KIEL-METTENHOF, 26. MAI 2010

Predigt anlässlich des 30-jährigens Bestehens des Ökumenischen Zentrums Kiel-Mettenhof

27. Mai 2010 von Gothart Magaard

Liebe Festgemeinde, 
wer jemals in einer Wohngemeinschaft gelebt hat, weiß: wer zusammenzieht, lernt nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst neu kennen. Ein gemeinsames Dach über dem Kopf, ein gemeinsamer Tisch, ein Gemeinschaftsraum, aber auch Rückzugsmöglichkeiten, Orte, an denen jeder für sich sein darf, gehören dazu. Das sind die äußeren – baulichen - Rahmenbedingungen. Und dann gibt es noch die jeweils mitgebrachten Dinge: die Bücher, Möbel, Bilder, Erinnerungsstücke. Wie passen sie – auch farblich - zueinander? Traditionen, die unverzichtbar erscheinen. Gegenstände, an denen – ganz überraschend vielleicht - das Herz des jeweils anderen hängt. Neue, interessante Kombinationen tun sich da auf. Und manches ist auch doppelt da.

Dann die für den Alltag unumgänglichen, aber Klarheit bringenden Fragen: Wie teilt sich die Miete auf? Was machen wir gemeinsam? Was getrennt? Und wie sieht es überhaupt mit den Abwaschplänen aus? Und wer bringt wann den Müll weg?
Seit 30 Jahren gibt es nun schon diese in dieser Form (nämlich mit einer gemeinsam genutzten Kirche und einem gemeinsam genutzten Gemeindehaus) in Schleswig-Holstein einmalige „Wohngemeinschaft“: das ökumenische Zentrum Mettenhof, zu dessen Bestehen ich im Namen der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche herzlich gratuliere. Viele unter Ihnen haben mit Engagement, mit Geduld und Beharrlichkeit, angetrieben von der „lebendigen Hoffnung“, auch mit der nötigen Nüchternheit für die angesprochenen praktischen Fragen des Lebensalltages, dazu beigetragen, dass wir heute dieses schöne Jubiläum feiern können.

Einige aus den Anfangsjahren werden heute unter uns sein – und sich daran erinnern, dass bevor man damals überhaupt in die gemeinsame „WG“ einziehen konnte, erst die „Eltern“, also die jeweils eigenen Kirchenleitungen, von dem Vorhaben überzeugt werden mussten. Zehn Jahre hat es gedauert von der Idee bis zum Eröffnungstag 1980. Schon da zeigt sich der lange Atem, den Sie hier offensichtlich haben und der Sie auszeichnet. Sie führen vor Augen: Menschen an der Basis können etwas bewegen und gestalten. Hier in Mettenhof wird sichtbar und erfahrbar, dass Menschen, die von der lebendigen Hoffnung des Glaubens erfüllt sind, einen Ort der ökumenischen Begegnung, des Lernens, des Betens und des Engagements schaffen können.
Von „lebendiger Hoffnung“ und „Freude“ angesichts von „mancherlei Prüfungen“ spricht – wie wir eben gehört haben der 1. Petrusbrief. Sie, die Gemeinden unter dem einen Dach dieses Kirchenraums, die Sie als geistliche WG miteinander leben, werden das vermutlich ohne weiteres mitsprechen können.

Denn Sie haben in den letzten 30, ja sogar: 40 Jahren beides miteinander erfahren dürfen und müssen: Dass die Farbe der Antependien mehr als bloß eine Geschmacksfrage ist, dass eine Marienfigur mehr oder weniger nicht bloß eine Frage der Innenraumdekoration ist. Und dass ein zeitgleich, aber nebeneinander gefeiertes Abendmahl noch keine Erfüllung des Auftrages Jesu darstellt, die Kommunion gemeinsam zu feiern: Schmerzhafte Prüfungen sind das gewesen, durch die Sie, liebe Gemeinde, sich aber beachtenswerter Weise die Freude und die lebendige Hoffnung nicht haben nehmen lassen. Im Gegenteil: Ich persönlich glaube, dass gerade solche Glaubensprüfungen auch in und durch die Ökumene uns voranbringen.
Denn plötzlich lernt man nicht nur die anderen besser kennen, sondern auch sich selbst. Was man vorher für selbstverständlich hielt oder einfach gewohnheitsmäßig praktiziert hat, bedarf auf einmal der Begründung gegenüber einem Mitbewohner im Haus des Glaubens. Dadurch lernt man auch für sich selbst noch einmal zu unterscheiden, zu sortieren: Was ist unverzichtbar und unverhandelbar? Was sind die Schätze der anderen? Und wo kann ich getrost Kompromisse eingehen, ohne meine Eigentliches zu verlieren?

