PREETZ, 30. MAI 2010

Predigt anlässlich des 800jährigen Jubiläums der Stadtkirche Preetz

31. Mai 2010 von Gothart Magaard

800 Jahre Stadtkirche Preetz - 30.5.2010 
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch! 
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Festgemeinde!
 „Wie lieb sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth. Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.“ Ja, es tut gut, hier zu sein. Jubiläum, Festgottesdienst, Kirchweihe. Es ist gut, dass Sie alle ge-kommen sind. Eine farbige, lebendige, musikalische Gemeinde feiert ihr Fest. Feiert „ihre“ Kirche. 800 Jahre Baugeschichte an diesem Ort in wechselnden Zeitläufen, Kontinuität in allem Wandel. Sachsen und Slawen, Mission und Limes Saxoniae, Grafen und Herzöge, Handwerker und Händ-ler, Schuhmacher und Schlachter - die Stadtkirche hat viel gesehen und kann viel erzählen. Was hat die Menschen damals inspiriert, getrieben, ermutigt. Ein solcher Bau war in vieler Hinsicht eine große Herausforderung und Meisterleistung ohne die heutigen technischen Hilfsmittel. Umso er-staunlicher, das in der gleichen Zeit im östlichen Holstein mehrere Kirchen gebaut wurden.

800 Jahre - das ist ein ganz großer Bogen aus dem fernen 13. in unser heutiges 21. Jahrhundert. Ich versuche, mir diese Spanne vorzustellen: Diese Kirche hat heute 16 Bankreihen, jede Bankrei-he steht für 50 Jahre. Die erste Reihe für die ersten 50 Jahre im 13. Jahrhundert, die 7. Reihe für die Reformationszeit und die letzte für die letzten 50 Jahre seit 1960. Und wenn wir heutige Got-tesdienstgemeinde uns diesen Reihe zuordnen sollten, dann müssten wir uns alle in die letzten beiden Reihe quetschen: Jugendchor und Pfadfinder und junge Familien in die letzte Reihe und alle älter als 50 in die vorletzte Reihe. Und vor uns lägen 14 leere Reihen, die früher aber alle e-benso gefüllt waren von den Menschen, die in den vergangenen 800 Jahren in diese Kirche ge-kommen sind. Denn von Generation zu Generation haben Menschen in diesen Mauern Gott ge-sucht und gefunden. Haben gebetet, gesungen, geklagt; haben sein Wort gehört, ihm ihre Tränen und ihr Lachen hingehalten. Eine Seelenheimat. Eine Zuflucht, ein Hoffnungshaus und eine Stätte des Trostes.

„Wie lieb sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth, ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.“

Ja, liebe Schwestern und Brüder, Leben und Glauben fangen nicht mit uns selbst an. Sie kommen von viel weiter her, sehr weit. An Tagen wie heute wird uns das so eindrucksvoll bewusst. Lob und Dank für dieses Geschenk erfüllen spontan unser Herz.

Keiner von uns hat sich selbst ins Dasein gerufen. Ein anderer war es, der uns rief, dem wir unser Sein verdanken. Seine Treue behütet unseren Weg durch die Zeit, seine Nähe gibt uns sicheres Geleit durch die dunklen Täler und auf den lichten Höhen des Daseins.

Lasst uns Gott loben und danken, dass hier Menschen 800 Jahre lang auf Gottes Wort gehört ha-ben, von seinem Geist berührt wurden, zu Gottes Hausgenossen wurden, wie der Apostel sagt. Dass immer wieder Menschen aus allen Ständen und Schichten aufgestanden sind, die Verantwor-tung übernommen haben für dieses Gotteshaus und für die Gemeinde. Dass auf der Achse zwi-schen Stadtkirche und Klosterkirche eine lebendige, starke Gemeinde entstanden ist. Ein Orga-nismus aus lebendigen Bausteinen - gesegnet mit vielen Talenten, mit kreativen Geistern und en-gagierten Herzen.

