die Verpflichtung, digital zu werden – oder besser gesagt: noch digitaler.

Ulrike Hillmann, Präses der Landessynode der Nordkirche© Marcelo Hernandez, Nordkirche

Zur Person

Ulrike Hillmann ist seit 2018 Präses der Landessynode der Nordkirche. Bis zu ihrer Pensionierung im folgenden Jahr war sie Präsidentin des Landgerichts Kiel und bis Ende 2020 Richterin am Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgericht. Mehr über die Präses.

Wie meinen Sie das?

Die Digitalisierung der Kirche hat zwei große Themenfelder. Einerseits geht es um die Verwaltung; andererseits geht es aber auch um unseren Auftritt nach außen. Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie sich bewegen – und das ist heute auch der digitale Raum. Als Kirche offen und ansprechbar zu sein, heißt für alle Menschen da zu sein – für diejenigen, die weiter mit uns in Kontakt bleiben wollen, wie sie es gewohnt sind, aber eben auch für jene, deren Lebenswelt immer digitaler wird.

Das klingt nach einem ziemlichen Spagat…

Ja, in jeder Hinsicht. Als Kirche müssen wir uns dem stellen. Wir wollen Teilhabe ermöglichen. Den Menschen, für die der Weg zur Kirche, in deren Gottesdienste, Veranstaltungen und Gremien zu weit, aus familiären oder anderen Gründen nicht machbar ist, und den Menschen, die nicht digital unterwegs sein können oder wollen.

Als Kirche müssen wir uns in den ethischen Diskurs zur Digitalisierung einmischen und dazu beitragen. Andere Fragen sind zum Beispiel die Chancen und Möglichkeiten, aber auch Grenzen Künstlicher Intelligenz; oder das Verhalten in den Sozialen Medien, wo bestimmte Gruppierungen daran arbeiten, unsere Gesellschaft zu spalten. Nur wenn die Kirche selbst digital ist, sind wir in diesem Diskurs glaubwürdig und hat unsere Stimme Gewicht.

Warum wird die Digitalisierung denn erst jetzt auf die Agenda gesetzt?

Das Thema ist für die Nordkirche nicht neu. Bereits 2017 setzten die Synodalen ein Schwerpunktthema «Digitalisierung», das von den Hauptbereichen aufgenommen wurde. Seither ist einiges passiert, v.a. in Hinblick auf Soziale Medien und die Bildungsarbeit. 2019 hat die neue Synode dann einen Digitalisierungsausschuss eingesetzt, der jetzt in der Pandemie nicht so richtig «zum Fliegen» kam. Wir fangen also keineswegs von Null an, sondern bauen auf einem guten Grundstock auf.

Worauf liegt der Fokus bei der 12. Tagung?

Wir sind an einem Punkt angelangt, wo es darum geht, die Digitalisierung zu vereinheitlichen, etwa durch gemeinsame Plattformen. Ich denke hier zum Beispiel an eine einheitliche Kommunikationsplattform, also ein Intranet; an ein gemeinsames Datenmanagement-System, mit dem der Austausch in der Verwaltung einfacher wird; aber auch an eine Plattform für den Ideenaustausch und mehr. Diese Aufgabe kann in der Nordkirche mit ihrer föderalen Struktur aber nur dann gelingen, wenn alle mit im Boot sind und die entsprechenden personellen und sachlichen Ressourcen vorhanden sind.

Mit ihren Beispielen sprechen Sie den zweiten Aspekt an, den Sie eingangs genannt haben – die Digitalisierung der Verwaltung.

Eine digitale Verwaltung wird die Nordkirche als Arbeitgeberin attraktiver machen und vor allem die Zusammenarbeit über die verschiedenen Einheiten und in den Gremien deutlich vereinfachen. Das ist insbesondere für unsere vielen Ehrenamtlichen wichtig, die sich in ihrer kostbaren Freizeit engagieren. Stellen Sie sich vor, wie viele zeitaufwändige Reisen sich in unserem großen Kirchengebiet einsparen lassen, dadurch, dass wir die entsprechende Infrastruktur anbieten können! 

Das ist übrigens auch ein wichtiger Punkt: Der Klimaschutz sollte beim Thema Digitalisierung nicht außer Acht gelassen werden. Unser Ziel ist es schließlich, dass die Nordkirche bis spätestens 2050 – ich hoffe deutlich früher – klimaneutral ist. Für die CO2-Bilanz fällt eine Synodentagung mit 156 Synodalen und zahlreichen Gästen, die aus dem ganzen Nordkirchengebiet anreisen, schon ins Gewicht.

Hat die Corona-Pandemie auch der Synode einen «digitalen Schubs» verpasst?

