5. Juni 2021 | Hauptkirche St. Michaelis, Hamburg

Vorstellungsrede zur Wiederwahl

05. Juni 2021 von Kirsten Fehrs

10. Tagung der 2. Landessynode

Liebes Präsidium, hohe Synode,

„Haben Sie heute schon gesündigt?“, fragt Eckart von Hirschhausen mich gleich als erstes im Interview für seinen Dokumentarfilm über die sieben Todsünden. Gute Güte, denke ich. Es ist gerade mal neun Uhr morgens – und außer Laufen und Kaffeetrinken habe ich noch nichts angestellt. Ich glaube nicht, antworte ich, aber was nicht ist, kann noch werden.

Pecca fortiter – sündige tapfer. Luther ermunterte damit einst den stets zaudernden Melanchthon, der aus Angst, etwas falsch zu machen und sich „zu versündigen“, immer hin und her schwankte und dann oft gar keine Entscheidungen traf. Das nun geht im bischöflichen Amt nicht, habe ich über die vergangenen Jahre festgestellt. Ich muss entscheiden, mich entscheiden können, wenn ich mitgestalten will. Und das heißt tatsächlich oft, zu springen – mit meinem Gott über Mauern, aber eben potentiell auch in Unwägbarkeiten. Entscheiden, das heißt dabei: genau hinschauen, abwägen und differenzieren, natürlich mit anderen gemeinsam klären und sich erklären, Position beziehen und die unter Umständen bei besseren Argumenten auch wieder verlassen. Es bedeutet, Fehler zuzugestehen, Kritik zu erfahren und sie auch auszuhalten, und es bedeutet, die Hand zu reichen, wenn man jemanden verletzt hat. Das passiert, auch wenn ich es natürlich nicht will. Kurz: Entscheidungen erfordern dauernde Kommunikation. Mit allen und jeder und immer. Das ist die entscheidende Arbeit! Ein Bischofsamt ohne ständigen Dialog, aber auch der Dialog ohne den Mut zur Position kann nicht funktionieren.

Dabei lebt gelingender Dialog von Freiheit, vom freien Austausch der Gedanken. Er lebt von Suchbewegungen, von Zuneigung und Protest und von der Lust am Unterschied. Er hält aus, dass ihm nicht gleich ein konkretes Ziel oder Projekt entspringen muss. Und er hat zugleich einen tiefen inneren Sinn, nämlich jeder Ausweglosigkeit die Stirn zu bieten. Im Dialog findet sich immer etwas an pfingstlerischem Geist, der aufbrechen hilft und pflanzen und lieben.

In den vergangenen neuneinhalb Jahren meines Dienstes durfte ich so mit unzähligen Weggefährt:innen gemeinsam Kirche bauen und mitgestalten – und es hat mir große Freude gemacht. Ich bin von Herzen gern Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck und in dieser besonderen, immer noch zusammenwachsenden Nordkirche. Ich liebe diese meine Kirche mit ihrer geradezu genetisch verankerten Partizipationskultur (nun gut, jedenfalls meistens); und mein Herz hat viel gelernt in den Gesprächen zwischen Ost und West. Ich liebe es, mit den unterschiedlichsten Menschen gemeinsam Gottesdienst zu feiern, zu predigen, nachzudenken. Mit den Jugendlichen auf der Klimasynode zu diskutieren und diesen tiefen Ernst und deren Fachkundigkeit in Sachen Klima zu bestaunen.

Es ist mir eine Ehre, als nationale Stimme der Seeleute mit dem Lotsenchor und den Lübecker Möwenschietern Shantys zu singen und es beeindruckt mich tief, was die Seeleute auf den riesigen Containerschiffen für unsere Weltwirtschaft leisten. Im Michel bin ich gern und im Dom zu Lübeck natürlich auch, und in den Theatern der Städte. In Ratzeburg bewundere ich die kirchliche Familien- und Migrationsarbeit. Überhaupt: Das Engagement für Integration und gegen Rechtsextremismus in Lübeck und im Herzogtum Lauenburg rührt mein Herz ebenso wie die Familien, die aus Moria geflüchtet nun im Asylbewerberheim der Diakonie mit offenen Armen empfangen werden. Fasziniert bin ich, wie auch viele der Lampedusa-Flüchtlinge es dank herzhafter St.-Pauli-Nächstenliebe seit 2013 geschafft haben, in diesem Land anzukommen. Es ist mir nicht nur deshalb ein Herzensanliegen, vielerorts für Seenotrettung, auch im Mittelmeer, einzustehen.

Und es war mir eine Ehre auf Bitten von Bürgerschaftsabgeordneten nach dem Anschlag in Hanau 2020 auf dem Hamburger Rathausmarkt Klartext zu reden. Genauso übrigens wie in Lübeck Palmarum 2012 bei der Anti-Neonazi-Kundgebung am Ziegelteller.

Ich empfinde es als Selbstverständlichkeit, auch mit der Würde des Bischofsamtes Verantwortung für Zusammenhalt, Frieden und Demokratie in diesem Land zu übernehmen. Zutiefst geprägt von der pommerschen Frömmigkeit meiner Mutter, aber auch von ihrer Fluchtgeschichte. Aus ihren Erzählungen trage ich dieses Bild in mir, wie meine Mutter im Mai 1945 in Uetersen am Ende der Flucht um die Friedenseiche tanzt, mit Winterstiefeln und dickem Mantel bei 30 Grad im Schatten. Dass ich mit Gottvertrauen mitten ins Leben gestellt bin und Krisen bewältigen kann, das hat sie mir mitgegeben. Mit einer tiefen inneren Zuversicht, die den Widrigkeiten trotzt, und mit inniger Tatkraft. Dermaßen geprägt ist von Kind an in mir verankert, dass Christsein immer heißt: in dieser Welt sein. Nicht jenseitig oder abseitig in Sprache, Kultur, Haltung, sondern diesseitig, nah, direkt, konkret interessiert, ehrlich.

Und da gibt es auch in Zukunft noch jede Menge zu tun und zu lernen, kurz: Ich kann mir dieses Amt für weitere acht Jahre vorstellen und würde mich freuen, wenn Sie mir Ihr Vertrauen schenken. Ich habe noch genug Neugier und Kraft und Kondition, und – pecca fortiter – sehe viele Gestaltungsmöglichkeiten, die in den künftigen Entscheidungsprozessen liegen. Vor allem, wenn dies weiter in so vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Euch und Ihnen geschieht, die auf allen Ebenen unserer Kirche mit Verantwortung tragen. Danke dafür – meinen Bischofs- und Propstgeschwistern, dem Präsidenten und den Kolleg:innen im Landeskirchenamt, der Synode samt Präsidium und Team, danke an KDA, Akademie, Jugendpfarramt, PTI und überhaupt an die Hauptbereiche, Dank der ökumenischen Gemeinschaft mit dem Arbeitskreis christlicher Kirchen und ganz besonders danke ich meinem Team in der Bischofskanzlei – ohne Sie alle hätte ich so vieles an Ideen niemals umsetzen können!

Wenn ich hiermit nun reflektiere, was war, spornt mich das auch an zu schauen, was kommt und was ich persönlich für die Zukunft einbringen kann. Denn, mit der Offenbarung gesprochen: „Das Alte ist vergangen … Siehe, ich mache alles neu.“ spricht Gott. An jedem Tag, in jedem Bischofsjahr, mit jedem Lernprozess – der Wandel ist die Konstante. Und gerade in den vergangenen Monaten sind mir diese letzten Verse unserer Bibel Ermutigung und bisweilen auch Trost gewesen. Gott sorgt für mich und uns und alle Welt. Neues entsteht, Altes vergeht. Und manchmal dauert es und bedarf einer Menge an Veränderung, auch schmerzhafter Aufarbeitung. An fünf Themenfeldern bzw. Zielsetzungen möchte ich fokussiert darstellen, wie ich mir das vorstelle: vom Alten zum Neuen kommen können, in gemeinsamem Engagement, unter Gottes Segen.

Und ich schaue an den Anfang meiner Amtszeit im November 2011. Sie begann nach 16 Monaten bischöflicher Vakanz erst einmal mit viel Verunsicherung. Dies im Sprengel Hamburg und Lübeck auch deshalb, weil der sich nach den Kirchenkreisfusionen 2009 just neu formiert hatte; nicht sieben Kirchenkreise waren es mehr, sondern zwei in Hamburg und neu dazu der – ebenfalls gerade gegründete – Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg. Die besonderen Metropolthemen galt es ebenso wie die der ländlichen Region in die entstehende Nordkirche einzutragen. Dann stand an, in die HafenCity umzuziehen, den Kirchentag vorzubereiten usw. Vor allem aber lag der überregional bekannte „Missbrauchsskandal in Ahrensburg“ wie Mehltau auf der damaligen noch Nordelbischen Kirche, also die jahrzehntelange sexualisierte Gewalt und der Machtmissbrauch durch zwei Pastoren, unter denen Dutzende von Jugendlichen in der Kirchengemeinde gelitten haben. Wie das Ganze bewältigen, aufarbeiten, ja, überhaupt im Blick auf die Opfer traumasensibel angehen?

Selbstverständlich hatte dieses Thema für mich Vorrang. Ich versuchte von Anfang an mit den betroffenen Menschen, die solch menschenverachtende Gewalt erlitten hatten, ins Gespräch zu kommen. Es war und ist notwendig, sich diesem Gespräch als Kirche zu stellen. Als eine Kirche, die ihre Schuld erkennen und anerkennen muss. Als Kirche, die Opfern und betroffenen Menschen mit Feingefühl und Respekt begegnen will, weil sie etwas verstanden hat von verletzter Seele und angetasteter Würde. Und weil sie um die Konflikte in der Aufarbeitung und Grenzen von Wiedergutmachung weiß, aber trotzdem ihr Möglichstes tut, um Leiden zu lindern.

Diese zehn Jahre der Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt haben mich verändert – in meiner Sprache, in meinem Denken, in meiner Theologie. Die Rede von der Versöhnung, von Gnade und Rechtfertigung, von Schuld – sie bekommt doch deutlich feinere Töne, wenn Menschen in der Kirche selbst es sind, die solch tiefes Leid verursacht oder zumindest nicht aktiv verhindert haben.

Die klare Einsicht aus diesen Gesprächen mit Betroffenen nicht nur bei mir, sondern in der gesamten Kirchenleitung war 2012: Niemals kann es funktionieren, aus der Institution selbst heraus zu begreifen, wie sich Tätersysteme etablieren, wie Kinder und Erwachsene manipuliert und Grenzen missachtet werden. Es braucht den Blick von außen, den der Wissenschaft ebenso wie den der betroffenen Menschen. Und so ist mit der 2012 initiierten Aufarbeitung in Ahrensburg letztlich auch viel Gutes entstanden: Ein fast flächendeckendes System der Präventionsarbeit konnte aufgebaut werden, vor allem mit dem Ziel, Schutzkonzepte zu erarbeiten. In unserer Nordkirche wurde ein Präventionsgesetz verabschiedet, das erste in Deutschland. Mit ihm ist nun verbindlich geregelt, dass und wie Intervention und Aufarbeitung erfolgen muss, wenn etwas passiert ist. Die 2012 gegründete Unterstützungsleistungskommission wurde verstetigt, in der wir bislang über 60betroffene Menschen gehört und begleitet haben und mit finanziellen Mitteln, aber auch immateriell haben unterstützen können.

Summa: Aufarbeitung ist nicht möglich ohne Betroffenenbeteiligung. Das ist so und bleibt so, auch wenn man angesichts von aktuellen Rückschlägen immer wieder neu suchen muss, wie es gut und besser gehen kann. Es ist meine tiefe Überzeugung: dran bleiben am Thema. Es gehört vorn auf unsere Agenda, liebe Synodale, es geht um nichts Geringeres als unser Kirchenverständnis. Eine Kirche, die als Vertrauensraum per se alles dafür zu tun hat, um die Integrität und Würde eines jeden Menschen zu schützen!

Ich danke allen, auch Ihnen, liebe Synodale, dass wir gemeinsam und mit so klarer Überzeugung diesen Weg gegangen sind und weiter gehen! Den Vertrauensraum Kirche stärken oder auch wiederherstellen – das ist für mich das erste und oberste Themenfeld und Zielsetzung 1.

Wie das gelingen soll? Ich bin überzeugt – und damit komme ich zu Zielsetzung 2 – nur indem wir uns von den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen als Kirche herausfordern lassen. Buchstäblich heraus aus dem Alten, das Neue scheint ja schon auf. Zuversicht und Hoffnung liegt darin. Sie zu leben und von ihr zu zeugen ist unsere Botschaft und unser Auftrag.

Mit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat sich die gesellschaftliche und kirchliche Lage in Deutschland, Europa und der Welt fundamental verändert. Die Frage steht im Raum: Wer und was trägt auch in Zukunft? Was brauchen die Menschen von uns? Wie gestalten wir Glauben, Gemeinde, Kirche in, mit und für die Gesellschaft? Diese inhaltlichen Fragen müssen im nordkirchlichen Zukunftsprozess intensiv aufgenommen werden – und hier weiß ich uns als Bischöfinnen und Bischöfe vereint in der Verantwortung, theologische und inhaltliche Akzente zu setzen.

Es wird eben entscheidend darum gehen, dass die Nordkirche sich in diesem notwendigen Strukturprozess nicht in sich selbst zurückzieht, sondern weiterhin die Entwicklungen in der Gesellschaft beobachtet, begleitet, beeinflusst. Es geht um politische Wachheit und geistlichen Tiefgang zugleich. Und um einen mutigen Neustart in einer sozialen Welt, die sich – nicht zuletzt mit Corona – immer weiter polarisiert. Themen sind daher der gesellschaftliche Zusammenhalt, die interkulturelle Öffnung und der interreligiöse Dialog – alles eben, was die Bildung von Parallelgesellschaften verhindern kann. Es gehört doch genuin zum Auftrag von Kirche, Demokratie mit all ihren Aushandlungsprozessen zu stärken und verantwortlich mitzuwirken.

Dabei ist deutlich zu machen: Wir sind nicht Politikerinnen, sondern positionieren uns aus unserem Glauben heraus. So ist für mich schlechterdings nicht verhandelbar, dass wir Geflüchteten Schutz bieten und Asyl. Und es ist keine Frage, dass die Muttersprache der Kirche die Seelsorge ist. In der Pandemie ist uns das doch noch einmal eindrücklich vor Augen geführt worden. Seelsorge als Zuwendung zu den einzelnen hat dabei auch eine öffentliche Dimension. Die gehört unbedingt dazu, wenn es darum geht, Zusammenhalt zu fördern. Öffentliche Seelsorge nämlich versteht, was trennt. Sie versteht, wie mit zunehmender Verunsicherung der Gewissheiten existentielle Fragen aufgerufen und zu verarbeiten sind. Das zeigt etwa die so wichtige Debatte um den assistierten Suizid. Viele Menschen haben eine Sterbensangst – und Lebensangst. Einsamkeit ist ein großes Thema, auch – zunehmend jetzt – materielle Not. Wie können wir hier Kirche für andere sein? Seelsorge leisten in Krankenhaus, im Hospiz, am Telefon und digital? Wie Trauer-Oasen eröffnen und Seelenlast mindern helfen? Und das bei sich vermindernden Ressourcen.

Für mich geht es in dieser krisenhaften Zeit um unsere pfingstliche Existenz. Um Mut zum Aufbruch, auch alter Strukturen. Gottes Geist weht – und er wird neu machen das Gesicht der Erde. Gottes Geist, der tröstet, lehrt, Glauben weckt, Gemeinde sammelt, der das Gewissen schärft. 2021 mit seinem tröstlichen Geist. 2022 mit seinem lehrenden Geist. Im 10. Jahr der Nordkirche werden wir aus der Pandemie vieles gelernt und mitgenommen haben. 2023 – Schöpfergeist, der Neues schafft – auch mit neuen Kirchengemeinderäten.

