BREKLUM, 12. DEZEMBER 2009

Predigt im Gedenk- und Adventsgottesdienst anlässlich des Brandes im Missionshaus des Christian-Jensen-Kollegs

15. Dezember 2009 von Gothart Magaard

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch! 
Liebe Schwestern und Brüder, nun sind wir hier zusammengekommen von nah und von fern, um dem Raum zu geben, was uns beschäftigt nach diesem Brand. Um bei diesem Gefühl von Ohnmacht nicht alleine stehen bleiben zu müssen. Es war schon dramatisch in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Aufwühlend und Erschütternd. Bestürzung, Betroffenheit mischten sich mit Zorn und Wut. Der Feuerschein in der Nacht und das Bild der Zerstörung am Tag. Wir haben die dreifache Klage gehört und den dreifachen Dank.

Das Missionshaus ist kein nüchterner Zweckbau, sondern ein Haus voller Geschichte und Geschichten. Die Keimzelle der Breklumer Mission. Manche sagen, Breklum sei im Ausland z.T. bekannter als bei uns in Nordelbien. Deshalb hat es bereits bestürzte Anfragen beispielsweise aus Brasilien und Tansania gegeben. Dazu kann ich aus eigenem Erleben folgende Geschichte erzählen: Vor etwa 4 Wochen besuchte ich im Altonaer Krankenhaus im 15. Stock den früheren Propst Hans Günther Richers. Er berichtete u.a. von der guten Versorgung und Betreuung im Krankenhaus. Es sei ihm ein besonders freundlicher und kompetenter Physiotherapeut aufgefallen offensichtlich indischer Herkunft. Eines Tages habe er ihn gefragt: Haben Sie einmal von Breklum gehört? Darauf habe der Physiotherapeut gestrahlt und berichtet, aus Breklum seien die ersten Missionare in sein Dorf gekommen. Und nun sei es ihm eine Ehre, jemanden zu behandeln, der offensichtlich mit Breklum verbunden sei. Und sie hatten sich viel zu erzählen. Eine kleine, aktuelle Geschichte über die Langzeitwirkungen der Breklumer Mission. Und ich bin sicher, dass Sie, liebe Gemeinde, manche Geschichten hinzufügen könnten, auch Geschichten von Familien, die im Missionshaus länger gelebt haben.

In den letzten Jahren wurde dieses Haus so etwas wie die „Denkfabrik“ für das Christian Jensen Kolleg, das Nordelbische Missionszentrum und das Regionalzentrum Westküste. In ihm konnte man die Fachreferentinnen und Fachreferenten sowie die Mitarbeitenden finden, die dort ihre Büros hatten. Natürlich gehörten Bücher, Materialien, PCs und oft das persönliche Archiv dazu. Das Miteinander hatte sich gut entwickelt, das Kolleg und das Regionalzentrum waren stabilisiert. Vieles davon ist ein Raub der Flammen geworden.

Wenn ein Haus mit dieser Bedeutung für Missionsgeschichte und für die gegenwärtige kirchliche Bildungsarbeit in Flammen aufgeht, in einem Feuer, das gelegt wurde, dann löst das unterschiedliche Gefühle aus. Davon haben Sie berichtet nach der Brandnacht und ich konnte es miterleben am Sonntag Mittag mit den Menschen, die nach und nach kamen: Von Tränen angesichts der Zerstörungskraft und aus Wut bis zu den ersten Aufbauplänen. Und ich spürte dabei etwas wie einen heiligen Trotz .

Und dann gibt es in diesen Tagen viel Grund zum Dank:

• für den unermüdlichen Einsatz der Feuerwehr, der u.a. dazu führte, dass der Seitenflügel gerettet werden konnte.
• Dafür, dass niemand körperlich zu Schaden kam
• Dafür dass manches noch in der Nacht und in den Folgetagen gerettet werden konnte. 
• Vor allem aber dafür, dass der Betrieb mit Seminaren und Gästen weitergehen kann und dass die, die ihre Büros verloren haben, versuchen, sich schnell neu zu organisieren – so gut es eben geht.