Absolut. Ich persönlich finde die Digitalisierung sehr spannend und stehe ihr sehr offen gegenüber. In meiner Zeit als Richterin habe ich auch verschiedene IT-Projekte begleitet. In der Nordkirche habe ich in der Hinsicht am Anfang meiner Zeit als Präses noch ein wenig Zurückhaltung gespürt. 

Dann kam Corona, und alle – wirklich alle! - haben großartig mitgemacht; innerhalb kürzester Zeit haben alle, auch die 156 Synodalen auf digitales Arbeiten, auf Treffen in Videokonferenzen umgestellt, obwohl sie bis dahin durchaus sehr unterschiedlich digital unterwegs waren. Da spürte man echten Teamgeist! 

Bereits vier Synodentagungen haben digital stattgefunden. Die Verfassung ist geändert und ein «Videokonferenzgesetz» beschlossen, sodass das Tagen im digitalen Raum nicht nur für uns als Synode, sondern für alle kirchlichen Gremien auf sicherer rechtlicher Grundlage möglich ist.

Gibt es denn jetzt nur noch digitale Synodentagungen?

Nein, natürlich nicht, denn der zwischenmenschliche und kommunikative Aspekt geht so schon ein wenig verloren. Die so wichtigen Gespräche am Rande, das abendliche gesellige Zusammensein, fehlt. Aber das Präsidium könnte sich vorstellen, zumindest eine Tagung pro Jahr als Videokonferenz durchzuführen.

Wenn wir schon beim Thema sind - welche Rolle spielt die Synode bei der Digitalisierung der Nordkirche?

Die Synode ist einerseits Impulsgeberin, damit bestimmte Ideen aufgenommen und diskutiert werden, und sie schafft die Rahmenbedingungen für deren Umsetzung, indem sie Haushaltsbeschlüsse fasst und Gesetze erlässt. Die Umsetzung an sich ist aber nicht Sache der Synode, sondern obliegt der Kirchenleitung, dem Kirchenamt, den Kirchenkreisen und Gemeinden. Und natürlich dem Kommunikationswerk, wo die Digitale Kommunikation ein professioneller Arbeitsschwerpunkt ist.

Ich bin aber auch der Meinung, dass die Synode beispielgebend sein sollte. So haben wir z.B. ein Videokonferenz-System eingeführt, das auch andere Bereiche übernehmen konnten und übernommen haben; außerdem haben wir dieses Jahr mit dem Nordstern Sonderpreis einen Preis für das beste digitale Projekt ausgeschrieben, und dafür 22 Bewerbungen bekommen. In der Februar-Synode wird dieser Preis verliehen.

Mit dieser kommenden Synode wollen wir also das Thema Digitalisierung der Nordkirche ins Bewusstsein der Synodalen rücken, ohne dass Beschlüsse zur Digitalisierung gefasst werden.

Was wünschen Sie sich, dass die Synodalen mitnehmen?

Ich möchte, dass sie Lust auf die Digitalisierung bekommen! Dass sie Freude daran haben oder ihre Freude daran entdecken, und unbefangen an das Thema herangehen können. Aber sie sollen nach der Synode auch wissen, was es zur Digitalisierung braucht. Denn sie sind Multiplikatoren: Sie werden den Geist dieser Synode in ihre Gemeinden und Kirchenkreise mitnehmen – und dort wird dann überlegt, wie die digitale Kirche vor Ort aussehen könnte und was es dafür braucht. Dafür sind manche bereits sehr gut aufgestellt, manche weniger. Mit dieser Synode wollen wir das Bewusstsein aller für dieses wichtige Zukunftsthema schärfen.

Was sind Ihre persönlichen Erwartungen oder Wünsche an die digitale Nordkirche?

Mein Ziel ist es, die Nordkirche bis 2024 auf einen guten Weg hin zu einer digitalen Kirche zu bringen. Ich wünsche mir, dass wir mit Hilfe der Digitalisierung die Ideen und Positionen der Kirche noch besser vermitteln können; dass wir so mehr Menschen überzeugen können, bei uns mitzuarbeiten; und dass die Kirche eine gewichtige Stimme bekommt, wenn es um ethische Fragen der Digitalisierung geht. Aber – und das ist am allerwichtigsten: Wir sind trotz allem Kirche, die von zwischenmenschlichen Beziehungen lebt. Diese dürfen unter der Digitalisierung nicht leiden. Zuerst kommt der Mensch, alles andere muss sich dem unterordnen – auch die Digitalisierung der Nordkirche!»

Präses Hillmann, herzlichen Dank für das Gespräch!

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