14. Juli 2019 | Kirche St. Marien zu Strasburg (Uckermark)

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist

14. Juli 2019 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

Predigt im Gottesdienst im Rahmen des Gemeindebesuchs in Strasburg am 4. Sonntag nach Trinitatis zu Lk 6, 36-42

Liebe Schwestern und Brüder,

Gemeindebesuch in der Uckermark - noch dazu in der einzigen Stadt des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, die zur Uckermark gehört! Ich freue mich sehr, heute und hier einen  ganzen Tag in Straßburg, Blumenhagen, Groß und Klein Luckow, Groß Spiegelberg, Wismar und Schwarzensee zu Gast zu sein!

Und zu sehen und wahrzunehmen, um mir erzählen zu lasen, wie hier, in einer der dünnbesiedelsten Regionen unseres Landes, evangelische Kirche lebendig ist. Und um es gleich etwas vorwegzunehmen:
In der Vorbereitung auf den heutigen Tag hat mich sehr beeindruckt, wie lebendig diese Gemeinde ist!

Wie viele diakonische Einrichtungen es hier gibt. Wie sehr Sie alle aus christlicher Haltung heraus als Gemeinde, als Diakonie die Menschen in dieser Region, an ihre Sorgen und Nöte, wahrnehmen. Und dann ganz praktisch für sie da sind.

Mich hat auch beeindruckt, dass dieser Ort und diese Kirche eine nicht nur lange, sondern eine lange gemeinsame Geschichte haben. Wobei vor allem dieses Kirche durch die Jahrhunderte hindurch Zeugin und Heimat war und ist. Zeugin und Heimat für Freud und Leid der Menschen. Für die, die in dieser Kirche ein- und ausgehen. Die hier ihre Spuren hinterlassen:
Sichtbare Spuren wie das gotische Sterngewölbe oder die so schöne Fensterrose. Und unsichtbare Spuren wie geflüsterte Gebete oder laut heraus gesungene Lieder.

Das alles macht diese Kirche zu einer Heimat und einer Zeugin für die christliche Gemeinde. Aber auch darüber hinaus.

Denn mitten in den Veränderungen der Welt ringsherum war und ist Ihnen als Gemeinde - hier in Strasburg, und auch in allen anderen Orten der Kirchengemeinden Straßburg und Blumenhagen - wichtig:
Sie haben Augen nicht nur für sich selbst, sondern sie haben auch Augen für andere - Große und Kleine, Alte und Junge. Für Menschen, die hier in Strasburg Zuflucht suchen vor Gewalt und Terror an anderen Orten der Erde. Für Menschen in Nah und Fern, die Gebet und tatkräftige Unterstützung brauchen. Wer so von eigenen Sorgen und Nöten absehen kann, um hinzusehen auf Andere, wer über das Eigene die Anderen nicht vergisst, der oder die lebt in der Nachfolge Christi.

II

Leben in der Nachfolge Christi - was das auch bedeuten kann, dazu hören wir die Worte des heutigen Evangeliums bei Lukas im 6. Kapitel:

Jesus spricht:
Seid barmherzig,
wie auch euer Vater barmherzig ist.
Und richtet nicht,
dann werdet auch ihr nicht gerichtet;
und verurteilt nicht,
dann werdet auch ihr nicht verurteilt.
Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders,
aber den Balken im eigenen Auge bemerkst du nicht?
Wie kannst du zu deinem Bruder sagen:
Bruder, lass mich den Splitter in deinem Auge herausziehen,
während du selbst den Balken in deinem Auge nicht siehst?
Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge,
und dann kannst du genau zusehen,
dass du den Splitter im Auge deines Bruder ausziehst.

Leben in der Nachfolge Christi. Eine bestimmte Grundhaltung, die gehört wohl dazu.
Eine bestimmte Lebensweise. Eine, die zu sich selbst und dem eigenen Denken, den eigenen Überzeugungen, dem eigenen Verhalten in Distanz treten kann. Dich sich aus dem Glauben heraus anfragen lässt.
Auch von Sätzen und Fragen wie diesen:

Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders,
aber den Balken im eigenen Auge bemerkst du nicht?"

Eine provokante Frage.

Und man versteht sofort, was Jesus meint: Bevor du anderen sagst, was Sache ist, achte erst einmal auf dich selbst. Denn während du andere kritisierst, ist dir der Blick auf dich selbst vielleicht ganz und gar verstellt.

Mit einem Balken im Auge siehst du beispielsweise nicht, welche Folgen dein eigenes Leben auf das Leben Anderer hat:

Günstige Kleidung bei uns - aber die katastrophalen Arbeitsbedingungen dafür in anderen Ländern sind uns gleichgültig.
Ein schönes neues Handy - aber die gesundheitlichen Folgen für die, die die dafür nötigen Rohstoffe abbauen,
blenden wir aus.
Unser bequemes Leben in der nördlichen und westlichen Welt - aber dessen Auswirkungen auf das Weltklima und die Lebensbedingungen in anderen Ländern der Erde, seine Folgen wie Krieg und Flucht - sehen wir auch unsere Mitverantwortung dafür?

