Zufallsfund

Seltene Erasmus-Bibel lag im Altpapier

Wolfgang Knaack vom Stormarnschen Dorfmuseum präsentiert die seltene Erasmus-Bibel
Wolfgang Knaack vom Stormarnschen Dorfmuseum präsentiert die seltene Erasmus-Bibel© Nadine Heggen / Evangelische Zeitung

28. April 2015 von Timo Teggatz

Hoisdorf. Kaum zu glauben: Neben dem Altpapiercontainer entdeckt ein Mann ein antikes Buch. Er gibt es in einem Museum in Schleswig-Holstein ab. Dort stellt der Leiter fest: Der Wälzer ist eine Erasmus-Bibel aus dem 16. Jahrhundert – eine weltweite Rarität.

Um den dicken Wälzer zu öffnen, muss Wolfgang Knaack, stellvertretender Leiter des Stormarnschen Dorfmuseums in Hoisdorf, Kraft aufwenden. Mit einem energischen Faustschlag gelingt es ihm schließlich: Die metallenen Schnallen, die den Einband aus Holz und Leder zusammenhalten, springen auf und gewähren Einblick ins Innerste. „Paraphrasis – oder Erklärung des gantzen neuwen Testaments“ lautet der Titel, der in geschwungenen Lettern auf der ersten Seite prangt. Auch der Verfasser wird erwähnt: Es ist der niederländische Humanist und Theologe Erasmus von Rotterdam, der zu den zentralen Denkern des 16. Jahrhunderts gehörte. Er hatte seine Schrift auf Latein verfasst, Leon Jude übertrug den Text ins Deutsche, 1542 wurde das Werk in Zürich gedruckt.

 

Weltweit nur vier Exemplare

Was das Buch besonders wertvoll macht: Nach Recherchen der Museumsleitung gibt es weltweit nur vier Exemplare. „Neben der Züricher Zentralbibliothek und zwei Auktionshäusern in New York haben wir hier in Hoisdorf eins. Das ist ein Highlight“, sagt Knaack. Und dazu ist es noch reiner Zufall: Im vergangenen Sommer hatte ein Ahrensburger das lädierte Exemplar im Museum abgegeben. Er gab an, es neben einem Altpapiercontainer gefunden zu haben. Und obwohl das Deckblatt fehlte und der Zustand desolat war, erkannten die Museumsleiter Klaus Bustorf und Wolfgang Knaack schnell, dass es sich um ein sehr altes Buch handeln muss. Über Recherchen und Textvergleiche machten sie den Autor Erasmus von Rottderdam ausfindig. Der Theologe widmet sich darin auf knapp 570 Seiten den vier Evangelien sowie der Apostelgeschichte. Mit seinem Werk wollte er Laien das Neue Testament erklären. Nach den Bibeltexten finden sich Kommentare des Niederländers.

Erasmus – Vorreiter der Reformation

In einem Widmungsbrief zur Lukas-Paraphrase erklärt er: „Denn wir haben die Paraphrasen nicht geschrieben, um den Menschen das Evangelium aus den Händen zu reißen, sondern damit es leichter und mit größerem Gewinn gelesen wird, gleichwie Speisen schmackhaft zubereitet werden, damit man sie lieber und angenehmer verzehrt.“ Die Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts spielte Erasmus in die Hände: Bücher konnten erstmals in höheren Auflagen erscheinen, weil sie nicht mehr von Hand abgeschrieben werden mussten.

Bereits zu Lebzeiten genoss der Theologe und Autor hohes Ansehen. Erasmus gilt als Vorreiter der Reformation. Mit Martin Luther hatte er gemein, dass er die Macht des Klerus, korrupte Päpste, katholische Riten und den Ablasshandel aufs Schärfste kritisierte. Luthers harte Linie gegen das Papsttum der römisch-katholischen Kirche wollte er jedoch nicht mittragen. Auch in zentralen religiösen Fragen unterschieden sich die beiden Zeitgenossen. 1524 kam es zum Bruch zwischen ihnen.

Restauration: Buchwürmer vertrieben

In einer Tischrede charakterisiert Luther Erasmus als Aal, den niemand greifen könne. „Der Mann ist doppelt“, meinte der Reformator. Doch der holländische Erasmus-Biograf Johan Huizinga versucht, Erasmus‘ ambivalente Haltung zu erklären: „Er war der Mann, der das Neue und Kommende besser sah als irgendjemand. Der sich mit dem Alten überwerfen musste und doch das Neue nicht ergreifen konnte.“

Ein knappes halbes Jahr hat die Hamburger Buchrestauratorin Anke Metz gebraucht, um das Neue Testament nach Erasmus aufzumöbeln, die Holzwürmer zu vertreiben, die Seiten aufzuarbeiten und das Deckblatt zu rekonstruieren. Jetzt steht es in einer Vitrine der Eingangshalle des Museums in Hoisdorf. Eine kleine Gemeinde, die sonst nicht in einem Atemzug mit New York und Zürich genannt wird. Aber eine, in der man Erasmus‘ Erbe mindestens genauso zu schätzen weiß.

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