Sommerempfang der Nordkirche: "Würdevoll - Mensch sein"
17. Juni 2025
Die Nordkirche hatte am Montagabend (16. Juni 2025) zu ihrem traditionellen Sommerempfang unter dem Thema "Würdevoll – Mensch sein. Der Wert kultureller Teilhabe" eingeladen: Mehr als 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Religionsgemeinschaften waren in den Dom zu Schleswig gekommen. Vorgestellt wurde dabei "Traumbilder", ein gemeinsames Projekt des Theaters Kiel und des Straßenmagazins "Hempels".
Bei der Begrüßung hob die Präses der Landessynode, Anja Fährmann, die Vielfalt der Anwesenden als Ausdruck eines wertschätzenden Miteinanders hervor und betonte die Bedeutung gemeinsamer Verantwortung für die Zukunft.

Die Würde des Menschen ist unantastbar
Dabei erinnerte sie an die tiefe Bedeutung der Menschenwürde: „Die Würde des Menschen ist unantastbar – diese Worte wurden und werden oft zitiert – und sie nutzen sich nicht ab.“
Die Idee einer unveräußerlichen Würde sei nicht nur Verfassungsgrundsatz, sondern „das unantastbare Geschenk Gottes an jede und jeden von uns“. Anja Fährmann ermutigte dazu, diese Würde im kirchlichen und gesellschaftlichen Alltag erfahrbar zu machen.

Nora Steen: „Seid Menschen. Sprecht einander euer Menschsein nicht ab.“
Mit einem eindringlichen Impuls rief Bischöfin Nora Steen dazu auf, die unveräußerliche Würde jedes Menschen nicht nur zu achten, sondern ihr im gesellschaftlichen und kirchlichen Alltag sichtbaren Raum zu geben. „Seid Menschen. Sprecht einander euer Menschsein nicht ab“, appellierte Nora Steen mit Blick auf soziale Ausgrenzung, auf Diskriminierung im Alltag und auf besorgniserregende politische Entwicklungen auch in Schleswig-Holstein.
Die Kirche, so die Bischöfin, habe den klaren Auftrag, sich dem entgegenzustellen: „Über Menschenwürde für jede und jeden niemals zu verhandeln, ist unser Mandat als evangelische Kirche.“

Die Möglichkeit, ihre Geschichten sichtbar zu machen
Ein berührendes Beispiel dafür, wie sich diesem Anspruch Ausdruck verleihen lässt, präsentierte sie mit der Ausstellung „Traumbilder“, einem gemeinsamen Projekt des Theaters Kiel und des Straßenmagazins „Hempels“. Zehn Menschen in prekären Lebenslagen erhielten darin die Möglichkeit, in selbstgewählten Theaterrollen auf der Bühne zu stehen und ihre Geschichten sichtbar zu machen.

„Wir alle: Menschen. Mit unseren Geschichten, Erlebnissen, mit unserm Scheitern und Krankheiten. All das macht uns schön“, sagte Nora Steen und würdigte die Teilnehmenden des Projekts als beeindruckende Persönlichkeiten. Dass die Ausstellung nun auch im Schleswiger Dom zu sehen ist, wertete sie als bewegendes Zeichen für eine Kirche, die hinschaut und Räume für Teilhabe eröffnet.
Projekt „Traumbilder“
Das Projekt „Traumbilder“ des Kieler Vereins „Hempels“ setzt ein starkes Zeichen für gesellschaftliche Teilhabe und gegen die Unsichtbarkeit von Menschen in Armut oder Wohnungslosigkeit. In einer groß angelegten Fotoausstellung zeigen sich vorrangig Verkäuferinnen und Verkäufer des Straßenmagazins „Hempels“ in überlebensgroßen Porträts – verkleidet als historische Persönlichkeiten, Popikonen oder fiktive Figuren.

Die Fotografien wurden von Holger Förster in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus Kiel inszeniert und auf Fahnenstoff gedruckt.
„Traumbilder“ will mehr sein als ein künstlerisches Statement: Es lädt zum Perspektivwechsel ein, fördert Dialoge und öffnet Räume für Begegnung. Die Beteiligten erleben Selbstwirksamkeit und öffentliche Anerkennung – für viele ein seltenes Erlebnis. Getragen wird das Projekt vom Verein „Hempels“ in Kooperation mit der Diakonie Altholstein. Es verbindet Kunst, Empowerment und gesellschaftspolitisches Engagement auf eindrucksvolle Weise.

Die Ausstellung wurde erstmals ab 7. Juni in der Offenen Kirche St. Nikolai in Kiel gezeigt und von einem umfangreichen Begleitprogramm mit sozialen Stadtführungen ergänzt. Sie zog über 50.000 Besucher:innen an und wurde überregional wie international beachtet – einzelne Porträts gewannen Preise, so wurde zum Beispiel das Foto „Elizabeth I.“ in Liverpool als „Bestes Foto“ ausgezeichnet. Das Projekt ab sofort für vier Wochen im Schleswiger Dom zu sehen.
Bewegendes Projekt, bewegende Lebenswege
Jo Tein, 1. Vorsitzender des Vereins „Hempels e.V.“ Kiel, und Holger Förster, Fotograf, stellte im Gespräch mit Bischöfin Nora Steen einige Protagonisten der Fotoreihe vor. Jo Tein erzählte Bewegendes über das Lebens des „Goldgräbers“ – eines Mannes, der selbst zum Helfer geworden ist, auch wenn er seinen Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ nicht verwirklichen konnte.
Holger Förster stellte das Leben einer Frau vor, die eine Krankengeschichte von mehr als 30 Jahren durchleben musste. Als Motiv wählte sie Elisabeth I., weil sie diese für eine starke Frau hält. In der Diskussion mit Bischöfin Nora Steen erklärte Jo Tein zwar, dass „Hempels e.V.“ zwar kein kirchliches Projekt sei, der Verein aber viele Ziele verfolge, die der heutige Abend betone.
Holger Förster beschrieb, wie ihn das Empfinden einer von Armut Betroffenen, von den anderen nicht mehr gesehen zu werden, zu dem Projekt inspiriert habe. Bischöfin Nora Steen danken den beiden für ihre Arbeit und wünschte Ihnen für alles Weitere Gottes Segen.