Lasst uns Gott loben und danken, dass Menschen hier immer wieder Heimat gefunden haben, und Kraft, Geborgenheit, Inspiration und Lebensmut. Gotteshäuser wie die Stadtkirche sind ein See-lenschatz. Sie prägen das Bild der Stadt und sie geben unserer Innenwelt Tiefe. Mancher wird denken: „Meine Kirche, in der ich konfirmiert wurde.“ „Unsere Kirche, in der wir geheiratet haben.“ „Die Kirche, in der unsere Kinder getauft wurden“. Unsere Kirche, in der wir Abschied genommen haben.“ – All das sind Wegmarken des Lebens, und Gotteshäuser sind die stillen Prediger, die im Drang des Alltags und in einer Welt zunehmender Beschleunigung stumm und beharrlich an die Tiefen-Dimension des Lebens erinnern. An das Außer-Alltägliche, das Geheimnis im Herzen aller Dinge - an Gott.

Hören wir auf das Evangelium. Dieses geheimnisvolle Gespräch zwischen Nikodemus und Jesus. Nur im Dunkel der Nacht traut sich der Sympathisant zu dem Meister, dessen Wort und Zeichen sein Herz berührt haben. Noch mehr will er hören, noch mehr erfahren, noch näher dran sein. Dar-in ist uns Nikodemus Vorbild, dass sich keiner schämen muss, wenn er Glaubensfragen hat. Und dass er nachfragt, wenn er etwas nicht verstanden hat! Ich höre das Gespräch vor dem Hinter-grund der Pfingstgeschichte, dieser Geburtstunde der christlichen Gemeinde, und greife drei Punk-te heraus.

Zuerst: „Von neuem geboren werden“. Genau das erleben die verzagten Jüngerinnen und Jünger am Pfingsttag. Der Geist Gottes kommt, und er kommt nicht auf stillen Taubenfüßen. Gewaltiges Brausen vom Himmel treibt die Männer und Frauen hinaus aus dem Haus ihrer Angst, ihrer Resig-nation und Widerstände, in das sie sich zurückgezogen haben. Sie können neu und anders wieder zur Welt kommen, wie neugeboren. Die Freude des Verstehens, das Wunder der Inspiration er-greift sie. Sie spüren es: ist einer in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Mit einem Mal leuchtet ihnen ein, was Christus gesagt und getan hat, und das schafft den Durchbruch. Und das war wie ein zündender Funke, der Menschen befähigte, die Frohe Botschaft von Ort zu Ort zu tragen, nicht ohne Konflikte, aber mit großer Kraft. Wo Männer wie Frauen, arme und reiche Menschen, einhei-mische, zugezogene, durchreisende und Ausländer eine Gemeinde bildeten. Wo all die Unter-schiede nicht zählten, sondern die Verbundenheit mit Christus. Christus ist das Gesicht, das Gott uns zuwendet, Spiegel seines Geistes, seiner Liebe, seiner Gnade. Wenn Du bei Christus bist, bist du tatsächlich bei dir selbst angekommen. Deine Geburt ist vollendet, denn Du bist der Mensch geworden, den Gott meinte, als er Dich ins Leben rief.

Zweites Stichwort: „Wasser und Geist“. Wessen Herz vom Wort des Evangeliums bewegt wird, der kennt den nächsten Schritt. Die Taufe mit Wasser und Geist ist das Siegel des neuen Menschen und der neuen Kreatur. „Die nun das Wort annahmen“, heißt es am Pfingsttag, „ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen“. Durch die Taufe gehören wir alle dazu, sind Gottes Volk und seine Hausgenossen und Mitbürger in seinem Reich. Martin Luther hat es zugespitzt so formuliert: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof oder Papst geweiht sei“. Wir alle sind die Kirche Jesu Christi. Sein Leib auf dieser Erde, seine Hände, seine Füße. Wir haben alle ein Amt, nicht nur diejenigen, die einen Talar tragen. Wir alle sind die Zellen, die lebendigen Bausteine, die den Organismus bil-den, in denen und durch die hindurch die eine weltweite Kirche lebt. Gemeinsam seid wir Kirche in Preetz, ein Teil der weltweiten christlichen Gemeinschaft, die Kontinente umfasst. Ich freue mich, dass diese weltweite Gemeinschaft auch hier und heute unter uns sichtbar wird. Frag nicht zuerst danach, was "die Kirche", wer immer das dann ist, für dich tun kann. Frag danach, was Du für dei-ne Gemeinde tun kannst.

