100 Jahre Nordschleswigsche Gemeinde
Ein Festgottesdienst zum Auftakt des Jubiläums
Vor hundert Jahren, am 25. März 1923, wurde die "Evangelisch-Lutherische Gemeinde der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche in Nordschleswig", kurz "Nordschleswigsche Gemeinde", im dänischen Tingleff gegründet. Sie hat das Ziel, deutsche Gottesdienste und kirchliches Leben zu gestalten und zu fördern. In der von den Minderheiten geprägten Grenzregion existieren somit neben der Evangelisch-Lutherischen Nordkirche südlich der Grenze sowie der dänischen Volkskirche nördlich davon auch die jeweiligen Minderheitenkirchen mit ihren geistlichen Vertreterinnen und Vertretern vor Ort.
Mit einem großen Festgottesdienst am 26. März 2023 um 10:30 Uhr wird das Jubiläum festlich begangen werden.

Gothart Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein der Nordkirche:
„Ich freue mich und bin dankbar darüber, dass wir diesen Festgottesdienst in enger, gelebter Freundschaft gemeinsam mit meiner dänischen Kollegin Marianne Christiansen und vielen Gästen aus dem Grenzland und darüber hinaus feiern können.“
Marianne Christiansen Bischöfin im Stift Hadersleben der dänischen Volkskirche (Dansk Folkekirke):
„Die Nordschleswigsche Gemeinde versteht sich als Brückenbauerin – so können wir heute in freundschaftlicher Verbundenheit feiern. Dafür müssen wir Gott und all´ den Menschen danken, die in diesen 100 Jahren mutige Schritte auf dem Weg der Versöhnung gegangen sind.“
Die Nordschleswigsche Gemeinde
Senior Matthias Alpen:
"Wir sind da für die Menschen in der Minderheit, deren kirchliche Sprache deutsch ist, und neuerdings auch für die vielen Zugezogenen, die in ihrer Heimatsprache seelsorgerlich betreut werden möchten. Wir verstehen uns als Volkskirche für die deutsche Minderheit."

Kirche für ca. 15.000 Menschen
In der Nordschleswigsche Gemeinde sind heute sechs Pastorinnen und Pastoren in fünf Pfarrbezirken tätig. Senior Matthias Alpen leitet den Konvent, zu dem auch die vier deutschen Stadtpastorinnen und -pastoren gehören. Diese Geistlichen sind für die ca. 15.000 Menschen der deutschen Minderheit da, dessen kirchliche Sprache deutsch ist. In ungefähr 40 Kirchen der Region wird in deutscher und in dänischer Sprache Gottesdienst gefeiert.
Die Kirchengemeinden
Die ehrenamtliche Leitung der Nordschleswigschen Gemeinde liegt – unter Vorsitz von Mary Tarp – bei den Pfarrbezirksvorständen. Diese werden von den fünf Kirchengemeinden Buhrkall (Burkal), Gravenstein (Gråsten), Hoyer/Lügumkloster (Højer/Løgumkloster), Süderwilstrup (Sdr. Vilstrup) und Tingleff (Tinglev) gewählt. In den vier Städten Apenrade (Aabenraa), Hadersleben (Haderslev), Sonderburg (Sønderborg) und Tondern (Tønder) werden neben den dänischen auch die deutschsprachigen Pastorinnen und Pastoren bei der dänischen Volkskirche angestellt.
Jubiläumsveranstaltungen in den Pfarrbezirken
Den Auftakt des Jubiläums bildet ein Konzert am 25. März um 19 Uhr. Die Musikgruppe DEKTonium, die sich für dieses Ereignis zusammengefunden hat, und Jan Simowitsch, Popularmusiker der Nordkirche, spielen im Haus Nordschleswig in Apenrade moderne Kirchenmusik. Das Festprogramm für das Jubiläumsjahr wird außerdem in den einzelnen Pfarrbezirken mit verschiedenen, über das Jahr verteilten Veranstaltungen gefeiert, darunter Konzerte, Andachten, Festabende oder Begegnungsformate.
Zum Jubiläum erscheint ein umfangreiches Magazin mit Beiträgen zur Geschichte und Gegenwart der Nordschleswigschen Gemeinde.
Der historische Hintergrund
Bischof Gothart Magaard:
"Vor hundert Jahren gab es nur wenige vereinzelte Stimmen, die den Beitrag der Minderheiten im Grenzland als Bereicherung erkannten. Heute wissen wir, dass wir für eine gute Nachbarschaft Sensibilität und Interesse an den verschiedenen Perspektiven und Freude an Vielfalt und Zweisprachigkeit benötigen."

Vor hundert Jahre: eine neue Grenze
Südschleswig liegt im Norden Schleswig-Holsteins, Nordschleswig im südlichen Jütland – diese verwirrend erscheinende geographische Lage ergibt sich aus der deutsch-dänischen Staatsgrenze, die seit 1920 quer durch den historischen Landesteil Schleswig verläuft. Die Grenzziehung war damals das Ergebnis einer Abstimmung unter der Bevölkerung. Sie sorgte zwar für klare territoriale Zugehörigkeiten und beendete jahrhundertelange Zwistigkeiten, doch viele deutsch gesinnte Nordschleswiger und dänisch gesinnte Südschleswiger hätten sich einen anderen Grenzverlauf gewünscht.
Zusammenleben mit Konflikten
Das Zusammenleben der Minderheiten verlief nicht ohne Konflikte. Mit einer Erstarkung Hitlerdeutschlands kulminierten diese Konflikte vor allem in Nordschleswig in einer starken Zuwendung der deutschen Minderheit zum Nationalsozialismus. Die deutschen Pastoren in den vier Stadtgemeinden hingegen verhielten sich loyal gegenüber dem dänischen Staat und widersetzen sich offen dem Nationalsozialismus.
Ein Neuanfang
Es brauchte viele Jahre, um die Vergangenheit im Grenzland aufzuarbeiten. Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 bedeuteten einen Neuanfang der Beziehungen. Die Erklärungen sichern den Minderheiten in der Grenzregion bestimmte Rechte und kulturelle Autonomie zu. Dazu gehört auch die Anerkennung der Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Vorteil und Chance
Heute erleben die Menschen die Grenzregion als Vorteil und Chance: Sie können auch auf der jeweils anderen Seite der Grenze arbeiten oder einkaufen oder leben als Teil einer Minderheit auf dänischer oder deutscher Seite. Die Minderheiten bringen sich aktiv und offen in der Mehrheitsgesellschaft ein.
Film über die deutsche Minderheit: „Willkommen in der deutschen Minderheit in Nordschleswig“ (Erstellt vom Bund Deutscher Nordschleswiger)
Grenzland als Modellregion
Allgemein gilt das deutsch-dänische Grenzland als Modellregion für ein gelungenes Zusammenleben über Grenzen hinweg. Auch die Kirchen dies- und jenseits der Grenze tragen dazu einen wesentlichen Teil bei. Durch die enge Verbindung zur Nordkirche kann die Nordschleswigsche Gemeinde ihre Brückenfunktion wahrnehmen.
Senior Matthias Alpen:
„Kirchliche Arbeit schafft Orte der Begegnung für Menschen vor Ort. Das ist für uns gelebte Wirklichkeit. Vertrauensbildung geschieht immer wieder neu, gleichzeitig müssen wir immer wieder aktiv darauf zugehen.“