Seit 20 Jahren: Freitags gibt es Suppe in St. Georg
09. Mai 2016
Hamburg. Jeden Freitag gibt es in St. Georg Suppe - und das seit über 20 Jahren. Von halb zwölf bis ein Uhr wird in der evangelischen Kirche am Hamburger Hauptbahnhof ein Eintopf angeboten. Kommen kann jeder. Rund 30 ehrenamtliche Helfer zählt die "Suppengruppe".
Es ist erst kurz nach neun Uhr morgens, aber der Tisch ist schon für das Mittagessen gedeckt. Wie jeden Freitag werden im Kirchenschiff Gäste bedient, denen es am Nötigsten fehlt. Die regelmäßigen Besucher kennen sich schon. Wie bei jeder großen Gruppe gibt es auch hier einige Schwierige: Betrunkene, Laute. Manchmal muss ein Arzt kommen.
1994 gründete Ingo Müller, damals Chorleiter der Gemeinde, die Suppengruppe als Hilfe für die vielen Bedürftigen in St. Georg. Die 30 Helfer kommen aus St. Georg und den umliegenden Stadtteilen. Über Bekannte und Freunde haben sie die Arbeit kennengelernt und freuen sich nun, dass sie etwas Sinnvolles tun können. Für die meisten ist es eine Aufgabe im Ruhestand. Einer von ihnen ist Alfredo: "Es ist Hilfe nötig, und die leistet man."
Die Stimmung ist gut. "Es ist schon harte Arbeit, aber wenn ich rausgehe, habe ich jedes Mal das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben", sagt Gabrielle. "Es bringt auch Spaß", sagt Gisela. "Und es ist eine enorme Bereicherung."
Rund 80 Liter Suppe werden jeden Freitag verteilt
Vor rund zwei Jahren übernahm Helmut Witte die Organisation. In seinem Berufsleben hatte er vierzig Jahre lang im Bezirksamt Wandsbek gearbeitet. Organisieren liegt ihm, und so hat er einen Planer voller Zettel, einen dicken Ordner und in seiner Hemdtasche noch eine lange To-do- Liste stecken. Wichtig ist ihm, dass er Ansprechpartner und nicht Chef der Suppengruppe ist.
Das Essen wird gespendet. Einen großen Topf Suppe liefert jede Woche das Hotel Atlantic, drei weitere füllen andere Küchen, darunter die Kantine der Hypo-Bank, der Reichshof oder das Hotel St. Raphael. Etwa 80 Liter Suppe werden jeden Freitag verteilt. Kräftiger Eintopf oder Erbsensuppe sind den Gästen lieber als eine dünne Spargelsuppe. Die Tafeln bringen Lebensmittel vorbei, die die Gäste anschließend mitnehmen können. Brötchen und Aufschnitt werden durch Spenden finanziert.
Um halb zwölf geht es los. Vor der Kirchentür warten bereits seit einer halben Stunde die ersten Besucher. Es sind viele grauhaarige Frauen und dunkelhäutige Männer darunter. Einige Menschen haben rote, geschwollene Hände vom Schlafen im Freien. Bei anderen ist die Kleidung alt, aber ordentlich.
"Organisiertes Chaos" im Kirchenschiff
Die Helfer laufen zwischen den Tischen hin und her, fragen nach Getränkewünschen, servieren die Suppe. Das ist eine schöne Geste für die Menschen, die sonst nicht bedient werden und bringt mehr Ruhe in den Raum. Freie Plätze füllen sich schnell wieder. "Organisiertes Chaos" nennt Helmut Witte das Hin und Her im Kirchenschiff.
Wie viele Gäste kommen, weiß Witte nie im Voraus. Derzeit sind es pro Woche etwa 160. Viele sprechen kein Deutsch. Deshalb ist auch Memet Simsit hier. Vor etwa zwei Jahren wurde der Gastwirt des nahe gelegenen "Hansatreffs" gefragt, ob er nicht jemanden kenne, der übersetzen kann. Simsit kam selbst. Er spricht Türkisch und Bulgarisch, erklärt Neuen die Abläufe und achtet mit darauf, dass alles ruhig bleibt. "Auch wenn ich erst um vier oder fünf Uhr nachts nach Hause gekommen bin - diese zwei Stunden nehme ich mir", sagt er.
An der Tür steht Gemeindepastor Gunter Marwege und verabschiedet die Gäste. "Dass das Essen in der Kirche stattfindet, einem Raum, der uns wertvoll ist, trägt zur Atmosphäre bei." Hin und wieder zieht sich einer der Besucher mit dem Pastor in die Kirchenbank zurück und redet. Obwohl das Mittagessen im hinteren Teil der Kirche stattfindet, brennt auch im Altarraum Licht. Und manchmal tritt auch einer der Besucher für einen Moment der Stille an den Altar heran.