Reformationstag (31. Oktober 2013) - Kirchengemeinde Schlutup, Lübeck

Reformationstag (31. Oktober 2013) - Reformation der Apfelbäume

31. Oktober 2013 von Kirsten Fehrs

Liebe Kinder, sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin Schopenhauer, lieber Pastor Schäfer, liebe Apfelbaumgemeinde!

 

Wie schön, heute bei euch und Ihnen zu sein. Um gemeinsam nicht nur zu singen und zu beten, sondern auch zu pflanzen. Ein ganz kleines Apfelbäumchen noch, der irgendwann größer wird. So, dass wir später mal wunderbare Äpfel essen können. Doch dafür braucht er eure Pflege. Euer Streicheln, Wasser, Achtsamkeit. So, wie ihr es eben gesungen habt: Ich bin der Baum vor deinem Haus.

Wart ihr schon einmal in einem Baumhaus? Oder seid ihr auf einen Baum geklettert? Das ist wie eine eigene, kleine grüne Welt. Da kann man träumen. Und die Welt von oben angucken. Und ist so herrlich frei.

Denn da kommt ja nicht jeder hoch …

Und das Schöne an Bäumen ist: Sie sind wie Freunde. Sie stehen da und bleiben da. Das geht gar nicht anders. Ganz tiefe Wurzeln halten sie in der Erde und deshalb können sie in den Himmel wachsen. Manchmal meterhoch. Die haut so schnell nichts um. Allerhöchstens, ganz allerhöchstens kann ein noch kleiner Baum von einem Sturm wie in den letzten Tagen umgepustet werden.

 

Ich stehe hier – das geht gar nicht anders. Das hat ein berühmter Mann der Kirche gesagt: Martin Luther. Er war standhaft wie ein Baum – und musste manchen Stürmen trotzen. Denn er war unzufrieden mit seiner Kirche damals. Und hat das auch laut gesagt mit 95 Sätzen, Thesen genannt. Fast 500 Jahre ist das her. Der Kirche damals hat das natürlich nicht gefallen. Doch Luther stand da wie ein Baum und konnte eben nicht anders. Er fand, dass die Kirche anders werden müsste. Offener. Nicht so mächtig. Er wollte zum Beispiel, dass die Menschen sich nicht immer vor Gott fürchten. Sondern dass sie seine Liebe fühlen und ihnen warm ums Herz wird. Doch dazu mussten sie die Geschichten von Jesus lesen können. Die Großen wie die Kleinen. Deshalb hat er die Bibel damals ins Deutsche übersetzt. Und sie haben alle es schön gefunden, lesen zu lernen. Denn die Geschichten waren gut. Sie haben Mut gemacht und Hoffnung. Und sie haben Gott lieben können und gemerkt, dass er da ist. Dass sie sich auf ihn verlassen konnten wie auf einen Freund. Und sie haben gelernt davon zu reden, was sie glauben und was nicht. Und das hat sie so frei gemacht. Endlich. Keiner mehr hat ihnen vorgesagt, was und wie sie zu sein hätten. Und sie hatten Kraft und Mut und haben viel Gutes getan.

 

In der Erwachsene-Bibel in den Psalmen steht dazu ein wunderschönes Wort: „Wer sich an Gott hält, der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht.“ Gesegnet ist, wer vertrauen kann. Darauf, dass Gott da ist. Beständig wie ein Baum, der einem Schutz gibt und Schirm vor allem Argen, der einem neuen Atem gibt und Luft und Wasser und Liebeswort und Gedanken – und in all dem des Geistes Gegenwart. Und so kann der Baum, den wir gleich pflanzen, wie ein Bild sein für unseren Glauben: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke“ haben wir eben gebetet. Und in dem Baum sieht man das auch!

 

Gut, oder? Die Stärke des Baumes besteht nämlich darin, dass er voller Bewegung und Grünkraft ist und zugleich große Standfestigkeit hat!

Gut, dass es dem Martin Luther gereicht hat – mit einer Kirche, die starr war und geistig so unbeweglich, die ihre Einfühlsamkeit verloren hatte und deren Mächtigen nur aufs Geld schielten. Und so hat er laut gesagt, was er dachte. Und das war damals nicht ungefährlich.