III

Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders,
aber den Balken im eigenen Auge bemerkst du nicht?"


Jesus kritisiert nicht den Balken in unseren Augen. Der ist ja menschlich. Niemand von uns kann sich vollkommen richtig verhalten. Unsere Sicht auf das Leben, auf andere Menschen ist ja immer persönlich. Immer eingeschränkt.

Aber wenn das so ist, warum findet Jesus dann so provokante Worte?

Jesus spricht an, dass wir trotz unseres Wissens um unsere immer nur eingeschränkte Sicht meinen, wir würden alles richtig sehen können. Deshalb schlägt er vor, wir sollten den Balken aus dem eigenen Auge ziehen.

Ich verstehe das so: Gestehen wir uns ein, dass wir die Welt nur so eingeschränkt wahrnehmen, wie wir sie sehen können - und wollen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Und dann gibt Jesus uns einen guten Rat.
Er besteht aus zwei Worten:

"Seid barmherzig".

Und zwar immer dann, wenn wir im Begriff sind, vorschnell zu entscheiden oder gar zu verurteilen. Wenn Menschen z.B. meinen, nur sie allein würden genau wissen, was richtig ist für unser Land. Oder wenn Menschen ganz eindeutig zu wissen meinen, wie sich eine Region, eine Stadt, eine Kirchengemeinde, oder auch unsere ganze Kirche entwickeln sollten.

Jedes Mal, wenn wir im Begriff sind, unsere Sicht der Dinge absolut zu setzen, immer dann sollen wir uns an die zwei Jesu Worte erinnern:

„Seid barmherzig.“

„Seid barmherzig,
wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Jesus erinnert uns an Gottes Haltung zu uns Menschen.
Denn Gott hat keinen Balken im Auge.
Gott sieht, wie wir wirklich sind.

Gott sieht, wer wir in seinen Augen sein könnten.
Gott sieht unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten.
Was wir alles Gutes tun könnten.
Und sieht barmherzig auf das, was wir dennoch versäumen.

Gott billigt nicht unsere Lieblosigkeit.
Aber er lässt sie nicht alles sein,
was es über uns zu sagen gibt.

Jesus rät uns deshalb:

Seht euch, die Menschen, die Welt,
mit Gottes Augen an.
Mit Liebe, mit Barmherzigkeit.
So, wie ihr selbst angesehen werden wollt.

Das ist nicht einfach. Das beseitigt nicht alle Probleme. Aber wenn wir uns eingestehen, immer nur einen Teil der ganzen Wahrheit sehen und verstehen zu können, dann bleib die Sicht anderer wichtig.

Und im Hören auf das, was sie zu sagen haben, wird der Blick auf die Welt erst vollständig. Auch der Blick auf unsere Kirche.

IV

„Jesus spricht:
Seid barmherzig
wie auch euer Vater barmherzig ist."

An den, der diese Worte sagt, erinnert diese Kirche wie alle Kirchen. Im Namen dessen, der diese Worte sagt, kommen Menschen zusammen in dieser Gemeinde wie in allen Gemeinden. An dem, der diese Worte sagt, orientieren sich Menschen seit Jahrtausenden. Richten ihr Leben an ihm aus. Lassen sich von seinen Worten und seinem Leben bewegen, in seiner Nachfolge zu leben.

Barmherzig zu sein.
Leben zusammen als christliche Gemeinde in dieser Welt.
Unbeeindruckt davon, wie viele sie sind.
Unbeeindruckt davon, was andere dazu sagen.

„Jesus spricht:
Seid barmherzig
wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Auch mit weniger werdenden Gemeindegliedern und wieder neuer Herausforderungen lassen Sie sich hier in der Uckermark, als christliche Gemeinde, als evangelische Kirche, nicht davon abbringen, für Andere da zu sein.

Lassen Sie sich nicht davon abbringen, konkret und praktisch zu helfen, wo Menschen in Not sind. Als Kirche Jesu Christi, als solche, die in der Nachfolge Christi leben, lassen wir alle uns nicht davon abbringen, barmherzig zu sein und zu bleiben. Unter dem Vorzeichen der Liebe Gottes zu allen Menschen. In der Erwartung einer Zukunft, die Gottes gütige Menschenfreundlichkeit offenbar machen wird.

Das ist Grund für große Dankbarkeit für alles, was hier in Strasburg, Blumenhagen, Groß und Klein Luckow, in Groß Spiegelberg, Wismar und Schwarzensee in der Nachfolge Jesu geschieht.
Es ist Anlass für begründete Hoffnung auf eine menschenfreundliche Gegenwart und Zukunft.
Und es ist das, was für diese Welt jetzt und hier nötig ist:

„Seid barmherzig
wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Amen.

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