Viele haben das Jubiläum vorbereitet, haben an der Festschrift mitgewirkt, und viele werden gleich singen und musizieren, wenn die Gemeindekantate von Herrn Kaiser-Lindemann uraufgeführt wird. Da wird etwas Neues entstehen. Durch den Chor, den Jugendchor, Posaunen, Instrumentalisten, Solisten und an manchen Stellen durch uns als Gemeinde. Wir in den Reihen sind nicht nur auf-merksame Zuhörer, sondern wir haben eine Stimme, die wichtig ist und dazu gehört. Und so soll es auch im Gemeindeleben sein! Ganz viele Talente kommen da zusammen und wirken Hand in Hand zusammen. Was sonst, wenn nicht solche kreative Gemeinschaft, ist ein Werk des Heiligen Geistes, mit dem Gott seine Geschöpfe belebt und erhält?
Deshalb: Gib „der Kirche“ ein Gesicht, - dein Gesicht, deine Augen, deine Stimme, deinen Verstand. Stell Dein Licht nicht unter den Scheffel, vergrab dein Talent nicht unter der Erde. Bring Dich ein, mit dem, was du - und nur du kannst und vermagst. Du bist ein Gedanke Gottes, ein ge-nialer noch dazu - lass dein Licht leuchten, dann erhellt es das Haus und erfreut alle Hausgenos-sen.

Dritter und letzter Punkt:
Der Pfingstgeist weht, wo er will, er lässt sich nicht festnageln. „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt.“ Inspiration lässt sich nicht erzwingen. Sie ist und bleibt der göttliche Funke, der Dich ergreift, aber Du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. Wir können sehr viel, aber das können wir nicht "machen". Inspiration, Glaube, Mut und Hoffnung - sie bleiben ein Geschenk, etwas, das an uns geschieht.

Wenn christliche Gemeinde lebt und wächst, dann ist das immer ein Geschenk. Das Geschenk des Geistes, der Wohnung nimmt in unserem Geist. Der die Funken der Kreativität entzündet, der Neues auch neue Töne entstehen lässt, neue Harmonien und Disharmonien. Der uns Gottes Wort verstehen lehrt und ihm vertrauen hilft. Das ist etwas, das an uns geschieht, durch unsere Köpfe und Herzen hindurch geht und hinaus wirkt in die Welt. „Ihr WERDET miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist", heißt es im Epheserbrief des Apostels. Es ist an uns als den lebendigen Baustei-nen, uns dafür immer wieder zu öffnen. Den Ursprung zu suchen, zur Quelle zu gehen, Gottes Wort zu hören, seinen Geist und seinen Frieden in uns wohnen lassen. So werden wir miterbaut zu einer Wohnung Gottes - auf den Grund der Apostel und Propheten, wo Jesus Christus den Grund gelegt hat, der den ganzen Bau trägt.

800 Jahre lang war der Gottesdienst in der Stadtkirche für unzählige Menschen diese Quelle des Friedens, des Geistes und der Kraft. Und wir heute haben den Auftrag, unverzagt und selbstbe-wusst das Gemeindeleben an der Stadtkirche und in den Bezirken weiterzuentwickeln. Und wir bitten dabei um den Geist Gottes, der uns belebt und inspiriert, der uns mutig macht und manch-mal tröstet:
Veni creator spiritus – Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist!.

Amen

Gothart Magaard, Bischofsbevollmächtigter

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