Ökumenischer Festgottesdienst in der Hauptkirche St. Michaelis Hamburg

Tag der Deutschen Einheit - 3. Oktober 2023

03. Oktober 2023 von Kirsten Fehrs

Predigt – Teil I zu Ezechiel 47, 1-12

Liebe Einheitsfeier-Gemeinde,

haben Sie schon einmal die zwanzig Meter hohe Bordwand eines großen Containerschiffes erklommen? Auf einer schwankenden Strick- oder Himmelsleiter? Ich sage Ihnen, da kommt man mühelos ins Beten. So also mit Gottes und der Seemannsmission Hilfe schaffe ich es tatsächlich an Deck – und werde freundlich von der Mannschaft begrüßt. Ganze zwanzig Leute steuern dieses vierhundert Meter lange Schiff über die Weltmeere, viele Nationalitäten sind dabei. Philippinos, Russen und Ukrainer – alle in einem Boot. Die Vielfalt feiert Einheit. Hält Frieden und klaren Kurs. Sonst übersteht man die Fahrt nicht. Das muss man aber, damit weltweit die Menschheit mit dem versorgt wird, was sie braucht. Über neunzig Prozent gehen über See.

Wie ein riesiger Tanker mit Weltverantwortung – so kommt mir Deutschland oft vor. Mit unzähligen Rädern, die gedreht werden müssen. Mit wertvoller Fracht: Dem Leben von Menschen. Mit Fachkräften, die den Maschinenraum in Gang halten und mit Menschen auf der Brücke, die eben eines tun müssen: Übersicht behalten. Vertrauen gewinnen. Verbindungen schaffen. Brückenmenschen, die einem inneren Kompass folgen, der heißt: Mitmenschlichkeit. Etliche von ihnen sitzen gerade hier im schönen Michel – danke für all die Kraft, die Sie für unser Land einsetzen. An einem Tag wie heute will ich das ausdrücklich allen zurufen, auch Ihnen zu Hause: Danke Ihnen, die Sie Verantwortung übernehmen in diesen Zeiten, in der Politik ebenso wie im Pflegeheim. Ist ja wahrlich nicht immer leicht. Mag sein, weil sich´s derzeit so anfühlt, als wäre restlos alles im Fluss? So unsicher. Zerbrochen sind die alten Gewissheiten, ein Krieg in Europa verstört nachhaltig die friedliebenden Demokraten und Demokratinnen, das Klima ringt nach Luft, die Jungen protestieren.

„Menschenskinder, habt ihr das nicht gesehen?“, fragt der Prophet Ezechiel seine Landsleute, die deprimiert im Exil der verlorenen Vergangenheit nachtrauern. Voller Sehnsucht nach neuem Ziel und Sinn. „Kopf hoch“, sagt er, „schaut euch um, seht ihr nicht die Quelle der Kraft? Dass Gottes Zukunft euch geradezu entgegen strömt? Nicht nur ein Bächlein, nein, ein kapitaler Strom voller Hoffnungsmut, so stark, dass er die Mauer durchbricht und das Land erblühen lässt. Hast du das nicht gesehen, Menschenskind? Was da alles wächst, zusammenwächst?“

Wir gedenken heute der Deutschen Einheit. Ein Wunder, nach wie vor, finde ich. Wissend, dass sie manches abverlangt hat. So vieles aber ist daraus auch entstanden! Dankenswertes. Und weiterhin Schützenswertes. Als wir 2012 als evangelische Nordlichter mit der Mecklenburgischen und Pommerschen Kirche zusammengingen, da feierte die Vielfalt Einheit. „Großer Gott, wir loben dich“, haben wir mit Inbrunst gesungen. Und, liebe Geschwister, was uns vor allem zusammengebracht – und letztlich gehalten hat – war, dass wir einander an Bord der Gedanken genommen haben. Geschichten geteilt haben von Chancenglück und nicht Studieren-Dürfen. Von Meinungsfreiheit, überhaupt der Freiheit! Von Friedenssehnsucht und dem buchstäblich bewegenden Bekenntnis „Schwerter zu Pflugscharen“. Und wie dann nach der friedlichen Revolution alles im Fluss war. Unsere Elbe war auf einmal nicht mehr die todbringende Trennungslinie, sondern der Verbindungsstrom. Wer hätte das gedacht, dass eine Utopie Wahrheit werden würde, so wie die vom Propheten Ezechiel. Der bis heute nicht aufhört zu träumen, wie Mauern vor dem Strom des Lebens weichen und wie die Menschen frei und aufrecht aus dem Exil der Angst heimkommen.

Wir brauchen solche Hoffnungsbilder, den mutigen Blick nach vorne, die offenen Horizonte. Denn beim ständigen Blick nach hinten verstolpern wir die Zukunft, die vor uns liegt. Unser Land ist ein anderes geworden. Bunter und vielfältiger, aber auch älter und ängstlicher. Der Ton ist rauer, die Menschen empfindlicher. Gerade deswegen brauchen wir gemeinsame Bilder und Erzählungen, eine gemeinsame Sprache, die uns verbindet. Und das, liebe Geschwister, geht nicht ohne Vertrauen in die guten Kräfte und guten Absichten der jeweils anderen. Damit wir wieder gemeinsam in Fahrt kommen mit dem Dickschiff Deutschland.

Wir hier in Hamburg am Hafen mit unseren unzähligen Brücken direkt am Strom der Zeit, wir sind stolz darauf, wenn Kultur und Kulturen, Handwerk und Handel, wenn Menschen aller Couleur und Religion sich die Hand reichen. So lasst uns zusammenhalten, was derzeit in Politik und Gesellschaft auseinanderdriftet. Das ist Aufgabe von uns allen – ob religiös oder nicht religiös, Ost und West, wir alle, die wir im langjährig bewährten Interreligiösen Forum Hamburg unterwegs sind und in politischen Parteien, Klimaforen, Sportvereinen und in der Flüchtlingshilfe, die immer wichtiger wird in diesen Tagen! Gemeinsam nur bringen wir den Tanker durch das Meer der Zeiten, auf dem Strom des Lebens, das Gott für uns will. Wie auch seinen Frieden, höher als alle Vernunft. Menschenskinder – bleibt behütet. Und bleibt sehnsüchtig.
Amen.

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