Durch die ganze Woche hat uns der Wochenspruch für die Woche nach dem 2. Advent begleitet, ein Vers aus dem Lukasevangelium, der lautet: „Seht auf, und erhebet eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ Ein Satz, der zunächst quer steht. Die Erlösung ist nicht in Sicht, eher das Gegenteil: die Kräfte der Zerstörung. Auch wenn wir den Blick weiten, schiebt sich die unerlöste Welt vor unser Auge, die die Hoffnung vernebelt: düstere Perspektiven durch den Klimawandel für die einen und bedrängende, bedrohliche Realität des Klimawandels für die anderen.

„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ Für mich verbindet sich mit diesem Satz eine schwedische Adventstradition. Dort wird in diesen Tagen das Luciafest gefeiert und durch eine Delegation wird dieses Fest auch nach Kiel gebracht. Diese Tradition wuchs aus der Heiligenlegende einer Lucia, die um 286 nach Christus in Syrakus auf Sizilien geboren wurde. Lucia versorgt verfolgte Glaubensgeschwister in deren unterirdischen Verstecken mit Essen und Trinken. Um sich im Dunkeln zurechtzufinden und die Hände frei zu haben, trug sie auf dem Kopf einen Lichterkranz aus Kerzen.

Die Schweden feiern ihre Lucia auf eigene Weise: Das älteste Mädchen der Familie erscheint am frühen Morgen des 13. Dezembers in weißem Kleid, den Kopf mit einem Kranz aus Preiselbeeren und brennenden Kerzen geschmückt. Sie weckt die Familienglieder und bringt ihnen Frühstück ans Bett, als singende Vorbotin eines Weihnachtsliedes.

„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“

Das ist ja mehr als der Spruch, den wir alle kennen: Kopf hoch! Oft allzu schnell und etwas oberflächlich gesagt, ohne den anderen wirklich wahrzunehmen. Ganz anders dieser Satz, der eine Begründung nennt, weshalb wir unsere Häupter erheben können: Erlösung und Befreiung werden angesagt. Das, was uns niederdrückt, das, was uns hindert, nach vorne und nach oben zu sehen, wird von uns genommen – es verliert seine Macht über uns. Die Erlösung wird mit dem Kommen Gottes in Verbindung gebracht. Gott ist erfahrbar, Gott ist nahe, Gott wirkt in unser Leben hinein. Wer nicht zu Boden blickt, bekommt anderes in den Blick. Der Sichtkreis wird weiter, Wege werden erkennbar, Zusammenhänge werden gesehen.

Lucia auf dem Weihnachtsmarkt in Kiel, sie hat eine gute Körperhaltung: erhobenen Hauptes stand sie dort – sonst hätten die Kerzen schlecht gebrannt. An ihr wird etwas deutlich, was uns allen gilt, spätestens an Weihnachten: Dass das Licht der Weihnacht uns erleuchtet, jeden und jede, ganz egal wie dunkel es noch sein mag. Schauen Sie sich einmal um, zu ihren Nachbarn rechts und links oder hinter Ihnen. Ich bin sicher: Bei dem einen oder der anderen ist davon schon etwas zu sehen.

Advent ist eine Zeit des Wartens. D. Bonhoeffer hat dafür ein prägnantes, auf den ersten Blick fremdes Bild gebraucht. Er schreibt:
„ Eine Gefängniszelle ist ein ganz guter Vergleich
für die Situation des Advents: Man wartet und
hofft und tut dieses und jenes; aber die Tür ist
verschlossen und kann nur von außen geöffnet werden.“

Natürlich – wir leben nicht in einer Gefängniszelle – nicht in dieser Kirche, nicht im Christan Jensen Kolleg und nicht dort, wo wir wohnen, aber wir kennen ähnliche Erfahrungen. Und diese Erkenntnis kennen wir alle: das Wesentliche von Advent und Weihnachten können wir nicht herstellen, nicht kaufen, nicht erdienen. Aber wir können es herbeisehnen und singen und bitten, bis sich die Tür öffnet - von außen. Denn Gott wird Mensch und kommt uns nah.

