Brauchtum

Rauhnächte – eine mystische Zeit "zwischen den Jahren"

Die "Zeit zwischen den Jahren", auch Raunächte genannt, wird von immer mehr Menschen wieder entdeckt als Zeit zum Innehalten und Kraft tanken.
Die "Zeit zwischen den Jahren", auch Raunächte genannt, wird von immer mehr Menschen wieder entdeckt als Zeit zum Innehalten und Kraft tanken.© Aaron Burden, unsplash

27. Dezember 2025

Rauhnächten, wie man die Zeit vom 25. Dezember bis zum 6. Januar auch nennt, wird seit Jahrhunderten eine besondere Rolle zugemessen. Ein Volksglauben rankt sich um diese Tage, früher hieß es, dass dann Dämonen unterwegs seien und Tiere sprechen könnten. Heute wird die Zeit zum Innehalten genutzt.

Sie gelten als „zeitlose Zeit“ oder als "Zeit zwischen den Jahren": Die Nächte vom 25. Dezember bis zum 6. Januar. Um diese Rauhnächte ranken sich zahlreiche Sagen und Bräuche.

„Seit einigen Jahren wird die alte Tradition von immer mehr Menschen wiederentdeckt“, beobachtet Pastorin Claudia Süssenbach aus Neustadt (Kreis Ostholstein), die von einem Hype spricht. Nach dem oft stressigen Weihnachtstrubel würden sich Menschen nach alten Geschichten und einer Auszeit sehnen.

Zeit der Geister zwischen zwei Kalendern

Woher kommen die Rauhnächte? Während der Sonnenkalender 365 Tage hat, gibt es im Mondkalender nur 354 Tage – 12 Nächte fehlen. „Früher glaubten die Menschen, dass in dieser Zeit die Geister ihr Unwesen treiben“, sagt die 54-Jährige.

Manche erklären den Namen „Rauh“ mit diesen wilden Geistern und auch den Brauch, an Silvester lautes und leuchtendes Feuerwerk zu zünden. Denn die Silvesternacht ist die Mitte der Rauhnächte. 

Silvester-Rakete explodiert am Himmel
Tradition an Silvester: Raketen, Licht und Böllern sollen Geister vertreiben.© Fundus-Media

Rituale gestalten: In dem Buch "Dein Leben, dein Moment – Rituale neu entdecken und individuell gestalten" der Pastorinnen Emilia Handke und Meike Barnahl geht es auch um die Zeit der Rauhnächte

Auch Theologin und Ritual-Expertin Emilia Handke hat sich mit den Rauhnächten beschäftigt und eine weitere Tradition ausfindig gemacht: "Diese zwölf Nächte stammen ursprünglich aus dem sagenumwobenen Jahreskreis der nordischen Völker. Da wird von den Seelen der Verstorbenen erzählt, die mit den Winterstürmen über das Land brausen, von 'Frau Percht' und der 'Wilden Jagd', vom 'Schimmelreiter' oder vom 'Klapperbock'", so die Pastorin, die das Predigerseminar der Nordkirche leitet.

Aus der Finsternis wird das helle Licht eines Erlösers

Handke erläutert: "Aus den vielen übernatürlichen Gestalten dieser Sagen wurde später im Christentum dann der eine Gott, aus dem Geschrei der 'Wilden Jagd' das Geschrei eines wehrlosen Säuglings, aus den reitenden Geistern die Menge der Himmlischen Heerscharen, aus der Finsternis das helle Licht eines Erlösers."

Rauch gegen Geister

Süssenbach erklärt den Namen auch mit dem Brauch des Räucherns. „Früher haben Menschen mit räuchernden Kräuterdüften versucht, dunkle Kräfte von Haus, Hof und Feld zu verscheuchen.“ Heute denken die meisten Menschen bei Rauhnächten weniger an Dämonen. „Es geht darum, sich Zeit für sich zu nehmen, innezuhalten, über Vergangenes und die Zukunft nachzudenken“, sagt Süssenbach, die seit zehn Jahren dazu Veranstaltungen anbietet.

In Büchern, Workshops und Online finden sich zahlreiche Anleitungen und Impulse. Die Nordkirche bietet den Wegbegleiter Rauhnächte an, der vier Etappen mit biblischen Figuren geht.

Die Natur ist im Winterschlaf, schöpft Kraft für das neue Jahr. „Auch wir Menschen spüren intuitiv, dass uns eine Pause guttut, um Energie für das neue Jahr zu sammeln“, sagt Süssenbach. Wie diese Zeit gestaltet wird, hänge von persönlichen Vorlieben ab. „Es gibt keine festen Regeln.“

Winterlandschaft mit Blick aufs Meer
Im Winter macht auch die Natur eine Pause.© Pixabay

Menschen blicken zurück und öffnen sich für Neues

Anleitungen aus dem Internet schlagen etwa ein Thema für jede Nacht vor. Von Aufbruch und Klarheit über Reinigung, Prioritäten bis zu Zukunft. Den Anfang machen dabei meist Rückblicke und Methoden zum Loslassen der „Altlasten“ aus dem vergangenen Jahr. Den Abschluss bilden Dankbarkeit und Offenheit für das kommende Jahr.

