Von Landesbischof Dr. Andreas von Maltzahn, Schwerin

Predigt zum Landeserntedankfest am 5.10.2008, 9.30 Uhr in Banzkow

05. Oktober 2008 von Andreas von Maltzahn

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. AMEN.

Liebe Schwestern und Brüder,
nach harter Arbeit feiern wir dankbar die Ernte eines Jahres. Diese reich geschmückte Kirche macht augenfällig, worüber wir uns freuen können. Trotz einer lang anhaltenden Trockenheit – insgesamt war die Mühe nicht umsonst. Gott hat seinen Segen nicht verwehrt. Die Arbeitvieler Menschen bei uns in Mecklenburg-Vorpommern hat Früchte getragen.

Oft sind es ganze Familien, die sich hier mit aller Kraft einbringen. Auch  Kinder wachsen schon in das Leben mit den Tieren und auf dem Feld hinein. In meiner ersten Gemeinde gab es einen Landwirt, der begeisterte seine Söhne schon in zartem Alter für diesen Beruf. Und so brachte er seinem Ältesten das Treckerfahren bei – der war damals allerdings erst fünf Jahre alt! Sitzend reichte der Knirps gar nicht an Bremse und Gaspedal heran, aber im Stehen machte er seine Sache bald so gut, dass er für den Vater eine Hilfe war. Nur als dieser ihn eines Tages mit dem Traktor zum Tanken schicken wollte, fragte der Lütte zaghaft zurück, ob er dafür nicht doch noch etwas zu klein sei. Heute, wen  wundert’s  studiert der Junge Landwirtschaft…

Die Jahre auf dem Land haben mich Respekt gelehrt vor den Menschen, die für unser tägliches Brot arbeiten: 
• mit und in der Natur zu leben und ihre Botschaften verstehen zu lernen, 
• die Härte der Arbeit nicht zu scheuen, 
• nicht zu fragen, wie man sich gerade fühlt, sondern eine Arbeit eben dann zu tun, wenn sie getan werden muss,
all das sehe ich mit Hochachtung. Gerade auch, wenn sich diese Menschen aus eigener Erfahrung dessen bewusst bleiben: 


„Wir pflügen, und wir streuen den Samen auf das Land, 
doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand.“
 

Liebe Gemeinde, wir können dankbar sein für die Arbeit dieser Menschen. Und für den Segen Gottes. Für die wesentlichen Dinge unseres Lebens ist gesorgt. Und doch ist das alles andere als selbstverständlich. Ein schlichtes Gedicht von Reiner Kunze drückt das so aus:

„Wir haben ein Dach
und Brot im Fach
und Wasser im Haus,
da hält man’s aus.

Und wir haben es warm
und haben ein Bett.
O Gott, dass doch jeder
das alles hätt’!“

Erntedank – das ist auch ein Fest des Innehaltens, des Innewerdens:
• Wie geht es uns?
• Wovon leben wir?
• Wofür sollen wir leben?

Ein kurzer Abschnitt aus dem Brief an die Hebräer will uns helfen bei der Ausrichtung unseres Lebens. Da heißt es im letzten Kapitel dieses Briefes:

„Lasst uns nun  durch Christus Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht unserer Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.“
    
                                                                                                       (Hebr13,15f)

Schwestern und Brüder, unser innerer Mensch lebt auch vom Loben und Staunen. Was würden uns die Güter unseres Lebens helfen, wenn wir  sie nicht wahrzunehmen und zu schätzen wüssten?!

Also, ich finde es zum Beispiel phantastisch, dass Gott offenbar so viel Sinn für Schönheit und Geschmack hat: Denken wir an die zarten Farben eines Sonnenaufgangs oder das Steigen der Lerche im Sommer, der Tanz der Kraniche. Oder, dass nicht einfach alles nur nützlich ist: Um es einmal kindlich auszudrücken – es wäre ja auch denkbar gewesen, dass der Schöpfer alles Lebensnotwendige an Eiweißen und Kohlenhydraten, an Fetten, Spurenelementen und Vitaminen in  ein Konzentrat gepackt hätte, eine Art „Weltraumnahrung“. Aber nein, es gibt Äpfel und Erdbeeren und – Kartoffeln! Was wären wir Mecklenburger ohne sie!   
Ich entsinne mich noch deutlich: Als wir nach der friedlichen Revolution endlich einmal unsere holländische Partnergemeinde besuchen konnten, da war das ein großes Erlebnis. Auch vom Essen her war alles reichlich – nur etwas anders. Und so sagte abends auf der Rückfahrt eine Frau aus unserer Gemeinde, die sonst mit dem Hühnern zu Bett zu gehen pflegte: „Egal wie spät wir zu Hause ankommen,  ich koch mir erstmal einen Pott Kartoffeln“


Ja, wir können begeistert sein von diesem Gott: Schönheit und Geschmack hat er in seine Schöpfung gelegt – etwas Wunderbares, das nicht unbedingt notwendig ist. Aber der Seele tut es gut. Und so leben wir von dem inneren Reichtum unseres Lebens – davon bspw., dass es in dieser Welt Musik gibt, die unser Herz berührt. Musik, die unsere Seele empfindsam werden lässt und groß – und die uns ahnen lässt, was wir als menschliche Wesen sein können. 

