Bischöfe fordern mehr Mut zum Teilen und gerechtere Lebensmittelpreise
05. Oktober 2015
Semlow/Siek. Der Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit hat am Landeserntedankfest an die Not der Flüchtlinge erinnert. "Die Bereitschaft zum Teilen führt ein Volk zusammen und schenkt neue Kräfte", sagte Abromeit am Sonntag in Semlow (bei Ribnitz-Damgarten). Bischöfin Kirsten Fehrs hat beim schleswig-holsteinischen Landeserntedankfest gerechte Preise für Lebensmittel gefordert. "Es ist nicht klug, wenn ein Liter Milch beim Discounter genauso viel kostet wie ein Liter Wasser", sagte Fehrs am Sonntag in Siek (Kreis Stormarn).
Das ruiniere gleichermaßen die Bauern und die Schöpfung. Eine Politik, die Agrarfabriken fördert und kleine Bauernhöfe "vor die Hunde gehen lässt", sei kurzsichtig. Gleiches gelte, wenn Spekulanten in Norddeutschland ganze Landstriche aufkaufen, während junge Landwirte leer ausgehen, so Fehrs.
Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kritisierte die Verschwendung von Lebensmitteln. "Wurst wird weggeschmissen, weil ihr eine Pistazie fehlt, die Zucchini nicht verkauft, weil die zu krumm ist oder Joghurt weggeschmissen, weil er einen Tag übers Mindesthaltbarkeitsdatum ist." Das sei ein "ethischer Skandal". Was Bauern und Bäuerinnen mit harter Arbeit erwirtschaften, müsse wieder einen höheren Wert erhalten.
Habeck: Wegschmeißen von Lebensmitteln ein "ethischer Skandal"
Durch Regenmangel sei in Teilen Deutschlands die Ernte schlecht ausgefallen, beklagte Bauernpräsident Werner Schwarz. "Zwischen Saat und Ernte, zwischen den Preiserwartungen und dem endgültigen Markterlös liegen oft Welten." Notwendig sei ein Dreiklang "zwischen der Umwelt, dem Portemonnaie und dem Sorgen füreinander". Er sei dankbar, dass dieser Dreiklang in der Landwirtschaft noch gelebt werde.
Nordkirche und Bauernverband hatten am Sonntag zum Landeserntedankfest in die Sieker Friedenskirche eingeladen. Bischöfin Fehrs nahm am Ende des Festumzuges die Erntekrone von der Landjugend entgegen. Rund um die Kirche fand ein bunter Bauernmarkt mit Musikprogramm statt.
Abromeit: Nur eine radikale Bereitschaft zum Teilen könne wirklich helfen
Für die Not in der Welt trage jeder Einzelne eine Mitverantwortung, so Bischof Abromeit in Semlow. "Wir täuschen uns, wenn wir meinen, wir könnten für ein T-Shirt fünf Euro zahlen und wären dann die Verantwortung los." Nur eine radikale Bereitschaft zum Teilen könne wirklich helfen.
Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) wies auf das 25-jährige Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung hin. Gefeiert werde damit auch "25 Jahre erfolgreiche Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern". Das Erntedankfest sei eines der ältesten Feste der Menschheit. "An diesem Tag sagen wir Danke für die getane Arbeit auf den Feldern, für reichlich gedeckte Tische und eine reiche Ernte."
Weiße Tauben als Friedenszeichen
An dem ökumenischen Erntedankgottesdienst nahmen mehr als 500 Gäste teil. Gefeiert wurde in der Werkshalle von Gut Recknitztal, einer ehemaligen LPG-Halle. Die Gemeinden hätten bewusst die Werkhalle gewählt, weil hier tatsächlich landwirtschaftliche Arbeit stattfindet, erläuterte Pastor Jens Haverland. Ein Gottesdienst in einer ehemaligen LPG-Halle stehe symbolisch "für das wieder neu gewachsene Miteinander hier bei uns auf dem Land". Nach dem Gottesdienst wurden als Friedenszeichen Tauben fliegen gelassen.