Wer seine „Altlasten“ aufschreibt und den Zettel verbrennt, geht gereinigt in die nächsten Nächte. „Ich kann mir in einer Rauhnacht auch vornehmen, Freunden zu sagen, wie wichtig sie für mich sind und was sie besonders macht“, sagt Süssenbach. Um Ordnung und Struktur zu schaffen, könne auch ganz praktisch der Kalender für 2026 vorbereitet und das Jahr geplant werden.

13 Wünsche und Düfte

„Auch das Ritual der Wünsche ist weit verbreitet“, weiß die Pastorin. Zu Beginn der Rauhnächte werden 13 Wünsche auf kleine Zettel geschrieben - positiv und gegenwärtig formuliert, als wäre es schon so. In jeder Nacht werde ein Wunsch ungelesen verbrannt, sodass am Ende einer übrig bleibt. „Bei diesem Wunsch liegt es nun in unseren Händen, dass er in Erfüllung geht“, erklärt Süssenbach.

Häufig sind die Rituale der Rauhnächte mit Düften verbunden - sei es als Duftlicht, Badezusatz oder Räucherstäbchen. Zimt etwa fördere Veränderung, Sandelholz dufte nach Geborgenheit und Verbundenheit, während Rosenduft die Verbindung zum Herzen und zur inneren Stimme stärken soll. „Gerüche regen unsere Gedanken an und rufen Erinnerungen hervor“, sagt Süssenbach, die selbst Zitrusdüfte am liebsten mag.

Einmal im Jahr Zeit für das innere Chaos

Was auch immer diese alten Geschichten im Einzelnen erzählten, sie hätten das Wissen bewahrt, dass in dieser Zeit die Schleier zu anderen Welten dünner sind als sonst und dass es sich lohnt, sich mindestens einmal im Jahr Zeit für das innere Chaos, die abgrundtiefen Sehnsüchte oder die sprichwörtlichen Leichen im Keller zu nehmen, so Pastorin Emilia Handke vom Prediger- und Studienseminar der Nordkirche. 

„nur sein
tief unter der schneedecke im dunkel
ruhe ich stumm
alle möglichkeiten
alle wünsche und fragen
wirken wie blumen
die sehr weit weg blühen könnten
die viel später vielleicht blühen werden sie haben keine relevanz
keine existenz
gerade ist nichts
tief unter der schneedecke im dunkel
ist es still
es ist nichts
nur sein.“

Aus dem Buch "Dein Leben, dein Moment – Rituale neu entdecken und individuell gestalten"

Mit der Ankunft der Heiligen Drei Könige enden die Rauhnächte

Das Ende der Rauhnächte ist der 6. Januar. Es ist der Tag des Hochfests Epiphanias, das von den frühen Christen mit der Geburt Jesu zusammen gefeiert wurde. Das Wort Epiphanias ist abgeleitet vom griechischen Wort „epiphaneia“ für „Erscheinung“. Heute wird es oft als Dreikönigsfest begangen: Den drei Weisen aus dem Morgenland ist ein Stern erschienen, dem sie bis nach Bethlehem folgen. 

Die Heiligen Drei Könige und der Stern von Bethlehem
Die drei Weisen aus dem Morgenland folgen im Matthäusevangelium dem Stern von Bethlehem bis an die Krippe des Jesuskindes nach Bethlehem.© Evans & Sutherland/Planetarium Hamburg

In Ostkirchen wird am 6. Januar zugleich die Taufe Christi und die Offenbarung des dreifaltigen Gottes gefeiert. In Österreich nennt man den 6. Januar manchmal noch heute „Weihnachtszwölfer“ - christliches Echo der zwölf Rauhnächte.

Was sind die Rauhnächte?

Als Raunächte, manchmal auch Rauchnächte oder Rauhnächte, werden die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und dem Tag der Heiligen Drei Könige am 6. Januar bezeichnet. Vielfach ist auch von der „Zeit zwischen den Jahren“ die Rede. Der Begriff leitet sich Brauchtumsforschern davon ab, dass der Jahresbeginn je nach Gegend und Zeitalter mal am 25. Dezember, mal am 1. Januar und mal am 6. Januar gefeiert wurde.

Rund um die Raunächte ranken sich Weissagungen und Bräuche, die teilweise viele Jahrhunderte alt sind. Dabei mischen sich christliche und heidnische Rituale. Diese Zeit dient traditionell der Besinnung. Manche sehen auch den 21. Dezember als Tag der Wintersonnenwende als Anfangsdatum.

Ein zentraler Brauch war das Ausräuchern von Haus und Stall, die mit Weihrauch und Weihwasser gegen das Böse gewappnet werden sollten. „Weihrauch ist das Parfum des lieben Gottes“, so sagt es Becker-Huberti. Man vermied in den Raunächten zudem etwa das Misten, Spinnen und Nähen und vor allem wurde keine Wäsche aufgehängt, in der Angst, Dämonen könnten sich darin verfangen.

Unklar ist die Herkunft des Begriffs. Die Raunächte, die erst mit der Rechtschreibreform das Binnen-„h“ verloren haben, könnten vom „Rauch“ stammen. Oder sie könnten - wie die Titelheldin in dem Grimm'schen Märchen „Allerlei-Rauh“ in ihrer geflickten Fellkleidung - auf Felle verweisen, die „Rauchwaren“ des Kürschnerhandwerks. Denn haarig und struppig wie Wolf und Bär stellte man sich früher jene Dämonen vor, die in den dunklen Tagen um die Jahreswende angeblich ihr Unwesen trieben. (epd)

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