Wir leben von der Zuneigung unserer Familien und den kleinen und großen Geschichten, die uns verbinden.

Wir leben von Gott, der unsere Anflüge von Verzagtheit oder gar Verzweiflung aushält und sie wendet, indem er uns spüren lässt: Das Leben ist nicht ohne Sinn.

Wir leben vom körnigen Brot – vom Brot, bei dem wir mit jedem Korn zwischen den Zähnen die Urkraft und das Geheimnis des Lebens wahrnehmen können.

Wir leben auch davon, dass anderes Leben für uns geopfert wird. Und wir wissen, dass dies auch unsere Bestimmung ist – durch unser Leben anderes Leben zu ermöglichen. 

Wir leben von Gemeinschaft – der Gemeinschaft von Menschen, die wie wir unterwegs sind zu Gott. Und wir leben davon, dass es Zeiten gibt, wo wir ganz für uns sein können.

Wir leben davon, arbeiten zu können – genauso wie wir es brauchen, nicht immer nützlich sein zu müssen.

Es erfüllt uns, wenn uns andere Menschen würdigen, ihren Kummer anzuhören. Und es beglückt uns, wenn es uns gelegentlich gelingt, ein Lächeln auf das Gesicht eines Kindes zu zaubern.

Empfangen und Geben, Einatmen und Ausatmen – davon lebe ich. Das macht mich glücklich. Dafür danke ich Gott, meinem Schöpfer.

Empfangen und geben, geben und empfangen – das ist der natürliche Atem des Lebens. Wofür sollen wir leben? Der Hebräerbrief erinnert in aller Kürze: „Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.“

Liebe Gemeinde, mit dem Tun des Guten betreten wir heikles Gelände: Das Tun des Guten ist mittlerweile in Verruf gekommen. Da ist von „Gutmenschen“ mal höhnisch, mal genervt die Rede. Ob in Comedy-Shows oder in politischen Kommentaren – die „Gutmenschen“ werden aufs Korn genommen: 
• als Naivlinge, 
• als blauäugige Idealisten, die den Lauf der Welt immer noch nicht durchschaut hätten oder
• die zumindest stören, wenn der Zweck die Mittel heiligen soll.

Ich finde, diese abschätzige Rede von den „Gutmenschen“ hat etwas Beunruhigendes, wenn sie denn eine Tendenz unserer Gesellschaft anzeigen sollte. Auf diese Weise können wir uns nicht die Herausforderungen vom Leib halten, vor denen wir stehen:
• bspw. Wege zu finden, unseren Landwirten ein ausreichendes Einkommen zu sichern, ohne dass subventionierte Nahrungsmittel aus Europa in Afrika die dortige Landwirtschaft zum Erliegen bringen. Es liegt auch an unserem Kaufverhalten, ob wir immer blindlings nach dem Billigsten greifen oder ob wir fairem Handel eine Chance geben, indem wir die etwas teureren, aber fair gehandelten Produkte kaufen. Der Protest der Milchbauern war ein drastisches Signal, wie viel hier im Argen liegt. Die Kaffeebauern aus Übersee stehen uns nicht so vor unseren Augen, aber die Ungerechtigkeit ist mindestens so groß.
• Oder wie gehen wir um mit der wachsenden Zahl armer Menschen in unserer Gesellschaft? Natürlich, Politik und Wirtschaft sind hier in der Verantwortung, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen – für die Bewältigung dieser großen Aufgabe können wir Ihnen, den Regierenden, nur Gottes Segen wünschen. 
Aber wir alle leben mit diesen Menschen, deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt ist: Kinder und Alte, denen es an menschlicher Zuwendung fehlt, Erwachsene, die dankbar wären für eine lohnende Aufgabe. Ich glaube, neben der materiellen Not ist es vor allem die menschliche Entbehrung, die Armut so bitter macht. Aber gerade dies ist Möglichkeit für uns, Gutes zu tun, unser Leben zu teilen. Um es mit einem Erlebnis zu verdeutlichen: Mit einem Hilfstransport in die Ukraine hatten wir LKW-Ladungen voller Kleidung und Medizin zu Notleidenden gebracht. Damit die Hilfe auch wirklich ankommt, hatten wir auch Pakete gepackt, die wir in abgelegenen Dörfern selbst übergaben. Lebensmittel, Kleider und Blumensamen waren darin. Ein Freund brachte solch ein Paket auch zu einem alten Mütterchen, deren ärmliche Behausung zum Erbarmen  war.  Als sie die Sachen auspackte, wusste sie mit dem Kleid nicht so recht etwas anzufangen und sagte: „Ich hab’ doch schon ein Kleid“,  –  nämlich das, was sie tagaus tagein auf dem Leibe trug.  Aber als sie die Blumensamen sah, da strahlte sie voller Freude. Diese kleine Geste hatte ihr Herz erreicht.

Eine gute Ernte, ein menschlich reiches Leben  – das ist der Segen, den wir von Gott empfangen.
Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit – das ist der Segen, den wir weitergeben sollen. Dazu ermutigt uns Gott und verheißt uns seit alters her, dass solch ein Leben erfüllt und glücklich sein wird. So richtet schon der Prophet Jesaja aus:
„Wenn du … den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und Gott wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.“(Jesaja 58, 10f)
    
                                                                                                                  AMEN

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