GLÜCKSBURG, 4. SEPTEMBER 2010

Predigt anlässlich des Jubiläums „800 Jahre Rude-Kloster“ in Glücksburg

13. September 2010 von Gothart Magaard

Liebe Festgemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
die Stadt auf dem Berge kann nicht verborgen bleiben. So ist es. Genauso kann das Schloss, das im Wasser liegt, nicht verborgen bleiben. Das Schloss und die Stadt mit diesem wunderbar verheißungsvollen Namen: „Glücks-burg“, denn so der Wahlspruch der Herzöge: „Gott gebe Glück mit Frieden.“ Kann es einen besseren Wahlspruch geben für ein Gemeinwesen? Für Menschen, die zusammen wohnen?
Dennoch: Ein Teil jedes Schlosses und jeder Stadt bleibt unseren Blicken entzogen. Es ist beileibe nicht der Unwichtigste: ihre Gründungen und Fundamente, die Grundsteine, die alle Mauern und Tore tragen.

Selten treten sie zu Tage - etwa wenn das Wasser des Schlossteiches abgelassen wird. Dann wird gebuddelt und geforscht und hier gab es richtige Aha-Erlebnisse: Endlich können wir mit eigenen Augen sehen, auf welchem Boden, auf welchen unsichtbaren Gründungen wir so selbstverständlich stehen. Ich war fasziniert, als ich die Fotomontage mit dem Klostergrundriss am Grunde des Schlossteiches entdeckte. So sah das also aus, das legendäre Zisterzienserkloster, vor acht Jahrhunderten in die Wildnis an der Förde gebaut. Die Keimzelle und später dann auch der Steinbruch für Schloss und Stadt „Glücks-burg", „Gott gebe Glück mit Frieden"! 800 Jahre ist es her, dass die grauen Brüder hier gegründet, gerodet, gemauert, gebetet haben. Acht Jahrhunderte – ein riesiger Spannungsbogen aus dem 13. bis ins 21. Jahrhundert.

Aber damit ging alles los: Im Chor wurde das Stundengebet gehalten, im Refektorium nahm man sein anspruchsloses Mahl, im Skriptorium wurde die Schrift studiert und dann – getreu der Regel: ora et labora (bete und arbeite) – ging es hinaus in die Werkstätten oder in die Feldmark, um das Land zu kultivieren. Und so veränderte sich die ganze Umgebung bis nach Munkbrarup oder Holnis. Dankbar und mit hoher Achtung dürfen wir zurückblicken auf diese Gründungstat, aus der das Schloss und die Stadt hervorgehen konnten. Wir neigen dazu, das finstere Mittelalter herabzusetzen um uns selbst im Glanz unserer Fortschrittlichkeit zu sonnen. Aber sind wir weiter?
„Weil wir auf den Schultern von Riesen stehen - deshalb meinen wir, wir könnten weiter sehen als sei“, schrieb Alain von Lille, Zeitgenosse unserer Klostergründer und selbst Zisterzienserbruder im französischen Citeaux.

Die Reformation brachte den großen Einschnitt. Noch zu Lebzeiten Luthers wurde das Kloster säkularisiert, aus seinen Ruinen erstand das wunderbare Renaissanceschloss. Eine Wiedergeburt ganz eigener Art – vom Konvent der Brüder zur herzoglichen Glücks-Burg.

Gerade auf diesem Hintergrund scheint es mir wichtig, hier und heute und auch und gerade als evangelischer Theologe, die ungeheure Bedeutung der klösterlichen Spiritualität für unsere Europäische Zivilisation hervorzuheben. Kultur leitet sich eben nicht nur sprachlich von „Kultus“ her. Damals wurde der Grundriss unserer Welt gezeichnet. Die klösterlichen Gemeinschaften waren Kraftfelder einer humanen Bildung und christlichen Gesittung, die weit hinausstrahlte in das Umfeld. Sie bereiteten den Boden und legten die geistigen Grundlagen für das, was sich für uns heute als zivilisiertes Verhalten von selbst versteht.

„Nichts ist dem Gottesdienst vorzuziehen" wussten unsere Klostergründer aus der Regel des Benedikt, nach der sie sich richteten. Das Gebet ist die Mitte. Nur wenn die vertikale Dimension des Lebens gepflegt wird, bliebt auch die horizontale im Lot. Also: gelebte, gebetete Ehrfurcht vor dem, der größer ist als unser Herz. Ihm zuerst gebührt Ehre und Dienst. Das ist urbiblisch. Aber diese Haltung ist auch die Wurzel wahrhafter Humanität. Die Ehrfurcht und Demut vor Gott zähmt unseren eigenen, tief verwurzelten Gotteskomplex. Diese seit Adam und Eva verbreitete Neigung, selbst Gott spielen zu wollen und sich und seinesgleichen zum Herrn oder zur Herrenrasse aufzuschwingen: mit furchtbaren Folgen für die Mit- und Nachwelt, wie die blutigen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts und Artensterben und Klimawandel inzwischen gelehrt haben.

Kultus und Kultur gehören zusammen, das wussten die grauen Mönche im Rude-Kloster, und deshalb hieß es: ora ET labora, bete UND arbeite! Gottesdienst UND Weltverantwortung sind Herz und Wesen einer christlichen Lebensführung. Der Kultus in der Kapelle setzt sich fort in der Kultur des Alltags. Nicht nur „Schule im Dienst des Herrn“ sollte das Kloster sein, auch eine „Schule der Liebe“. Eine Lebensgemeinschaft, in der das Gebet zu Gott immer wieder geerdet wird durch den Dienst am Nächsten, durch einen anspruchslosen Lebensstil und durch tägliche Arbeit in den Werkstätten und auf den Feldern.

Achthundert Jahre ist das her. Die Zeiten haben sich geändert, Das Schloss ist an die Stelle des Klosters getreten. Was bleibt?

Ein ehemaliger Zisterzienser hat es so gesagt: „Es bleibt die Wahrheit, dass Gott die Freundschaft ist und dass, wer in ihr bleibt, auch in ihm bleibt und Gott in ihm.“ Ein besseres, festeres Fundament für eine Glücks-Burg scheint mir kaum denkbar. Bewahrt es im Herzen, lasst euch im Glauben und Leben davon tragen. Wie schön, dass wir heute in ökumenischer Verbundenheit und zweisprachig diesen Gottesdienst feiern. Bleibt dieser Wurzel eurer Gemeinschaft in Schloss und Stadt treu. Betet und arbeitet – zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen. Ich überbringe Ihnen die Grüße und guten Wünsche der Nordelbischen Kirche. Gott gebe dem Schloss und der Stadt viel Glück mit Frieden – heute, und alle Tage, die kommen werden.
Amen.

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Ev.-Luth. Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite