Akademie der Nordkirche

Professioneller Qualitäts-Journalismus gegen "Hass-Mails" in Online-Portalen

Durch Computer und Smartphones ist heutzutage Kommunikation weltweit jederzeit möglich.
Durch Computer und Smartphones ist heutzutage Kommunikation weltweit jederzeit möglich.© lulu - Fotolia

05. November 2015 von Klaus Merhof, Simone Viere

Hamburg. Die Liebe verdoppelt sich, wenn man sie teilt, heißt es oft. Doch für den Hass gilt das auch. Wie mit "geteiltem Hass" in den Medien umzugehen sei, war Thema einer Experten-Runde der Nordkirchen-Akademie in Hamburg.

Im Internet sinken die Hemmschwellen. "Hass-Mails" schwappen in die Online-Portale der Medien und in die sozialen Netzwerke, nicht erst seit der sogenannten Flüchtlingskrise. Unter dem Motto "Geteilter Hass" lud daher die Evangelische Akademie der Nordkirche gemeinsam mit dem Deutschen Journalisten Verband (DJV) am Mittwochabend zu einer Expertenrunde in Hamburg ein. Gibt es ein Patent-Rezept gegen den Hass? "Ja", sagte Oliver Michalsky, stellvertretender Chefredakteur von "WeltN24". Gegen "Online-Hass-Mails" aller Art helfe am besten "professioneller Qualitäts-Journalismus".

Kommunikation mit Smartphones - "Begeisterung und Überforderung zugleich"

Die öffentliche Kommunikation befinde sich seit Jahren in einem "tiefgreifenden Strukturwandel", sagte Peter Vorderer, Professor für Medienpsychologie an der Universität Mannheim. Erstmals in der Geschichte der Menschheit sei über die Smartphones die Kommunikation "jederzeit und überall" möglich. Diese revolutionären Veränderungen seien "unvergleichlich" und hätten "Begeisterung und Überforderung zugleich" ausgelöst. Doch man habe "keine sozialen Regeln" dafür entwickelt, dass alles nahezu gleichzeitig geschehe. Er bezweifle aber, ob die Redaktionen in ihren Leser- und Hörer-Foren wirklich die Pflicht hätten, "jeden erdenklichen Mist zu transportieren". Diesen Anspruch gelte es zu überprüfen.

Volker Lilienthal, Professor für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Uni Hamburg, beklagte die "Hass-Mails" als Dilemma-Problem. Die "Störer" vergraulten die Stammkunden der Online-Portale, sagte er. Dadurch würden die Medien "richtig gehend zu Opfern" dieses Phänomens. Und die vermeintliche Lösung, Foren angesichts von "Hass-Mails" einfach zu schließen, verschärfe das Problem - dann stehe der "Vorwurf der Zensur" im Raum. Der angestrebten Meinungsfreiheit stehe die "blockierte Meinungsbildung" gegenüber.

Lilienthal: "Journalisten müssen sich nicht beleidigen lassen"

Journalisten in Online-Redaktionen würden heute "wie in einem gläsernen Studio" arbeiten, sagte Lilienthal. Eine "Ruhe nach Redaktionsschluss" gäbe es nicht mehr. Der Stress ständiger Präsenz im Meinungsstrom von mehreren tausend Mails pro Tag sei immens - und werde von Hass-Mails und Beleidigungen sogar noch angefüttert. Doch auch Journalisten müssten sich nicht beleidigen lassen, sagte er. Notfalls könnten Strafanzeigen helfen.

"Welt"-Vize Michalsky bekräftigte das Interesse seiner Redaktionen am kritischen Dialog mit dem Publikum. "Für ein erstklassiges Programm sind wir auf diesen Austausch angewiesen", sagte er. Auch Zeitungsartikel seien heute "keine Produkte mehr, sondern Prozesse". Die Kommentar-Funktionen der "Welt"-Online-Portale seien "offen rund um die Uhr". Gegen "Hass-Mails" habe man "Dreckfilter" entwickelt, die über Worterkennungsprogramme die übelsten Kommentare automatisch entfernen würden. 

"Dreckfilter" gegen Hass-Mails

Doch auch im Online-Kontakt helfe journalistische Professionalität, sagte Michalsky. So dürfe man "Hass-Mails" nicht lange unkommentiert stehenlassen, sondern müsse "prompt und sofort reagieren". Etwa damit, dass man Unerwartetes zurück-postet, zum Beispiel: "Auch Ihnen einen schönen Abend noch". Gute Erfahrungen habe er auch mit "direkter Ansprache" gemacht. Wenn es gelinge, Verfasser von Hass-Mails ausfindig zu machen und persönlich anzurufen, könnten sich gute Gespräche ergeben. "Nur blocken ist uncool", sagte Michalsky.

"Pressefreiheit tatkräftig verteidigen"

Stefan Endter, DJV-Geschäftsführer in Hamburg, beklagte zunehmende Übergriffe auf Journalisten. "Bloße Hass-Mails waren gestern - heute gibt es bereits handgreifliche Gewalt", sagte er. Vor allem in Sachsen und speziell in Dresden seien Journalisten seit dem Aufkommen der Pegida-Demonstrationen wiederholt bedroht worden. In Berlin habe es einen heimtückischen Überfall auf einen Journalisten des "Tagesspiegel" gegeben. Nicht immer habe man den Eindruck, dass Sicherheitskräfte und Justiz für den notwendigen Schutz der Medienvertreter sorgen würden. Es gelte zunehmend, die Pressefreiheit und die mit ihr verbundenen Werte "tatkräftig zu verteidigen", sagte er.

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