KIEL, 24. DEZEMBER 2010

Predigt am Heiligen Abend (Christmette) in der St. Nikolai-Kirche

24. Dezember 2010 von Gothart Magaard

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Liebe Gemeinde,
nun sind wir angekommen in der Heiligen Nacht. Und versammeln uns mitten in der Nacht, um noch einmal zu sehen, zu hören, zu singen und zu beten. Um miteinander auf das Wesentliche zu schauen – das, was in das Zentrum des Weihnachtsfestes gehört. Wir haben gesungen und die Weihnachtsgeschichte nach Lukas gehört und kommen zur Ruhe. Das Wesentliche ist manchmal so verpackt wie manches Geschenk an diesem Abend. Wir müssen die eine oder andere Schicht beiseite legen, um zum Kern zu kommen.

Und wenn wir diese vertraute Geschichte hören, dann entstehen Bilder in uns und wir finden uns wieder wie vor einer Krippe stehend. Als ob wir vor den Figuren einer Krippe stehen, wie sie vielleicht zuhause steht oder wie sie hier in der Nikolaikirche aufgebaut ist. Und wir sehen sie vor unserem Auge: Maria und Joseph, die Hirten und Engel, Ochs und Esel und mittendrin ein kleines Kind. Jedes neu geborene Kind ist ein Wunder vor unseren Augen, das wissen Mütter und Väter ganz besonders. Und jeder von uns, ganz gleich wie unser Leben verlaufen ist, war einmal ein solches Wunder. Mit der Geburt dieses Kindes in der Krippe kommt noch etwas hinzu: Dass wir glauben, in diesem Kind wende sich Gott zu uns und verbinde sich mit jedem Menschen. Die Geburt Jesu erinnern wir im Wissen um sein Leben und seinen Weg, in dem wir Gottes Liebe erkennen können, ganz leibhaftig.

Wenn wir diese Geburtsgeschichte hören und innehalten vor dem inneren Bild dieser Krippe, dann können ganz unterschiedliche Gefühle entstehen. Paul Gerhard hat im 17. Jahrhundert diese ganz persönliche innere Bewegung beschrieben und Johann Sebastian Bach hat den Text vertont in dem Lied: „Ich steh an deiner Krippen hier“. Wir werden es gleich singen.

Das ist die Situation: Ich stehe, ich verweile, ich eile nicht davon oder Schaufenster zu Fenster oder von Mail zu Mail – ich stehe und verweile an der Krippe. Und bleibe nur mühsam auf Distanz, denn daraus wächst etwas wie Beziehung:

1. Strophe:
Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben;
Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz Seel und Mut, nimm alles hin
Und lass dir’s wohlgefallen.

Aus diesen Zeilen spricht etwas wie eine Liebeserklärung an das Kind in der Krippe. Alles hat eine Vorgeschichte und ich bringe etwas zurück aus Dankbarkeit – mich als ganze Person mit Geist und Sinn, Herz und Seele und Mut…Ich komme mit allem, was mich ausmacht – nicht mit leeren Händen. Sondern Herz und Seele und Mut gehören dazu – damit komme ich und bringe sie dir, dem Kind in der Krippe.

2. Strophe:
Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren,
und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.

Das beschreibt unsere Vorgeschichte. Hier kommt das enge Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf in den Blick, wie wir es auch aus den Psalmen kennen, z.B. aus Psalm 139: „ Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.“ Das hat Folgen für mein Gottvertrauen. Das hat auch Folgen für unser Menschenbild: Jeder Mensch hat eine besondere Würde, die sich auch darin zeigt, dass jeder und jede von uns, dass du und ich, dass wir erwünschte Kinder Gottes sind. Und deshalb haben wir eine Verantwortung vor dem, der uns und alle Menschen erschaffen hat. Und das macht uns auch sensibel für die Schattenseiten. Wenn weltweit Millionen von Kindern keinen Zugang zu Bildung bekommen und sogar früh durch Arbeit ausgebeutet werden, dann ist das eine Sünde gegen den Schöpfungswillen Gottes.

3. Strophe:
Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht’
Wie schön sind deine Strahlen.

Paul Gerhard lebte im 17. Jahrhundert. Wenn er von tiefster Todesnacht schreibt, dann wusste er davon. Mehrere seiner Kinder starben, auch seine Frau. Er erlebte berufliche Krisenzeiten. Und die Folgen des 30-jährigen Krieges für das Leben waren verheerend. Zugleich konnte Paul Gerhard das Licht der Sonne so kraftvoll beschreiben. Die Sonne, die ihm Licht, Leben, Freude und Wonne brachte. Vielleicht hatte er diese Todeserfahrungen auch als Zeiten erlebt, in denen Gott fern schien. Als alles andere als eine enge, unlösbare Beziehung. Gleichwohl besingt er das Licht des Glaubens, das ihm in aller Schönheit begegnet ist.

Dieses Licht kann auch unsere Herzen öffnen und den Blick frei machen für Menschen, die besonders belastet sind: z.B. für die Familien der Soldaten, die in Afghanistan ihren Dienst leisten. Oder für Kinder, die mitten in unserer Gesellschaft in prekären Lebensverhältnissen aufwachsen. Ich denke auch an Eltern, die gerade in diesen Tagen intensiv um ein verstorbenes Kind trauern.

Das schutzbedürftige Kind in der Krippe kann uns aufmerksam machen für einander. So können wir dazu beitragen, dass dieses Licht aus der Krippe unsere Gesellschaft und unsere Welt ein wenig heller werden lässt. Dazu gehört auch, dass wir uns in diesen Wochen als Kirche mit einer Unterschriftaktion dafür engagieren, dass werdende Mütter und Väter in unserem Land auch künftig durch Hebammen umfassend begleitet werden können. Denn genau diese Begleitung ist fraglich geworden.

4. Strophe:
Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen;
Und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.
O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer,
dass ich dich möchte fassen.

Der Dialog geht weiter. Der Betrachter bleibt nicht nur stehen und im Gespräch, er beschreibt seine innere Bewegung: „Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen…“
Freude ist eine Grundmelodie des Glaubens. Als erwünschte Kinder Gottes wissen wir, dass Gott uns begleitet durch das Leben mit Höhen und Tiefen. So kann aus einer ersten kritischen, fragenden Haltung etwas Neues wachsen: Freude und Lust und ein Staunen über dieses Wunder der Geburt.

5. Strophe:
Eins aber, hoff ich, wirst du mir, mein Heiland nicht versagen:
Dass ich dich möge für und für in, bei und an mir tragen.
So lass mich doch dein Kripplein sein; komm, komm und lege bei mir ein
Dich und all deine Freuden.

Die letzte Strophe wird im Aufbrechen formuliert oder gebetet. Ich kann nicht länger stehen bleiben. Mein Weg führt mich weiter, nachhause in die Nacht und später weiter in meine Lebenszusammenhänge, an den Ort meiner Arbeit und meines Alltags. Und aus dieser Bewegung, zum Abschied sozusagen formuliert der Betrachter eine hoffnungsvolle Bitte: Bleib in meiner Nähe: Laß mich selbst zu einem Teil der Krippe werden, um dir nahe zu sein, um deine Nähe nicht zu verlieren. Um diesen Ort der Gottesbegegnung und Gotteserkenntnis verlassen zu können.

So endet dieses wunderschöne Weihnachtslied. Als Christen wissen wir, dass wir durch die Taufe bleibend mit Jesus Christus verbunden sind und getrost unseren Weg im Licht der Weihnachtsbotschaft gehen können.
Amen.

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