Aber es war richtig. Und es ist richtig. Wenn etwas nicht stimmt, muss man den Mund auftun. Auch wenn man Unverständnis erntet. Denn sonst lässt man zu, dass es bleibt, wie es ist. Und gibt die Hoffnung auf, dass sich etwas ändern kann.

 

Luther hat nie die Hoffnung aufgegeben. Obwohl er ein ziemlicher Zweifler war. Nicht umsonst hat man ihm diesen Ausspruch zugeschrieben: „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Hoffnung macht frei davon, traurig zu bleiben. Hoffnung ist die Sehnsucht nach dem noch nicht Sichtbaren. So viele tragen in sich dieses Sehnen, dass die Welt besser wird. Gerechter. Freier. Und das ist gut. Denn wer sich sehnt, findet sich nicht ab, sondern geht. Pflanzt. Denkt nach vorn. Glaubt, liebt, hofft. Deshalb ein Baum. Er ist ein Hoffnungszeichen, dass Freundschaft wächst. Und Stärke. Und Zuversicht. Und das ist deshalb heute so wichtig zu pflanzen, weil so viele Menschen das Sehnen und Hoffen verloren haben. Wir haben Prognosen, doch haben wir Hoffnungen?

 

Hoffnung kann man nicht beschwören, sie muss entstehen und immer wieder in uns lebendig werden. Dabei helfen Hoffnungszeichen wie der Apfelbaum. Wie das geht? Ich habe im letzten Jahr genau solch einen Baum in St. Pauli gepflanzt, mitten in der Stadt. Und just in der Kirche neben diesem Bäumchen leben nun seit 5 Monaten 80 junge Flüchtlinge aus Afrika. Und der ganze Stadtteil hilft mit. Die Kitakinder malen Hoffnungsbilder, und die zehnte Klasse nebenan schreibt Briefe an den Senat und mich. Sie schreiben, dass die Flüchtlinge schwer nett sind. Und dass die Flüchtlinge Angst hätten, seit den Polizeiaktionen in den letzten Wochen. Und sie würden gern ihre Turnhalle als Winterquartier zur Verfügung stellen und ob ich die nicht weihen könnte, damit die Polizei da nicht herein kommt. Dann wären die Flüchtlinge geborgen. Frei von Angst. Ist das nicht ein unglaublich schönes Hoffnungszeichen, dass die Welt sich ändern will, liebe Gemeinde?

Auch hier, in Schlutup, steht nun gleich ein Apfelbäumchen. Zeichen dafür, dass Hoffnung innerlich frei macht. Gepflanzt direkt am dem ehemaligen Grenzstreifen, der über 50 Jahre lang eine scharf bewachte Grenze war. Und wir sagen damit. Friede soll sein. In der Welt, die so viele Kriege kennt und Grenzen und Krisen und Katastrophen. Und wir sagen: wir übernehmen Verantwortung in dieser Stadt und für unsere Zukunft. Treten ein für Menschenrecht und Schöpfungswürde und tun etwas dafür, dass sie nicht weiter zerstört wird. Und wir sagen schließlich: Auf dich Gott vertrauen wir. Und bekommen Kraft, wie ein Baum zu sein, der in den Himmel reicht. Damit auf Erden die Liebe wächst und die Gerechtigkeit.

Amen

 

 

Beim Grenzdokumentationsstelle:

Wir pflanzen hoffnungsfroh diese Apfelbäume und werden sie hegen und pflegen, damit sie Früchte tragen! So wie der Geist der Freiheit durch Martin Luther Früchte getragen hat.

 

Und wenn morgen die Welt unterginge,

pflanzt ich heut noch einen Apfelbaum-.

Gott segne diesen Baum, dass er wachse als Zeichen der Hoffnung.

Gott segne diesen Baum, dass er Früchte trage der Gerechtigkeit.

Gott segne diesen Baum, dass er uns alsbald unter seine Fittiche nimmt, wenn wir wieder singen von der Hoffnung, die in uns ist. Amen

Datum
31.10.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
Zum Anfang der Seite