CSD Hamburg

St. Pauli-Pastor Wilm: "Reichtum der Vielfalt unter Gottes Regenbogen entdecken"

St. Pauli-Pastor Sieghard Wilm setzt sich seit Jahrzehnten für Toleranz und Vielfalt ein, in seinem Stadtteil und als Landessynodaler in der Nordkirche. Zum Gespräch hat er in seinen Garten zwischen Kirche und Pastorat geladen.
St. Pauli-Pastor Sieghard Wilm setzt sich seit Jahrzehnten für Toleranz und Vielfalt ein, in seinem Stadtteil und als Landessynodaler in der Nordkirche. Zum Gespräch hat er in seinen Garten zwischen Kirche und Pastorat geladen. © Simone Viere

03. August 2021 von Simone Viere

Zusammen weiter kämpfen - "Keep on fighting. Together"- ist Motto der diesjährigen "Pride Weeks" in Hamburg, die noch zum bis 8. August in der Hansestadt stattfinden. Zwar ist in den vergangenen Jahrzehnten schon einiges für die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlich und anders liebender Menschen geschehen, dennoch gibt es noch viel zu tun, findet auch St. Pauli-Pastor Sieghard Wilm. Im Gespräch berichtet er über seinen Kampf gegen Diskriminierung und seine Wünsche für die Zukunft - auch an seine Arbeitgeberin, die Nordkirche.

Seit dem Jahr 2001 ist es gleichgeschlechtlichen Paaren in Deutschland möglich, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen, seit dem Jahr 2017 gibt es die Ehe für alle. In der Nordkirche können sich homosexuelle Paare seit 2016 in einem Gottesdienst segnen lassen. Auf der Landessynode im September 2019 wurde aus der Segnung dann offiziell die Trauung.

Einer, der sich vehement dafür eingesetzt hat, ist Pastor Wilm. Es sei inkonsequent, hier unterschiedliche Begriffe zu gebrauchen, argumentierte Wilm 2019 als Vorsitzender des synodalen Vorbereitungsausschusses. Vielmehr gehe es um eine positive Grundhaltung gegenüber der Vielfalt von Familienbeziehungen und Partnerschaften, die man "als Segen und Reichtum Gottes" verstehen müsse, so Wilm damals.

Es gibt noch viel zu tun

Heute ist der St. Pauli-Pastor froh über das, was in den vergangenen Jahren in Deutschland und seiner Kirche erreicht wurde, auch wenn der Weg mitunter mühsam und zäh war. "Ich bin gemeinsam mit vielen anderen einer der Akteure gewesen, unsere Kirche zu liberalisieren. Letzen Endes haben wir ganz Vieles durchsetzen können", so Wilm, der auch Mitglied der Landessynode ist. Doch es gebe noch viel zu tun: "Es geht um die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der auf den Schulhöfen das Wort ‚Schwuchtel‘ und das Wort ‘Jude‘ noch die häufigsten Schimpfwörter sind, hat ein Problem. Da ist nicht alles in Ordnung".

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Blick auf das Pastorat (rot) und die Kirche vom Park Fiction aus gesehen.© Simone Viere

Sehnsuchtsort St. Pauli

Seit 2002 ist der 55-jährige Pastor an der St. Pauli-Kirche. Er lebt gemeinsam mit seinem Mann mitten im wohl buntesten Hamburger Stadtteil: "St. Pauli ist schon immer ein Sammelbecken gewesen von Menschen, die aus Lebenssituationen flüchten, die für sie unerträglich waren. Sie ziehen hierher, um freier leben zu können. Das ist hier ein Sehnsuchtsort ganz klassischer Art und Weise, schon seit Generationen".

Als Seelsorger seiner Gemeinde kümmert er sich um Menschen jeglicher Herkunft und Religion und setzt sich für Toleranz und Vielfalt ein. Ihm geht es um Anerkennung und Respekt: "Jeder und jede, die anders liebt und lebt, muss immer noch selber kämpfen. Eine Landessynode oder die Kirchenleitung kann das den Menschen nicht abnehmen. Das könnte nur eine heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft, die versteht, dass sie da Signale und Zeichen setzen muss. Warum müssen Minderheiten immer für sich selber kämpfen?“

Fahrraddemo zum CSD in Hamburg

Die Fahrraddemonstration zum Christopher Street Day (CSD) findet am 7. August statt. Bis zu 10.000 Teilnehmende dürfen unter Corona-Auflagen dabei sein. Der Demonstrationszug wird sich ab 11 Uhr rund um die Binnenalster aufstellen und nach einer kurzen Kundgebung gegen 12 Uhr starten. Das diesjährige Motto lautet passend zum Hamburger Pride-Jubiläum "40 + 1", "Keep on fighting. Together."

Die Demo-Route ist mehr als doppelt so lang wie 2020 und führt knapp 17 Kilometer über St. Pauli, die Landungsbrücken, die Speicherstadt, Teile der Innenstadt, Borgfelde, Hamm und Hohenfelde bis zum Steindamm in St. Georg. Weitere Infos auch zum Hygienekonzept finden Interessierte unter unter www.hamburg-pride.de/pride-week/demo. (epd)

Mit seinem Mann ist Wilm seit 1994 zusammen, seit 2002 lebt das Paar gemeinsam im Pfarrhaus neben der Kirche. Jahrelang wurde dies von Seiten der Kirche zwar geduldet, nur offiziell erlaubt war es nicht. "Das wurde erst 2016 im Gesetz geändert", erzählt Wilm. 

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Für Toleranz und Vielfalt im Viertel: Diese Friedenstaube ist an der Wand der St. Pauli-Kirche zu finden.© Simone Viere

Auch eine kirchliche Trauung blieb dem Paar verwehrt: "1998 haben wir uns hier in der St. Pauli-Kirche segnen lassen. Das geschah durch Berthold Höcker, heutiger Superintendent in Berlin. Der hat das mit einer Sondergenehmigung des Kirchenamtes gemacht. Aber die Auflage war, es dürfen keine Glocken läuten und es durfte kein Ja-Wort vor der Gemeinde geben, denn dann könnte es ja verwechselbar sein mit einer Trauung", erinnert sich Wilm. Man habe damals Angst gehabt vor einem Skandal. "Unsere Freunde und unsere Familie haben uns dennoch alle gratuliert zur Hochzeit.“

Auch in Europa leben Schwule und Lesben noch immer in Angst

Wo Menschen umeinander zwischen den Generationen Sorge tragen, da sei für ihn Familie, sagt der Seelsorger. Mit seinem Partner hat er im Pastorat mehreren Pflegekindern ein Zuhause gegeben. Und er blickt über den Tellerrand seines eigenen Viertels: "Wir sind in Deutschland sicher eine der freiesten Gesellschaften – in Europa und weltweit. Aber schon im Nachbarland Polen sieht es dann ganz anders aus. Und da leben viele Schwule, Lesben und transidente Menschen in Angst und Schrecken", sagt der Theologe.

Vielfalt in der Kirche - ein Grund zu feiern

Von seiner Kirche wünsche er sich, dass sie aktiv eine Rolle übernimmt und sich auch in ihren Partnergemeinden weltweit an die Seite von Schwulen, Lesben oder Transsexuellen  stellt. "Da ist Luft nach oben“, meint Wilm und ergänzt: "Ich wünsche mir, dass die Kirche den Reichtum der Vielfalt unter Gottes Regenbogen entdeckt. Da ist ein gemeinsamer Schatz zu heben, es ist ein Grund zu feiern. Dann wären wir gesellschaftlich ganz weit vorne und können Leuchtturm sein".

 

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