Auf der Flucht vor den Mördern aus Libyen
12. Mai 2015
Hamburg. Salah Zater muss aus Libyen fliehen, weil er Journalist ist. Vor kurzem sind mehrere seiner Kollegen getötet worden. Ein Stipendium der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte bringt ihn nach Hamburg. Doch zur Ruhe kommt er auch hier nicht.
Der Gedanke, aufzuhören, nicht mehr als Journalist zu arbeiten, kommt Salah Zater nie. Auch dann nicht, als er die Nachricht bekommt, dass wieder mehrere Kollegen in Libyen getötet wurden. "Als Journalist habe ich eine Verantwortung: die Wahrheit ans Licht zu bringen und für die Rechte von Menschen einzustehen, die sich selbst nicht helfen können", sagt er mit direktem Blick und kämpferischen Gesten. In seiner Wohnung in Hamburg ist Zater sicher und frei. Doch das war nicht immer so.
Seit drei Monaten lebt der libysche Journalist in Deutschland, die Stiftung für politisch Verfolgte hat ihm für ein Jahr ein Stipendium gewährt. In der libyschen Hauptstadt Tripolis und im Exil in Tunesien war der 28-Jährige nicht mehr sicher. "Jedes Mal, wenn ich darüber berichtet habe, dass Milizen jemanden in Libyen entführt oder misshandelt haben, kamen sie zu mir und haben mir gedroht."
Zeitungen sprießen aus dem Boden – zunächst
Nach dem Sturz des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi 2011 wurden die Arbeitsbedingungen für Journalisten zunächst besser. Viele Medien seien aus dem Boden geschossen, sagt Christoph Dreyer, Sprecher von "Reporter ohne Grenzen" in Berlin. Gab es vor der Revolution etwa vier Tageszeitungen, waren es 2012 Dutzende.
Doch das ist lange vorbei. Heute bestimmt die desolate Sicherheitslage in Libyen den Alltag. "Verschiedene, teilweise verfeindete Milizen greifen Journalisten an, entführen oder ermorden sie", sagt Dreyer. Die paramilitärischen Einheiten versuchten, unliebsame Berichte über Menschenrechtsverletzungen zu unterdrücken. 29 Entführungen von Journalisten hat "Reporter ohne Grenzen" im vergangenen Jahr gezählt – mehr sind nur aus der Ukraine und aus Syrien gemeldet.
Anfang des Jahres hat außerdem der "Islamische Staat" weite Teile des Landes eingenommen und bedroht Medienschaffende zusätzlich. Kollegen von Zater, darunter ein guter Freund, wurden im August 2014 von den Terroristen entführt; Ende April wurden ihre Leichen mit durchschnittener Kehle gefunden.
Angriffe gehören zum Alltag
Im Laufe der Zeit gehörte es für Zater immer mehr zum Alltag, wegen seiner Arbeit angegriffen zu werden. "Jeden Morgen, wenn ich aus dem Haus bin, habe ich mich verabschiedet, weil ich dachte, ich komme nicht mehr zurück", sagt Zater. Als Investigativ-Reporter für zwei private Fernsehsender dokumentiert er Menschenrechtsverletzungen, sieht, wie Menschen getötet werden, und schleicht sich unerkannt in ein von Milizen kontrolliertes Krankenhaus. Zweimal halten ihm Unbekannte ein Gewehr an den Kopf und befehlen ihm, den Ort zu verlassen, von dem er berichtet. Schließlich geht Zater auf das jahrelange Flehen und Bitten seiner Familie ein, das Land zu verlassen.
Libyen führte 2014 die Länderstatistik zu geflohenen Journalisten von "Reporter ohne Grenzen" an. 43 wurden der Organisation gemeldet. "Wir versuchen dann, ihnen zu helfen: ein sicheres Land auszuwählen oder auch sie in einem Asylverfahren zu unterstützen", sagt Dreyer. So wie auch Zater. Für den Libyer verfasste "Reporter ohne Grenzen" ein Referenzschreiben – Grundlage, um als Stipendiat durch die Stiftung für politisch Verfolgte anerkannt zu werden.
Die Stiftung lädt jährlich bis zu fünf Menschen ein, die in ihrem Land wegen ihrer politischen Ansichten oder ihrer Tätigkeiten verfolgt werden. So konnte Zater mit finanzieller Unterstützung des Vereins "Journalisten helfen Journalisten" nach Deutschland kommen. Die Stiftung koordiniert das Programm und kümmert sich auch persönlich um die Stipendiaten. "In den ersten paar Monaten unterstütze ich sie darin, Kontakte zu knüpfen, einfach mal zum Arzt zu gehen oder endlich einmal zur Ruhe zu kommen", erklärt Geschäftsführerin Martina Bäurle.
Die härteste Entscheidung seines Lebens
Doch das gelingt Zater nur schwer: Seit Jahren hat er Schlafprobleme. In Deutschland zu sein und nicht mehr über die Not in seiner Heimat zu berichten, sei nur schwer auszuhalten. Seine Stimme stockt immer wieder, während er spricht. "Die Entscheidung, mein Land zu verlassen, war die härteste, die ich je in meinem Leben getroffen habe."
Er versuche, auch in Hamburg als Journalist zu arbeiten, aber auf andere Art, sagt er. Er halte Vorträge über seine Geschichte und gebe Workshops für Journalisten. Dennoch träumt Zater davon, irgendwann zurückzukehren. "Ich kann nicht sagen, ob ich in Deutschland glücklich bin. Dazu vermisse ich meine Arbeit einfach zu sehr."