In den Worten des Petrusbriefes: Ökumenisches Zusammenleben, so wie Sie es hier seit 30 Jahren praktizieren, bedeutet so etwas wie ein Läuterungs- oder Reinigungsprozess für den eigenen Glauben. Was durch´s Feuer der ökumenischen Diskussion und Auseinandersetzung gegangen ist, wird umso widerstandsfähiger und wertvoller. Sie haben da in den letzten 30 Jahren viel erreicht, was auch nach außen hin abstrahlt: der Stadtkirchentag oder das „Fest und Forum der Ökumene“ sind nur zwei von vielen Beispielen.

Zu Zeiten des ersten Petrusbriefes kamen die Prüfungen eher von außen. Christen des 1. Jahrhunderts galten als Feinde des Staates und waren noch verfolgt. Die Prüfungen, die heute zu bestehen sind, kommen dagegen bei uns zum großen Teil von innen. Es gibt weiterhin Klärungsbedarf in wichtigen Punkten: Dieses Zentrum mahnt uns, die weiterhin offenen Fragen wie das unterschiedliche Amtsverständnis unserer Kirchen in gegenseitigem Respekt zu diskutieren, weil es Auswirkungen auf die Feier des gemeinsamen Abendmahls oder die Rolle von Frauen im pastoralen Dienst hat.

Bleibende Aufgabe ist es, dass wir uns noch entschiedener an die Seite derer stellen, die zu Opfern anderer Menschen werden, dass wir uns laut und hörbar gemeinsam für eine Gesellschaft engagieren, in der Profit nicht auf Kosten Einzelner oder ganzer Bevölkerungsgruppen gemacht wird. Ich hoffe, dass das ökumenische Engagement für den stärkeren Schutz des Sonntags nicht einfach als gestrig und religiöse Spinnerei abgehakt wird. Sondern dass der Sonntag als ein Tag erlebt wird, der uns aus den Alltagen heraushebt und uns daran erinnert, dass wir weit mehr sind als unsere beruflichen Leistungen und die Summe unserer täglichen Sorgen.

„Damit ihr Hoffnung habt“ war das Motto des Ökumenischen Kirchentages, von dem ich gerade zurückgekehrt bin. „Seid nüchtern und setzt eure Hoffnung auf die Gnade“, hören wir aus unserem Predigttext. Diese Kombination aus Nüchternheit und Hoffnung macht für mich bis heute das Einzigartige des christlichen Glaubens in seiner ökumenischen Gestalt aus. Nur in der Zusammengehörigkeit von Nüchternheit und Hoffnung ist der Glaube komplett. Und diese beiden Pole gibt es in jeder unserer Konfessionen. In dieser Kombination liegt die einmalige Chance gerade dieses Zentrums. Denn viel zu oft haben wir nicht nur in der Kirche entweder Traumtänzer ohne Realitätsbezug oder visionslose Erbsenzähler.
Was wir brauchen sind aber Christenmenschen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, das realistisch Machbare im Auge behalten und den Aufbruch wagen.
Dazu haben Sie hier in Mettenhof vor 30 Jahren erste Schritte in vorbildlicher, hoffungsmachender Weise begonnen. Möge Gott Sie segnen, den eingeschlagenen Weg unbeirrt weiterzugehen.
Denn Sie wissen ja: Wer ökumenisch in eine gemeinsame Wohnung zieht, lernt nicht nur den anderen besser und sich selbst neu kennen, sondern vor allem: Gott.
Er behüte euch durch den Glauben!
Amen.

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