3. März 2019 | Christophoruskirche Altona

10 Jahre Kirche der Stille in Altona

03. März 2019 von Kirsten Fehrs

Titel der Rede: "Stille gibt Kraft"

Liebe Schwestern und Brüder,

eine Kirche des Wortes, das sind wir Protestanten. Sagen-haft! Gerade war dies zu erleben auf der Landessynode. Drei Tage lang sitzen da gut 200 Menschen zusammen und tun von früh bis spät nur eins: reden, reden und nochmal reden. Nicht umsonst wird die Synode gelegentlich auch als das Parlament der Kirche bezeichnet, und Parlament, parlare, da wird nun einmal geredet, und das ist auch gut so. Wie sonst sollte man regeln, was in der Kirche zu regeln ist? Und gerade im Vergleich mit manch weltlichem Parlament gelingt uns – fast immer – eine gute Debattenkultur: Man ringt achtsam mit Wörtern um Worte.

Aber natürlich kommt der Moment, da sehnt man sich nach Stille. Einfach einmal nur still. Allenfalls ein Psalmwort hören. Singen, summen, sich hingeben. Wieder ankommen bei Gott. Bei sich selbst. Stille – sie ist so wohltuend – weil nachschwingen kann, was einen zuvor innerlich bewegt hat. Und weil die Seele Zeit hat, hinterher zu reisen, hat sie doch entgegen aller Weltdynamik ihren eigenen Rhythmus – und der geruht Störung anzumelden, wenn das Herz ins Stolpern gerät. Herz und Seele – ein einziges analoges Programm.

So heilsam also das Schweigen und die Stille, so wenig üben wir sie erstaunlicherweise, auch in unseren Gottesdiensten. Im Alltag sowieso. Vielleicht weil alle auch das andere kennen? Das bedrückende, ja, mag sein sogar das vernichtende Schweigen, das Stillsein aus Verstummung, aus Scham oder Beziehungslosigkeit heraus? Das Schweigen am Frühstückstisch, weil jeder nur auf sein Handy blickt. Die Sprachlosigkeit zwischen langjährigen Ehepartnern. Oder gar das Schweigen Gottes, das manchen Menschen quält. All das ist lähmende, furchtbare Stille.

Was hingegen euch hier in der Kirche der Stille seit zehn Jahren trägt, das ist genau das andere. Es ist die andere Stille, die etwas frei setzt, inspiriert, die unsere Seele erreicht und stärkt. Im 1. Buch der Könige steht die biblische Geschichte dazu. Elia läuft um sein Leben, er wird verfolgt. Und er strauchelt, will zwischendurch nicht mehr aufstehen, doch sein Weg ist ja noch weit, und er kommt an den Berg Gottes, den Horeb. Dort, allein, in völliger Einsamkeit, erwartet er Gott. Auftritt: Gott. Man macht sich da ja so seine Vorstellungen. Weltenschöpfer, Herr der himmlischen Heerscharen, das mag ein Getöse sein. So geht es dann auch los: „Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben, aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer, aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus.“

Was für eine Geschichte: Elia kann hinausgehen und Richtung wie Leben ändern. Die Stille hat ihm Kraft gegeben. Denn Gott ist in der Stille. In einer genialen Übersetzung heißt es bei Buber-Rosenzweig: „eine Stimme verschwebenden Schweigens“. Überlegen Sie einen Moment, sich das vorzustellen: Gott als „eine Stimme verschwebenden Schweigens“.

STILLE

Mir geht nach, wie oft wir in der Gefahr stehen, das Äußere und Auffällige absolut zu setzen: Unsere großen Gotteshäuser. Unsere ehrwürdigen Traditionen. Unsere schönen Lieder – und auch unsere klugen Predigten. Eben all das Große und Laute und Mächtige. Es ist ein tiefer Sinn, Gott in der Stimme verschwebenden Schweigens zu denken. Dem nachzudenken. Und das heißt auch, dass wir selbst anhalten und still werden, um sie überhaupt wahrzunehmen.

Dorothee Sölle beschreibt die Kraft, die aus diesem Innehalten erwächst, als den entscheidenden Impuls von Weltverantwortung und Widerstand: „Es ist eine polemische Vereinfachung, wenn man den Weg nach innen als bloße Weltflucht deutet. […] Der biblische Gott […] steht für das Sich-fallen-Lassen und die Anspannung, für die geöffneten Hände und die geballte Faust. Die falsche Arbeitsteilung, die Betende und Kämpfende […] polarisiert, ist dann zu Ende, und wir werden den doppelten Gebrauch unserer Hände lernen.“

Deswegen ist ein Ort wie diese Kirche der Stille so wichtig. Um Hände zu falten und sie zu reichen. Sie ist eben kein Rückzugsort für esoterische Seelen, sie bedeutet nicht, sich angesichts der unerlösten Welt aus ihr zurückzuziehen. Im Gegenteil. Diese Kirche ist eine Kraftquelle für den Glauben und für die Gemeinschaft. Sie ist ein Ort, an dem wir auf die Stimme verschwebenden Schweigens hören, um selbst kraftvoll die Stimme für die zu erheben, die uns brauchen in dieser Welt. Jetzt.

Segen

Und so wünsche ich dieser Kirche und denen, die in ihr Dienst tun, Gottes Segen. Möge dieses Haus auch weiterhin ein Ort sein, an dem Menschen in die Stille eintauchen können – ein Ort der leisen Stärkung in der überlauten Metropole. Möge die Arbeit hier auch künftig das lebendige Zeichen einer Kirche sein, die in dieser Welt etwas zu sagen hat – friedensleis und gerade darum unerhört stark. Dazu segne euch Gott der Vater, der Sohn und die Heilige Geistkraft.
Amen.

Datum
03.03.2019
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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