Seht auf, und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht  Lasst uns das jetzt ganz wörtlich nehmen. Lasst uns den Blick heben und hinschauen.
Hinschauen nicht auf die schwarzen Trümmer und Ruinen -  lasst uns aufsehen und nach vorn schauen, dahin, wo Gott auf uns wartet. Hineinschauen in seinen Advent, wo  und wie er zu uns und bei uns neu zur Welt kommen will. Denn er kommt, ja er kommt, er reißt den Himmel auf – aber anders. Ganz anders, als wir meinen. Eben nicht senkrecht von oben, nicht Top-Down, der himmlische Chef mit dem eisernen Besen und dem aggressiven Kommando-Ton und der unwiderstehlichen Macht. Nein, er kommt anders: Als ohnmächtiger, hilfloser Winzling, als neugeborenes Menschenkind in der Nacht von Bethlehem. Da ist keine Arroganz der Macht - hier wird niemand abgekanzelt oder zu Boden gedrückt. Gott will nicht unsere Furcht, er will unsere Liebe.

Das Kind in der Krippe nehmt zum Zeichen. Dieses Bild einer neuen Geburt, die einen Neuanfang verspricht, Erneuerung, helle Zukunft, Lösung und Erlösung. Nicht irgendwo oben, ganz weit weg, in ferner Transzendenz reißt der Himmel auf - nein, hier unten, ganz nah, auf dieser Erde, bei uns, zwischen uns, in unserem eigen Fleisch und Blut. Gott wird Mensch, dir, Mensch zu Gute. Uns zu Gute, Dir und Mir zu Gute, damit wir, Du und Du und Ich, endlich das werden können, was wir sind. Damit wir keine Götter, keine Super- und Übermenschen mehr werden wollen, immer besser, höher, weiter, schöner... Nein, damit wir wirklich Menschen im Wortsinne sein dürfen, Menschen, ganz irdisch und doch himmlisch zugleich.

„Seht auf, und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ Ja, liebe Schwestern und Brüder, schaut auf und seht hinein, und geht hinein in den Advent Gottes. Nehmt das Kind in der Krippe zum Zeichen! Lasst euch ergreifen und ermutigen von dem  Bild der neuen Geburt. Zart, und machtlos – und doch wahr und gültig. Lasst euch ergreifen vom Bild des neuen Anfangs und was er euch verspricht: Zukunft, Erneuerung, Klarheit und Wahrheit.

Und lasst uns selbst nicht untätig sein und dem neuen Anfang den Weg bereiten.
Und dazu gehört es natürlich, sich ein Bild von dem zu machen, was geschehen ist. Dann aber kann uns dieses Wort aufrichten, damit wir nicht wie gebannt auf diesen Brand schauen. Und ich bin sicher, dass jetzt erstrecht viele, viele Menschen die Arbeit an diesem Ort  mittragen werden. Es gibt die vielen Zeichen der Solidarität – Anrufe, Mails, Grüße. – sie sind ein großer Trost, Ermutigung und Bestärkung.

Und was kann man konkret zur Unterstützung tun: Zunächst Fürbitte und Gebet und damit Stärkung derer, die hier arbeiten. Dann möglicherweise  auch materielle Hilfe, das hängt aber von Frage ab, die noch geklärt werden. Sie können sich über den Fortgang der weiteren Planung informieren lassen. Die wichtigste Unterstützung aber: Kommen Sie wieder und nutzen Sie die vielfältigen Möglichkeiten dieses Ortes.

Amen

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Ev.-Luth. Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite