Evangelische Zeitung

TV-Pastorin Nora Steen: Klosterbesuche alles andere als "Erholung pur"

Die evangelische Pastorin Nora Steen mit Schwester Reinhild von Bibra (links) im Kreuzgang des Klosters Wülfinghausen.
Die evangelische Pastorin Nora Steen mit Schwester Reinhild von Bibra (links) im Kreuzgang des Klosters Wülfinghausen. © epd-Bild, Jens Schulze

17. Juni 2013 von Simone Viere

Schenkt der Glaube uns Erholung? Ich bin kritisch: Als wäre Glaube ein Wellness-Trick und als ob Gott sich nur "Couch-Potatoes" wünscht, die sich der eigenen Seelen-Pflege hingeben! In meinem beruflichen Alltag erlebe ich genau das Gegenteil: Bei uns im Kloster Wülfinghausen ist täglich spürbar, wie anstrengend und herausfordernd ein bewusstes Leben mit Gott sein kann. Denn so schön eine klösterliche Atmosphäre der Stille auch ist, so intensiv geht es innerlich zur Sache, wenn man alle äußeren Kontakte für eine Weile ruhen lässt. Verdrängtes und tief in der Seele Vergrabenes bricht sich Bahn und will an die Oberfläche kommen, wenn es still um mich wird.

Eine Frau, die zum ersten Mal für einige Tage bei uns im Kloster war, sagte mir danach, wie erschöpft sie davon sei – obwohl sie ja eigentlich gar nichts gemacht habe: Nur dreimal täglich beten, essen und ein bisschen Gartenarbeit. Und dennoch habe sie die erstaunliche Erkenntnis machen dürfen, erholter zu sein als vorher. Kaputt und erholt zugleich?

"Wer glaubt, arbeitet hart und kann sich dennoch besser erholen". Mit dieser These könnte ich mich anfreunden. Denn sie sagt etwas  aus über die Qualität der Erholung, die der Glaube mir schenken kann. Wenn ich mich Gott ganz bewusst öffne, ihm meine Seele hinhalte, dann handelt es sich dabei um ein Geschehen, das unverfügbar ist. Glaube kann ein Abenteuer sein, das mich auf neue Wege mit mir selbst führt. Oft führt es mich auch an die dunklen und wunden Punkte meines Lebens, die im Angesicht Gottes Heilung erfahren können. Das Fundament dieses Abenteuers ist Gottes Zusage: "Ich sehe dich liebend an – so, wie du bist; und nicht so, wie du dich selbst haben willst."

Öffnung des Herzens - Erholung von mir selbst

Gott befreit mich von dem ständigen Zwang, mich selbst rechtfertigen zu müssen. Er schenkt mir die Gewissheit, dass ich getragen und gehalten bin – so, wie ich eben bin. Mit allem Bruchstückhaften und allen Dunkelheiten. Indem ich mich ganz und gar auf Gott verlasse, kann ich mich also in gewisser Weise von mir selbst erholen.

Unsere Seele ist im Alltag so verbarrikadiert, dass wir erst eine Weile brauchen, bis wir uns Gott wirklich mit Leib und Seele öffnen können. Diese Öffnung des Herzens gelingt nicht auf Knopfdruck. Wir können uns nur immer wieder Gott hinhalten und ihn bitten, in uns wirksam zu werden. Diese Passivität auszuhalten, ist anstrengend. Wenn wir uns aber wirklich auf einen Frei-Raum für Gott einlassen – und dafür muss man nicht notwendigerweise ins Kloster gehen – und die Schutzmauer um unsere Seele ein wenig durchlässig wird, dann ist das, was Gott uns schenkt, pure Erholung.

Weil Gott uns durch seine bedingungslose Liebe dazu befreit, uns selbst so anzunehmen, wie wir sind. 

-Nora Steen leitet das „Haus der Stille“ im Kloster Wülfinghausen. Die Pastorin ist Sprecherin beim "Wort zum Sonntag".

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