Aufbruch zu neuen Ufern – ich komme zu Zielsetzung 3 – sehe ich vor allem in der gegenseitigen Wahrnehmung und Stärkung von Kirche und Diakonie. Wenn es in Zukunft noch um eine flächendeckende Präsenz von evangelischer Kirche gehen soll, dann ist das nicht allein die Kirche im Dorf, sondern auch die Pflegeeinrichtung der Diakonie nebenan. Die diakonische Wesensäußerung von Kirche in den Gemeinden wieder mehr zu entdecken und zu integrieren und umgekehrt diakonische Einrichtungen in Kontakt zu bringen mit verfasster Kirche, das würde ich als Bischöfin gern weiter aktiv voranbringen. Die ganz bewussten Verbindungen, die ich seit 2012 schon zum Aufsichtsrat des Diakonischen Werkes Hamburg und der Evangelischen Stiftung Alsterdorf geknüpft habe, mögen da weiterhin hilfreich sein.

So habe ich mein Bischofsamt als geistlich leitendes Amt immer verstanden als Integrationsaufgabe, als Amt zur Stärkung der Einheit der Kirche. Gerade auch in dieser ja vergleichsweise jungen Nordkirche. Heißt: Es geht darum, mit jedem Einzelthema immer das Ganze im Blick zu behalten – und die sehr diverse Nordkirche gerade auch mit ihren ländlichen Strukturen einzutragen in die Metropolregion Hamburg und Lübeck. Dabei ist kirchenpolitisch unabdingbar, ich erwähnte es eingangs, Austausch, Vernetzung und Kommunikation klar zu organisieren.

Deshalb – Zielsetzung 4 – sind mir die Dialogforen, die bis dato schon entstanden sind, so wichtig fortzuführen. Etwa mit den jungen Menschen. Während der Pandemie haben sie doch besonders gerungen, gehört zu werden. Also: Wie tatsächlich Partizipation so organisieren, dass sie mit ihren Themen stärker zur Geltung kommen, in Kirche und Politik?

Dann der Dialog mit der Kultur. Was wären wir im Reformationsjubiläumsjahr ohne all die Kulturschaffenden gewesen, die uns in ihre Theater, Museen, Konzerte, Ausstellungen eingeladen haben? Kreativ, geistreich, herausfordernd. Ich möchte sie weiterführen, diese Dialoge, und mit den unterschiedlichsten Menschen, die sich so nie begegnen würden, Tischgemeinschaften bilden. Etwa beim Kirche-Wirtschaft-Dialog, bei dem Wirtschaftsleute, Gewerkschaftler, Politikerinnen, Geflüchtete, Diakoniker, Pröpstinnen, Young professionals und Handelskammer sich das Brot teilen. Und manche Ansicht. Über die Jahre ist ein weit verzweigtes Netzwerk der Willigen entstanden. Und es hat sich dabei in der Pandemie gezeigt, dass die Beziehungen, auch die ganz persönlichen Freundschaften, in der Krise tragen – einfach indem man mit Vertrauen einander an Bord der eigenen Gedanken holt, Nöte teilt und Entwicklungen reflektiert.

Zielsetzung 5: den lange gewachsenen interreligiösen Dialog weiter festigen, gerade jetzt in international aufgeheizter Situation. Als Vorsitzende des Interreligiösen Forums bin ich sehr dankbar dafür, dass uns hier in Hamburg eine lange Tradition trägt. Einmal eingeübt durch den interreligiös konzipierten Religionsunterricht für alle, singulär seit Mitte der Achtzigerjahre und ich denke, zukunftsweisend für Metropolregionen. Seine Weiterentwicklung voranzubringen ist ein gemeinsames Ziel des Forums. Aber auch unsere tatsächlich interreligiöse Reise nach Jerusalem im Advent 2019 war unerhört verbindend. Wir sind eine Weggemeinschaft von Freundinnen und Freunden geworden. Klar sind wir unterschiedlich. Wir glauben unterschiedlich, wir verstehen auch nicht immer alles voneinander und erleben die Spannungen ja selbst, die anderswo auf der Welt Menschen verschiedenen Glaubens auseinandertreiben. Doch das eint uns: Unsere gemeinsame Verantwortung für den Frieden und das Zusammenleben in dieser Stadt.

