8. Januar 2014 - Salem

8. Januar 2014 - Mitarbeitendentagung (MAT)

08. Januar 2014 von Andreas von Maltzahn

Bibelarbeit "Wie geht´s? - Achtsam leben und arbeiten" Biblische Perspektiven

Annäherung

Liebe Schwestern und Brüder, ich freue mich, heute mit Ihnen über dieses Thema nachzudenken, auch wenn ich gestehe, dass ich mit der Themenstellung eine doppelte Schwierigkeit verbinde. Die erste will ich mit einem zen-buddhistischen Gleichnis bebildern:
 
Von einem Zen-Meister wird erzählt, wie er einen Professor empfing, der bei ihm einiges über Zen erfahren wollte. Er goss seinem Gast Tee in eine Schale und goss immer weiter, auch als die Schale bereits überlief. Der Professor sah es und konnte schließlich nicht mehr an sich halten: „Die Schale läuft über! Sie können nicht noch mehr hineingießen.“ Der Meister antwortete: „Wie diese Teeschale, so sind Sie randvoll mit Ihren eigenen Ansichten und Spekulationen. Wie soll ich Ihnen Zen beibringen, wenn Sie nicht erst einmal Ihre Schale leeren?“ 
Sind nicht auch wir zu ‚voll‘ – für die Achtsamkeit, von der wir zu Recht für unser Leben und Arbeiten so viel erwarten? Sind nicht auch wir voller Einsichten, Erfahrungen, Beunruhigungen, voller biblischen Wissens, so dass eine Begegnung mit der Schrift, die das Zeug hätte, etwas in uns zu verändern, kaum mehr möglich ist?  
Zugleich aber liegt hier ja eine Teilantwort: Leer-werden, das Offen-werden ist ein wichtiger Schritt hin zu der Achtsamkeit, die uns in guter Weise leben und arbeiten lässt. Und – es ist Teil eines Weges, der regelmäßiger Übung bedarf.

Zweite Schwierigkeit: Ist das Thema überhaupt ein biblisches?
‚Achtsam arbeiten‘? Wenn in der Bibel von Arbeit die Rede ist, dann in einem ganz handfesten Sinn: Man arbeitete, um sich und seine Familie durchzubringen. Man arbeitete, um zu leben (freilich nicht umgekehrt: Man lebte nicht, um zu arbeiten! [Sabbatruhe]). Heutige Fragestellungen wie die nach der Sinnhaftigkeit und Erfülltheit von Arbeit, dem Ausbrennen und wie man es verhindern kann, tragen wir von außen an die Schrift heran.
Schon eher ist es ein genuin biblisches Thema, wie es gelingen kann, achtsam zu leben. „Seht die Lilien auf dem Felde“, sagt Jesus in der Bergpredigt und fordert Achtsamkeit für eine gottgeborene Sorglosigkeit, wie sie uns in der Schöpfung begegnet – wenn wir Augen haben, sie zu sehen. Immer wieder begegnet es uns in den biblischen Büchern: „Siehe!“ Das heißt doch: „Nimm wahr! Hab Acht auf das, was dich umgibt, was dir begegnet!“

So will ich mich gern der Aufgabe stellen, eine Bibelarbeit zum Thema der MAT zu halten. Allerdings wird es nicht den einen Text geben, den ich mit Euch meditiere, sondern verschiedene biblische Perspektiven.

Alle Aufmerksamkeit den Wurzeln!

Was leitet uns in unserem Tun? In der Organisationsentwicklung wird heutzutage ein zielorientiertes Handeln großgeschrieben. Das meint kurzgesagt: Zuerst muss ich die Ziele, die ich erreichen möchte, hinreichend klären. Dann kann ich entscheiden, welche Schritte gegangen werden sollen, um diese Ziele zu erreichen.

Ein zielorientiertes Vorgehen ist auch in Kirche und Gemeinde wichtig, damit Gaben und finanzielle Mittel sinnvoll eingesetzt werden. Dennoch bin ich überzeugt: Wir müssen eine andere Perspektive wieder stärker für uns entdecken – in unserem Arbeiten wie in unserem persönlichen Leben. Ich meine das Achten auf die Wurzeln. Sind die Wurzeln gut, kann der Baum gute Früchte tragen. Haben die Wurzeln keinen Halt, finden sie nicht ausreichend Nährstoffe, dann wird es auch keine guten Früchte geben.

Simone Weil, eine der Frauen des letzten Jahrhunderts, die mich sehr beindruckt haben, hat einmal gesagt:

„Die Entwurzelung ist bei weitem die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft.

Wer entwurzelt ist, entwurzelt.
Wer verwurzelt ist, entwurzelt nicht.

Die Verwurzelung ist vielleicht das wichtigste und meistverkannte Bedürfnis der menschlichen Seele.“

Ich vermute, uns kommen sofort Menschen in den Sinn, die in deren Leben sich die Wahrheit dieser Sätze erweist: Eltern z. B., die es nicht schaffen, ihre Kinder mit einem Urvertrauen zum Leben auszustatten, weil sie selbst ohne ein solches Grundvertrauen aufgewachsen sind. Oder ich denke an Menschen, die in sich ruhen und anderen Halt geben können, weil ihr Leben gut gegründet ist, weil sie gut verwurzelt sind.

Darum – alle Aufmerksamkeit den Wurzeln! Diese Perspektive finde ich in Psalm 1:

1  Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen / noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen,
2  sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!
3  Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, / der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.
4  Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut.
5  Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.
6  Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht.

Die Gottlosen kommen nicht gerade gut weg in diesem Psalm. Eine Stimme in mir möchte sie in Schutz nehmen – die ‚Gottlosen‘ unserer Tage. Was kann jemand dafür, nie mit dem Glauben oder der Kirche in Berührung gekommen zu sein!? Zugegeben, ich war nicht immer so tolerant in dieser Frage: Ich war vielleicht sechs Jahre alt, als ich den gleichaltrigen Nachbarsjungen so in der Mangel hatte, dass sein Geschrei unseren Untermieter, einen Theologiestudenten, aus dem Fenster schauen und fragen ließ, was denn da los sei. Empört  krähte ich nach oben: „Er glaubt nicht an Gott!“

Aber solche ‚Gottlosen‘ hatte der Psalmist damals nicht vor Augen – nicht Atheisten oder religiös Indifferente, sondern ‚Frevler‘ (so übersetzt Martin Buber), Menschen, die Gottes Weisung kennen und doch verachten, Menschen, die Gottes Willen verlachen. ‚Gott los‘, ein Frevler zu sein, ist also auch und gerade eine Möglichkeit religiöser Menschen, eine Möglichkeit für uns Christen.

„Wohl dem, … der nicht sitzt, wo die Spötter sitzen.“ Manchmal sage ich mir und anderen, wenn ein Scherz zu weit ging, es sei mal wieder dran, Psalm 1 abzuschreiben. In der Tat ist es nicht verkehrt, sich gelegentlich zu fragen, wie viel vom eigenen Humor noch übrig bleibt, wenn er nicht auf Kosten anderer geht. Und doch: Mit den „Spöttern“ – Buber nennt sie die „Dreisten“ – ist etwas anderes gemeint: nämlich eine Lebenshaltung, die Gott nicht ernst nimmt, die seinen Anspruch auf unser Leben achselzuckend oder gar ironisch an sich abperlen lässt. Der Psalmist ist überzeugt: Solche Menschen sind ohne Halt „wie Spreu, die der Wind verstreut“ (V.4). Ihr Weg verliert sich in Bedeutungslosigkeit (V.6).

Vielleicht wird die hier gemeinte Möglichkeit verfehlten Lebens deutlicher, wenn wir einen Blick auf die Zeichen unserer Zeit werfen. Stephan Grünewald in seinem 2007 erschienen Buch „Deutschland auf der Couch. Eine Gesellschaft zwischen Stillstand und Leidenschaft“ diagnostiziert – und vielleicht trifft die Diagnose ja auch auf kirchliches Leben zu:

„Die gesamte Gesellschaft und nicht nur der Einzelne ist in den letzten Jahren in einen Zustand überdrehter Erstarrung geraten.“ „Die Welt dreht sich scheinbar immer schneller und dabei eröffnen sich immer mehr Schauplätze, neue Aufgaben und Anforderungen entstehen, denen man gleichzeitig gerecht werden muss. […] Man plagt sich Tag für Tag ab, fühlt sich immer atemloser und spürt dann irgendwann entgeistert, dass man sich nur im Kreis gedreht hat.“ Die Antwort darauf ist „Der Verlust der Leidenschaft – Die coole Gleichgültigkeit als Lebensprinzip“; „Der Verlust des wirklichen Lebens“; „Das simulierte Leben“ .

Menschen entziehen sich der Realität, indem sie sich in eine ironische Lebenshaltung flüchten: Sie schützen sich vor Enttäuschungen, indem sie sich heraushalten, sich nicht engagieren, sondern spöttisch den Lauf der Dinge betrachten und kommentieren.  Sie weigern sich, „an die Tiefe einer Beziehung, die Redlichkeit eines Beweggrundes, die Wahrheit der Rede zu glauben – besonders der ernsten Rede“.
 
„Überdrehte Erstarrung“; „Weigerung, an die Tiefe einer Beziehung, die Redlichkeit eines Beweggrundes, die Wahrheit der Rede zu glauben“: Von überall her und überall hin ist alles im Fluss. Halt finden, Einwohnen, Grund haben, scheint es, will nicht gelingen, wird nicht gesucht. Die Menschen unserer Zeit schwimmen; schwimmen wie in einem Meer ohne Ufer – und retten sich daraus in Ironie, in „coole Gleichgültigkeit als Lebensprinzip“.

Das positive Gegenbild ist der Mensch, der „Lust hat an Gottes Weisung“. Ich finde es richtig schön, dass hier von „Lust“ die Rede ist! Die Gottesbeziehung, um die es der Bibel geht, erschöpft sich nicht in Gehorsam. Sie meint mehr als das Befolgen der Gebote, mehr als ein Leben, das sich bemüht, Gottes Willen zu entsprechen. Dieses ‚Mehr‘ finde ich mit dem Wort ‚Lust‘ angesprochen: Aus Freude, ja, geradezu ‚lustvoll‘ kann ich die Zuneigung Gottes zu mir erwidern.  Diese wechselseitige Beziehung bewährt sich in der Treue zueinander, die freudig – voller Lust an der Weisung Gottes – gelebt wird. Das ist der „Weg der Gerechten“ (V.6). Wer Lust hat an der Weisung Gottes, „der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, / der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.“(V.3)

Wurzeln, die mir wichtig sind

Auf die Verwurzelung kommt es an! Sechs Wurzeln will ich ansprechen:

1.    Leben aus dem Vertrauen zu Gott

Sich bergen können mit seinen Sorgen und Hoffnungen bei Gott, ganz wörtlich gemeint ‚sich verlassen zu können‘ in der Beziehung zu Gott, in der Sprache der Mystik ‚sich lassen‘ zu können – das ist für mich der entscheidende Wurzelgrund unseres Lebens. Gerade auch für Menschen, die in ihrer Arbeit Verantwortung für andere tragen! Wenn wir allein die ganze Verantwortung tragen müssten, wie furchtbar wäre das! Wie entlastend ist es, die Entscheidungen, die zu treffen sind, betend Gott anzuvertrauen, meine Gemeinde, meine Region, unsere Kirche Gott ans Herz zu legen – und zu wissen: Wir müssen es nicht allein richten.

Das Gegenbild zu diesem Leben aus dem Vertrauen zu Gott ist der Mensch, der sich selbst hervorbringen muss, sich selber begründend durch eigenes Tun. Wer so lebt, von dem heißt es in Psalm 52,9-11:

„Da! Der Gewalttätige!
Er nahm keine Zuflucht bei Gott,
sondern suchte Sicherheit in seinem großen Vermögen
und nahm Zuflucht bei seiner zerstörerischen Macht.

Ich aber – ein grünender Ölbaum im Hause Gottes.
Ich suche Sicherheit in der Freundlichkeit Gottes
für immer und auf Dauer.
Ich danke dir für immer: Du hast es getan.
Ich hoffe in deinem Namen: Ja, er ist gut.
Ich hoffe in Gegenwart derer, die dich lieben.“

Psychologen beschreiben eine der wesentlichen Herausforderung der heutigen Arbeitswelt als zunehmende ‚Entgrenzung‘: Die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben sind immer weniger greifbar. Die Mühe, sich anzugrenzen, kostet immer mehr Kraft. Auch unter kirchlichen Mitarbeitenden ist die Gefahr groß, dass sie ganz und gar ihre Arbeit in den Mittelpunkt stellen und von daher ihr Leben zu bestätigen suchen. Rechtfertigung des eigenen Lebens  durch Arbeit – dieser Weg führt eher in die Überforderung als zu innerem Frieden. Menschen, die so leben, gleichen einer Kerze, die von beiden Seiten brennt. 

Angesichts solcher ‚Entgrenzung‘ kann die Mitte unseres Glaubens Entscheidendes bewirken: Das Zentrum des christlichen Rechtfertigungsglaubens liegt nämlich in der Unterscheidung von Person und Werk – also gerade in der Unterscheidung dessen, was im Phänomen der ‚Entgrenzung‘ in eins zu fallen droht! Die Bibel, von Anfang bis Ende, handelt davon: In Gottes Augen entscheidet kein Tun, kein Werk, nicht einmal das Lebens-Werk über den Wert eines Menschen. Seine Würde, der Sinn insgesamt seines Lebens ist leistungsunabhängig. Auch die moralische Qualität eines Lebens rechtfertigt nicht noch verwirft sie die Person. Das heißt keineswegs, dass es gleichgültig wäre, wie Menschen leben und arbeiten. Entscheidend ist aber, in welcher Freiheit und kraft welchen Mutes sie leben und arbeiten können. Der Mensch als Person empfängt sein Lebensrecht aus der Beziehung zu Gott und muss es sich, kann es sich nicht durch Arbeit oder vorbildlichen Lebenswandel verdienen.

Als junger Pastor war es für mich eine entscheidende Lernstrecke in der Supervision, die theologische Unterscheidung von Person und Werk auf mich zu beziehen – zu begreifen, dass Erfahrungen der Müdigkeit und des Scheiterns in meiner Arbeit von mir als Person zu unterscheiden sind. Denn auch Scheiternde verlieren nicht ihren Wert, ihre Würde in der Perspektive Gottes. Die vertrauende Beziehung zu Gott lässt Menschen bestehen – vor sich selbst, vor den Ansprüchen des Lebens, vor Gott. Im Brief an die Christengemeinde in Rom heißt es:

„Nach reiflicher Überlegung kommen wir zu dem Schluss, dass Menschen auf Grund von Vertrauen gerecht gesprochen werden – ohne dass schon alles geschafft wurde, was die Tora fordert.“  (Röm 3,28, zitiert nach der Bibel in gerechter Sprache)

Wie kann ich bestehen? Durch mein Vertrauen zu Gott. Ich bin grundsätzlich bejaht – wer ich auch bin, wie ich auch dran bin.

2.    Sich gerufen wissen

Wir verdanken uns mit unserem ganzen Sein Gott. Das Leben ist uns geschenkt. Wir sind geliebt. Es kann ein ganzes Menschenleben zum Klingen, zum Leuchten bringen, wenn das nicht nur richtige Sätze sind, sondern unsere Seele erfüllt. Gleichzeitig sind wir Gerufene. Gott beteiligt uns. Seine Weisung, sein Wort, sein Werben um uns – all das ruft uns dazu, uns an Gottes Werk zu beteiligen. Es ist wichtig zu wissen, dass wir von Gott Gerufene sind. Es kann in Zeiten der Dürre helfen, sich und andere daran zu erinnern: Gott sendet uns. Darum sind wir auf dem Weg.

Nicht zu allem aber, was uns angetragen wird, sind wir auch berufen. Es ist gut, auch sich zu fragen: Ist es das wirklich, was ich tun soll? Darum:

3.    Erkennen, was meine Aufgabe ist und was nicht

Zwei Geschichten kommen mir in den Sinn. Die eine kennt Ihr alle – das Gleichnis vom  barmherzigen Samariter (Lk 10, 25-37). Da ist einer unter die Räuber gefallen und auf Hilfe angewiesen. Priester, Levit haben für ihn weder Augen noch Zeit und gehen vorbei.

Die andere Geschichte ist eine phantastische – Michael Ende hat sie erzählt:

Ein junger Mann hatte sich Flügel erträumt. Viele Jahre hindurch hatte er sie Feder um Feder, Muskel um Muskel und Knöchelchen um Knöchelchen in langen Stunden der Traumarbeit gebildet. Nun war er bereit.

Es war keineswegs verboten, die Labyrinth-stadt zu verlassen. Doch nur dem Glücklichen konnte es gelingen. Wer den Versuch unternehmen wollte, musste sich einer Prüfung unterziehen.

Der Jüngling ging ohne Furcht in seine Prüfung. Denn er war glücklich – er liebte mit der aller Inbrunst ein Mädchen. Und er wusste, dass seine Liebe rückhaltlos erwidert wurde. Am Ende des Tages, nach seiner Prüfung würde er zu ihr gehen und sich gemeinsam mit ihr über die Stadt und ihre Mauern erheben.

Man hatte ihm als Kleidung nichts als ein Fischernetz gegeben. Er trug es und zog das Fischernetz wie eine lange Schleppe hinter sich durch die Straßen. Er war sicher, dass er die Aufgabe lösen würde, obgleich er sie nicht kannte. Er wusste nur, dass die Prüfung gerade darin bestand, aus wahrer Selbsterkenntnis heraus zu erraten, worin eigentlich die Aufgabe bestand.

So ging er durch die verwirrenden Straßen der Stadt, in der sich die Anordnung der Gebäude und Straßen in einem fort veränderte. Überall, wo er hinkam, traf er auf Unglückliche. Mit sehnsüchtigen oder auch neiderfüllten Augen sahen sie ihn an.

Einmal merkte der Sohn, wie das Netz festgehalten wurde. Da sah er einen einbeinigen Bettler, der eine seine Krücken in die Maschen des Netzes flocht. „Was tust du?“, fragte er ihn. „Hab Mitleid!“, antwortete der Bettler. „Dich wird es kaum beschweren, aber mich wird es um vieles erleichtern. Du bist ein Glücklicher. Darum nimm ein klein wenig von meinem Unglück mit hinaus. So werde ich Anteil an deinem Entrinnen haben.“

Der Jüngling willigte ein. Schon an der nächsten Straßenecke begegnete er einer abgehärmten Mutter mit drei halb verhungerten Kindern. „Was du dem dort zugestanden hast“, sagte sie bitter, „wirst du uns doch nicht abschlagen.“ Und sie flocht ein kleines, eisernes Grabkreuz ins Netz.

Von diesem Augenblick an wurde das Netz schwerer und schwerer. Viele Unglückliche flochten etwas in sein Netz. Schon ging es auf den Abend zu. Der Jüngling kämpfte sich mit seiner Last durch die Stadt – noch voller Hoffnung, denn er glaubte verstanden zu haben, worin seine Prüfung bestand.

Endlich gelangte er im Schein der untergehenden Sonne an die Zinnen der Stadtmauer. Was er erblickte, beunruhigte ihn zutiefst: Vor der Stadt standen vier Geflügelte gleich ihm. Sie waren frei. Er schrie, ob man ihn vergessen habe. Doch niemand achtete darauf. Er nestelte mit bebenden Händen am Netz, doch konnte er es nicht abstreifen. Schließlich sah er, wie seine Braut, ganz in schwarz gekleidet, zu einer schwarzen Kutsche geführt wurde. Sie stieg ein. Das Gefährt entfernte sich, bis es in der Dunkelheit verschwand.

In diesem Augenblick begriff der Sohn, dass er seine Prüfung nicht bestanden hatte. Er fühlte, wie seine traumgeschaffenen Flügel verwelkten und von ihm abfielen. Er wusste, dass er nie würde fliegen können und dass er nie wieder glücklich sein und sein Leben lang im Labyrinth bleiben würde. Denn nun gehörte er dazu.

Vermutlich kennen wir das Gefühl, dass uns immer mehr ins „Netz“ getan wird. Gerade in helfenden Berufen ist es wichtig, zu unterscheiden, was unsere Aufgabe ist und was nicht. Darum geht es manchmal auch darum, sich abzugrenzen gegen das, was nicht ins eigene Netz gehört – genauso wie es darum geht, das, was als Aufgabe erkannt wurde, mit Mut und Hingabe anzugehen.

Auf  den ersten Blick scheint die Erzählung von Michael Ende eine unchristliche Geschichte zu sein. Sagt nicht Jesus: „Selig sind die Barmherzigen!“? Aber anscheinend wird dem jungen Mann gerade seine Barmherzigkeit zum Verhängnis, weil er sich keiner Bitte entziehen kann. Er lässt sich in jedes Anliegen verwickeln. Das Notwendige tun zu können, setzt jedoch voraus, sich nicht unterschiedslos von allem und jedem in Anspruch nehmen zu lassen. Auch Jesus erhört nicht jede Bitte: „Sage meinem Bruder, dass er das Erbe mit mir teile.“ So tritt einer an Jesus heran. Eigentlich eine günstige Gelegenheit, Frieden zu stiften, ein Beispiel zu geben, wie man mit Besitzfragen in guter Weise umgehen könnte. Doch Jesus weist dies Ansinnen schroff zurück: „Wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt.“(Lk 12,14) Es geht um Konzentration auf das Wesentliche – um der Sache willen.

4.    Ein eigenes geistliches Leben führen

Man kann hoch engagiert sein in Gemeinde und Kirche, überall beteiligt und dennoch halt-los, ohne geistliche Wurzeln. Wie ein Brummkreisel ständig in Bewegung! „Überdrehte Erstarrung“ begegnet uns auch in der Kirche. Wollen wir unserer Verantwortung gerecht werden, brauchen wir ein eigenes geistliches Leben. Auch Jesus ‚arbeitete‘ nicht durch. Immer wieder zog es ihn in die Einsamkeit, auf einen Berg, in die Wüste. Er suchte die Stille, die ungeteilte Nähe Gottes. Nur so konnte er wirken.

Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Die Menschen bringen jeden Tag ihr Haar in Ordnung – warum nicht auch ihr Herz?“

So braucht es heilsame Unterbrechungen – sonntags z. B. und regelmäßige Zeiten für das persönliche Beten in der Woche. Und sei es einmal am Tag eine Zeit, in der ich empfänglich sein kann! In der ich mich dem Kraftfeld Gottes aussetze, wo ich Beziehung aufnehme durch Vaterunser, Fürbitte oder Dank, das aber regelmäßig! Denn im regelmäßigen Üben wird der innere Mensch erbaut, der Widerstandskräfte entwickelt, der nicht zum Spielball einer getriebenen, treibenden Umwelt wird, sondern die Herausforderungen bewältigt. Das ist die Erfahrung aller Religionen: In der Wiederholung, im regelmäßigen Üben, bildet sich die Achtsamkeit des Lebens und Arbeitens, die die Spreu vom Weizen zu trennen weiß. Dabei ist die Regelmäßigkeit wichtiger als die innere Beteiligung. Ich muss nicht immer in mich hineinhorchen, ob ich auch entsprechend gestimmt bin für eine persönliche Andacht – dass ich mir regelmäßig Zeit dafür nehme, wird mich langfristig prägen und stärken.

Es geht also darum, Aufmerksamkeit auf den eigenen inneren Weg zu richten: Gerade für Menschen, die engagiert sind, die für andere da sind, die viel zu geben haben – gerade für diese Menschen ist es besonders wichtig, achtsam zu sein für ihren inneren Weg mit Gott, ihren Weg zu Gott. Diese Aufmerksamkeit wird uns helfen, das rechte Maß im Leben und Arbeiten zu finden – wie Gerhard Engelsberger es einmal formuliert hat:

„Ich will mein Maß neu buchstabieren.
Dabei vergesse ich nicht:
Es ist das Alphabet meiner Befreiung.
Es geht um meine Freiheit.
Gott will, dass ich lebe.
Jetzt und in Ewigkeit. “

Oder um es mit Worten Jesus zu sagen: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ (Joh 14,19)

5.    Die eigenen Grenzen annehmen

Warum ist es so schwer, den Perfektionszwängen zu entkommen? Perfekt im Beruf zu sein, perfekt als Mutter, als Vater, liebenswert als Partner, hinreißend als Liebhaberin, als Liebhaber – das kann nicht funktionieren. Wir wissen das und gehen trotzdem wieder und wieder in diese Falle. Wir bleiben hinter unseren eigenen Ansprüchen zurück und stehen in Gefahr, uns dafür zu verurteilen oder zynisch zu werden.

Vermutlich ist eine der Ursachen der Perfektionszwänge das geheime Leistungsgesetz unserer Gesellschaft: ‚Ich leiste etwas, darum bin ich etwas wert. Leiste ich viel, bin ich viel wert.‘ Zu oft erfahren Menschen es in ihrem Leben, dass Anerkennung an Leistung gebunden ist – zum Beispiel wenn der Stolz von Eltern an die Stelle unbedingter Liebe tritt, Zuneigung also leistungsabhängig wird.

Gott hat gewollt, dass wir leben. Er hatte Gefallen an uns – noch bevor wir ihm gefällig sein konnten! Er vermag auch mit den Bruchstücken unseres Lebens etwas anzufangen; er sieht ins Herz und nimmt gute Absicht für das Vollbringen. Er nimmt uns an, wie wir sind – und traut uns zu, dass wir nicht so bleiben müssen, wie wir sind. Sünde ist daher auch nicht eine moralische Verfehlung, „sondern die Unfähigkeit sich von Gott gütig behandeln zu lassen“ (Karl Barth).

Ich habe Grenzen, und das ist gut so: Die eigenen Grenzen der Kraft und der Belastbarkeit lassen mich achtsamer mit den Grenzen anderer umgehen. Es ist wichtig für Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten, selber an Grenzen gekommen zu sein und auch das Scheitern kennen gelernt zu haben.

Ich habe Grenzen, und das ist gut so: Es ist die Erkenntnis, dass ich nicht alles aus eigener Kraft ‚wuppen‘ kann. Es ist heilsam, weil es mich von Allmachts-phantasien befreit, weil es mich nach Bündnispartnern Ausschau halten lässt und dem Einzelkämpfertum wehrt. Der Segen Gottes kann in den Blick kommen. Auch darum kann Paulus schreiben: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2.Kor 12,10).

6.    Der Falle der Subjektivität entkommen

Menschen, die glauben, allein aus eigenem Vermögen bestehen zu müssen, haben es schwer. Die ganze Last, die gesamte Rechtfertigungsnot ihres Lebens und Arbeitens liegt auf der jeweiligen Person, in der jeweiligen Subjektivität. Der christliche Glaube weiß Menschen zwar in anderer Weise gegründet: Nicht in sich selbst den tragenden Grund finden zu müssen, sondern im Bejaht-Werden durch Gott, dem Urgrund allen Lebens, gründen zu können – das ist die eine, alles tragende Verheißung christlichen Glaubens. Für die seelische Gesundheit, aber auch für die Entwicklung einer Identität, die mit sich und der Welt im Frieden ist, kann kaum überschätzt werden, wie wichtig es ist, diesen Lebensgrund außerhalb seiner selbst zu haben.

Dennoch gibt es auch für Christen die ‚Falle der Subjektivität‘. Die Befragung der Pastorinnen und Pastoren in Norddeutschland hat deutlich gemacht: Bei der Frage nach dem Erwartungsdruck in der alltäglichen Berufsausübung  ist es der  Selbstanspruch, der mit überragendem Abstand den ersten Rang einnimmt. 85% der Pastorinnen und Pastoren bejahen dies! Erst an zweiter Stelle und mit deutlichem Abstand steht der Erwartungsdruck, der von den Menschen ausgeht, die an kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen; er wird nur von 54% genannt.  Im Unterschied dazu steht der mit Vorgesetzten assoziierte Stress erst an sechster Stelle und ist mit 27% vergleichsweise gering.

Dieser Befund ist aus meiner Sicht ambivalent. Positiv formuliert spricht der hohe Erwartungsdruck für das berufliche Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit ihrer ganzen Person stehen sie ein für die Sache, um die es geht. Über diese leuchtende Seite der Medaille kann man sich freuen.

Zugleich hat sie eine problematische Seite: Der subjektiv begründete hohe Erwartungsdruck bürdet die ganze Last des Berufs der Person der Mitarbeiterin, des Mitarbeiters auf. Erfolg und Misserfolg der Arbeit werden fast automatisch ‚persönlich‘ genommen werden.

Diese Fixierung auf das Subjektive bestätigt sich auch bei anderen Fragestellungen der Pastorenbefragung: Als Gradmesser für den Erfolg der Arbeit nennen zwei Drittel an erster Stelle „einen von mir angestrebten Richtwert“.  Ein „von anderen vorgegebener Richtwert“ hat kaum orientierende Kraft.  Auch hinsichtlich der Strukturierung der eigenen Zeit sehen die Befragten die hilfreichsten Ressourcen in sich selbst (82%!).  Dies ist umso bemerkenswerter, als mehr als die Hälfte aller Befragten eine diffuse Vielfalt pastoraler Tätigkeiten beklagt (52%). 

Auch wenn es Ressourcen gibt, die die individuelle Arbeit der Mitarbeitenden stützen, bleibt doch das Phänomen einer hohen subjektiv zu tragenden Last. Wo früher das Amt als solches orientierte und die tägliche Arbeit strukturierte, sind nun viele Entscheidungen vom jeweiligen Mitarbeiter, der Mitarbeiterin individuell zu fällen. Auch wenn damit eine größere Freiheit gegenüber Rollenerwartungen verbunden ist – das kostet Kraft und Energie.

Umso wichtiger ist es, sich von Gott in seinem ganzen Leben bejaht zu wissen, sich der Treue Gottes anvertrauen zu können, gleichsam in ihm verwurzelt zu sein. Das ist eine Quelle der Kraft – und eines Muts, der gerechtfertigt ist.

Das gilt auch für unser Arbeiten. Um es ganz deutlich zu sagen: Auch die Kirche müssen wir nicht ‚machen‘ oder retten! Nach dem Epheserbriefes ist deutlich: Die Kirche ist Wirklichkeit – im ‚Himmel’. Und es kommt einzig darauf an, dass sie ‚zur Welt’ kommt.

Der Epheserbrief sagt über die Gemeinde(!):

„Ihr seid nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut  zu einer Wohnung im Geist.“ (Eph 2, 19-22)

Entgegen aller Angestrengtheit, die meint, Kirche retten zu müssen, wird uns hier bedeutet: Sie ist schon da, ist wirklich – im Himmel. Gott erbaut sie. Sie wächst in Christus. Das, was da wächst und gebaut wird, will zur Welt kommen, zur Spur des Himmels werden auf der Erde. Wir – Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes – sind dazu berufen, eine Spur der Zuneigung Gottes in diese Welt zu zeichnen. Gegen jede Rettungsmentalität gilt es festzuhalten: Kirche ist aus Gnade gezeugt, im Himmel geboren, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es (V8b).

Darum: Lassen wir uns  nicht von der ‚Falle der Subjektivität‘ gefangen nehmen! Verinnerlichen wir, dass wir gegründet sind in einem Lebensgrund außerhalb von uns selbst! Versuchen wir aus dieser Wurzel unser Leben und Arbeiten achtsam zu gestalten!

Leben aus dem Vertrauen zu Gott, sich gerufen wissen, erkennen, was meine Aufgabe ist und was nicht, ein eigenes geistliches Leben führen, die eigenen Grenzen annehmen, der Falle der Subjektivität entkommen   – das sind  einige Gesichtspunkte, die uns helfen, unser Leben gut zu verwurzeln im Grund unseres Glauben. Es kann uns helfen, „überdrehter Erstarrung“ zu widerstehen. Wer so lebt, „der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.“ 

Von den Wurzeln zu den Früchten

Alle Aufmerksamkeit für die Wurzeln also! Aber auch die Früchte sind wichtig. In der Bergpredigt macht Jesus die Früchte zum Unterscheidungsmerkmal für falsche und rechte Prophetie. Er sagt:

An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Kann man Trauben von der Dornhecke ernten?
Feigen unter Disteln auflesen?
Guter Baum: gute Frucht,
schlechter Baum: schlechte Frucht;
der gute Baum kann keine schlechte,
der schlechte Baum keine gute Frucht bringen.
Jeder Baum aber, der keine gute Frucht bringt,
wird gefällt und ins Feuer geworfen.
Darum: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

Das klingt hart – „der Baum, der keine gute Frucht bringt, wird gefällt und ins Feuer geworfen“. Also doch ein strammes Leistungsprinzip?

Es geht nicht um Quantitäten. Wie viele Früchte ein Baum bringt, ist Jesus nicht wichtig. Gut oder schlecht – das soll Erkennungszeichen dafür sein, ob etwas in die Beziehung zu Gott führt oder nicht. Darum lasst uns danach fragen, was eine gute Frucht im Leben einer Gemeinde, eines Werkes, unserer Kirche ist. Manches kommt mir da in den Sinn:

-    Der Baum ist gesund, wenn Menschen bei uns spirituelle Erfahrungen ermöglicht werden. Wenn der Glaube von Konfirmanden reift und erwachsen wird, auch weil sie Andachten erleben, die sie berühren, wenn ihre Eltern wieder beten lernen, wenn Kinder an das Abendmahl herangeführt werden und es mit einer ganz eigenen Andacht feiern, wenn Menschen entdecken, dass ihre Suche nach Lebendigkeit mit Gott zu tun hat, wenn Gemeinschaft mehr ist als Geselligkeit, nämlich ein Verbunden-sein in Christus, wenn Menschen bei uns Lust und Mut bekommen, anders zu leben, wenn sie Wurzeln bilden, die ihnen früher fehlten – dann erleben wir gute Früchte.
-    Der Baum ist gesund, wenn Menschen durch kirchliche Veranstaltungen, Projekte oder Gottesdienst wachsen in ihrer Selbsterkenntnis: Die eigenen Gaben, aber auch Grenzen zu erkennen, sich nicht abzufinden mit sich selbst, sondern anzunehmen, das Kind Gottes in sich sehen zu lernen – all das ist gute Frucht.
-    Genau so spricht es für die Güte dessen, was wir tun und leben, wenn Menschen wachsen in ihrer Beziehung zu Gott. Da wächst das Verstehen. Da ist es wie sonst auch in der Liebe: Man freut sich, wenn man einander nah sein kann. Man bemüht sich um den anderen. Das Vertrauen wächst, und manchmal kann man sich richtig fallen lassen, weil man sich so geborgen fühlt. 
-    Gute Frucht sehen wir, wo Menschen sich aufrichten, wo sie Sinn entwickeln für die unerweckten Möglichkeiten. Gute Frucht ist, wo Menschen glaubwürdig leben. Sie leben das, wovon sie überzeugt sind. Denken und Tun stimmen überein.
-    Der Baum unseres Miteinanders ist gesund, wenn nicht in erster Linie Arbeit, sondern Geist geteilt wird. Denken wir an Mose und die 70 Ältesten: Geist vom Geist, der auf Mose war, ging über auf die Siebzig. Erst kam die Begeisterung, dann die Arbeitsteilung.
-    Der Baum ist gesund, wenn wir Konflikte austragen: nicht verdrängen, sondern annehmen und lösen, weil es um die Sache geht – und zwar so, wie Jesus es geraten hat: unter vier Augen, und nur wenn es gar nicht anders geht im größeren Kreis, wissend wie das ist mit Splitter und Balken. . .
-    Gesunde Früchte zeigen sich, wenn wir uns als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft verstehen: Nicht Selbstzweck sind wir, sondern Menschen, deren Leben von Gott berührt worden ist und die auch anderen eine solch gute Erfahrung ermöglichen, Menschen also, die in Hingabe Erfüllung finden. Niemand muss oder kann sich auszeichnen, denn alle haben ihre Würde von Gott.     
Wo wir in unseren Gemeinden so miteinander leben, da gleichen wir den Bäumen, denen es nicht an Wasser fehlt. Und auch da, wo wir scheitern, gibt es Hoffnung.

Im Mittelalter wurde das Kreuz Jesu  oft als Lebensbaum gestaltet. Die Künstler ließen aus ihren Kreuzen Blätter und Früchte hervorwachsen. Sie machten damit deutlich: „Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes“!

Das Kreuz als Lebensbaum – dieses Symbol ist für mich ein wichtiges Gegenüber. Es erinnert mich daran: Ich muss mein Lebensrecht nicht beweisen. Ich muss aus dem Bild des an Wasserbächen gepflanzten Baums kein Projekt machen, dessen Gelingen über meine Beziehung zu Gott entscheidet. Das Kreuz Jesu Christi signalisiert mir: Scheitern gehört dazu. Gottes Hingabe ist stärker.

Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes. Weder Schuld noch unser Sterben. Gottes Liebe lässt uns nicht fallen. Sie weiß einen Weg für uns durch Scheitern und Tod hindurch – einen Weg, der Leben bedeutet; einen Weg, der uns die Gegenwart Gottes erleben lässt. In dieser Freiheit lässt sich achtsam leben und arbeiten.


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1.    Stephan Grünewald, Deutschland auf der Couch. Eine Gesellschaft zwischen Stillstand und Leidenschaft, 2007, S. 5-7; Hervorhebung von mir
2.    Jedediah Purdy, Das Elend der Ironie, 2002, S. 22.23.
3.    Gekürzt nach Michael Ende, Der Spiegel im Spiegel, München 1995, S. 13-17
4.     Vgl. Pastorin und Pastor im Norden, Item 1.16, S. 5.
5.     A. a. O., Item 3.2., S. 8, (63% in ELLM) (Hervorhebung A. v. M.)
6.     Ebenda (21% in ELLM)
7.     A. a. O., Item 7.4., S. 15. Überraschenderweise genießen Selbstmanagementkurse demgegenüber ein geringes Ansehen: Nur 22% erwarten sich von ihnen Hilfe bei der Strukturierung von Zeit, in Mecklenburg gar nur 15%.
8.    A. a. O., Item 1.12, S. 4





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