Würdigung durch die Landespolitik
Staatssekretärin Silke Schiller-Tobias überbrachte die herzlichsten Grüße der Landesregierung in Vertretung von Sozialministerin Aminata Touré (Grüne), die Ende April Mutter geworden war. In ihrer Ansprache würdigte Silke Schiller-Tobias die gewählte Überschrift des Abends – „Würdevoll – Mensch sein. Der Wert kultureller Teilhabe“ – als „wohltuend und wegweisend“ und unterstrich deren Bedeutung sowohl für das gesellschaftliche Zusammenleben als auch für die politische Arbeit ihres Hauses.
Mit eindringlichen Worten betonte sie die gemeinsame Verantwortung von Kirche und Staat für eine inklusive und solidarische Gesellschaft. „Für mich heißt das auch: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ und ‚Kulturelle Teilhabe ist Menschenrecht‘. Für diese Grundwerte setzt sich die Nordkirche ein.“ Besonders hob die Staatssekretärin in ihren Worten das große Engagement der Nordkirche und der Diakonie im Bereich der sozialen Teilhabe hervor und dankte allen, die sich – vielfach ehrenamtlich – für Menschen in ihrer ganzen Vielfalt einsetzen.

Dabei bezog die Politikerin auch andere Religionsgemeinschaften ein und betonte den verbindenden Charakter der gelebten Nächstenliebe. „Was uns alle miteinander verbindet, ist die Tatsache, dass wir gemeinsam an einer Kultur der Menschlichkeit arbeiten“, sagte sie mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen und die zunehmende Polarisierung in Teilen der Gesellschaft.

Plattdeutsch, Vielfalt, Diversität und das gute alte Wort „Kuddelmuddel“
Yared Dibaba eröffnete seine Keynote unterhaltsam auf Plattdeutsch und zog dabei Parallelen zwischen Plattdeutsch, Vielfalt, Diversität, soziale Herkunft und das gute alte Wort „Kuddelmuddel“. Er sprach über seinen Erfahrungen, oft als einziger „schwarzer Mann“ in einem Raum zu sein, und die Notwendigkeit, sich Kompetenz in Veränderungsprozessen anzueignen.
Yared Dibada sprach über seine ihn prägenden Gespräche mit Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt über eine rassismuskritische Kirche und die inzwischen durchgeführten Diversitätsworkshops der Kirchenleitung. „Ich möchte Ihnen Lust auf Diversität, auf Lust Verschiedenheit machen“, so der Landessynodale, der anschließend mit Bischöfin Nora Steen und Staatssekretärin Silke Schiller-Tobias über das Thema diskutierte.

Dabei machte Yared Dibaba ein kleine, aber eindrucksvolles Experiment, in dem er fragte, wer unter den Anwesenden im Dom auch in Schleswig geboren sei? Es war eine nur kleine Minderheit. „Alle anderen haben eine Migrationsgeschichte“, erklärte Yared Dibaba unter dem Lachen der Anwesenden und machte das Thema „Verschiedenheit“ unterhaltsam anschaubar.
Bischöfin Nora Steen und Staatssekretärin Silke Schiller-Tobias waren sich abschließend einig, dass Vielfalt ein Thema tagtäglicher kleiner Schritte und der Veränderung des eigenen Blickwinkels ist – sowohl in der Familie, der Kirche und der (Landes-)Verwaltung.

Einfühlsame Musik prägte den Abend
Für die musikalische Gestaltung des Abends sorgten mehrere Künstlerinnen und Künstler, die dem Sommerempfang einen klangvollen Rahmen gaben. Die Singer-Songwriterin Cat Ray (Katharina Schwerk) berührte das Publikum mit ihren einfühlsamen Interpretationen der Lieder „Ich rette die Welt“ von Madsen und „Imagine“ von John Lennon. Zum Abschluss des Abends kehrte sie mit einem eigenen Song ans Klavier zurück und setzte damit einen sehr persönlichen, eindrucksvollen Schlusspunkt, der die Botschaft des Abends – Würde voll Mensch sein – musikalisch vertiefte.

Zu Beginn des Empfangs hieß ein Bläserchor unter der Leitung von Johannes Pfeifer die Gäste vor dem Dom musikalisch willkommen. Im Verlauf der Veranstaltung begleitete zudem Kirchenmusikdirektor Hans-Jürgen Wulf den liturgischen Teil mit stimmungsvollen Orgelstücken – darunter auch das gemeinsame Lied „Lobe den Herren“. Die Musik trug so auf vielfältige Weise zur Atmosphäre von Würde, Nachdenklichkeit und Hoffnung bei, die den Abend prägte.