Und so war es für uns gar keine Frage, vergangene Woche ein öffentliches Friedensgebet an der Alster zu organisieren. Angesichts der Eskalationen jüngst in Israel/Palästina und der erschreckenden Bilder vor Synagogen und jüdischen Einrichtungen hier in Deutschland. Vereint gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Für einen Frieden, der mehr meint als Waffenruhe – das muss die Botschaft sein in dieser Zeit.

In all den fünf Themenfeldern und Zielsetzungen besteht die besondere Wirkkraft des Bischofsamtes eben darin, in Gemeinschaft mit anderen Zeichen zu setzen. Und dies dann auch durch meine persönliche Präsenz und klare Rede. Das gute Wort einlegen, mit Entschiedenheit. Wenn ich etwa beim Eröffnungsgottesdienst des Kirchentages 2013 am wirklich noch sandigen Sandtorkai die Predigt in Leichter Sprache halte, dann ist das ein eindeutiges Statement für eine inklusive Gesellschaft. Und es ist eine klare Haltung, sich am Welt-AIDS-Tag gemeinsam mit der AIDS-Seelsorge auf den Candle-Light-Walk zu begeben oder mit dem Weißen Ring jedes Jahr den Gedenkgottesdienst am Tag der Kriminalitätsopfer zu begehen. Präsenz der Bischöfin bedeutet für die Menschen dabei ganz oft, gesehen zu werden und vor allem dies: im eigenen Engagement gewürdigt.

Würdigung als Leitungsprinzip – das war von Anfang an mein Credo. Und so habe ich in den vergangenen Jahren vor allem visitiert durch einzelne Besuche im Sprengel, in Konventen und Einrichtungen, Senatssälen und Jugendzentren. Großartige, engagierte Menschen habe ich so auch bei meinen jüngsten Seelsorgebesuchen erleben dürfen, als es mir darum ging herauszufinden, wie es eigentlich in der Pandemie all den Ehren- und Hauptamtlichen ergangen ist, die in Kitas, Schulen, Pflegeheimen, Behinderteneinrichtungen buchstäblich ihre Haut zu Markt tragen. Basis berät Bischöfin, die ja „ganz normal“ Pastorin und Seelsorgerin ist und bleibt – und ehrlich, es kann einen nur klüger machen. Und hoffnungsmutig.

Dazu meine Schlussimpression: Bei einem der Besuche komme ich in das Altenheim des Diakonievereins. Ich stelle mich auf traurige Geschichten ein und auf von der Pflege oder der eigenen Demenz erschöpfte Menschen. Mitnichten. Auf der Dachterrasse tobt das Leben. Alle sind zum zweiten Mal geimpft, haben brav 14 Tage und nochmal 14 Tage gewartet und nun aber! Ich sage Ihnen: wie das himmlische Jerusalem. „Das Alte ist vergangen … Siehe, ich mache alles neu.“ spricht Gott.

Und siehe, fröhliche Gesichter an kleinen Kaffeetafeln – mit Abstand natürlich. Mütter, die ihren Töchtern selig über die Wangen streicheln, Ehepaare, die einander wieder an Händen halten können. Ich habe so viel Glück gesehen! Ehrenamtliche backen Waffeln, heute darf‘s auch mit Sahne und Kirschsauce sein. Der 80-jährige Heimbeiratsvorsitzende fährt mit seinem Rollstuhl rasant auf mich zu, stellt sich vor, er sei Carl und vor allem wegen seiner Schönheit zum Vorsitzenden gewählt. Und ob ich nicht ein paar Worte sagen wollte, wo ich doch nun schon mal hier bin. Schwer ermuntert nehme ich das Mikro und lege los. Und während ich jenen danke und solchen, dem Pflegepersonal und den Angehörigen und wer weiß wem alles, als ich noch die neue Hoffnung ausmale und zum Segen aushole … da sagt eine alte Dame, vor sich die dampfende Waffel mit Sahne und Kirschsauce, mit verzweifeltem Tremolo: „Sagt mal, kann die Frau da nicht mal aufhören zu reden?“

Die Frau kann.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

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