Kurs bei der Familienbildung

Darum sind auch Blinde gute Köche

Starkes Team: Horst Michaelis (rechts) kann gut sehen, und Tarkan Gürvardar (links) kann gut riechen, schmecken und fühlen
Starkes Team: Horst Michaelis (rechts) kann gut sehen, und Tarkan Gürvardar (links) kann gut riechen, schmecken und fühlen© Silke Nora Kehl / Evangelische Zeitung

03. Februar 2015 von Timo Teggatz

Hamburg. Einen ganz besonderen Kochkurs hat die evangelische Familienbilung Eppendorf im Programm. Sehende kochen gemeinsam mit Blinden und Sehbehinderten. Dabei stellt sich schnell heraus: Blinde sind gute Köche, denn sie können sehr gut schmecken und riechen.

Wenn Tarkan Gürvardar mit einem scharfen Küchenmesser Zwiebeln, Obst oder Gemüse schneidet, sieht er nichts: Der 38-Jährige ist von Geburt an blind. Aber verletzt hat er sich beim Schnippeln noch nie. „Er schneidet akkurater als sehende Menschen“, sagt eine andere Teilnehmerin des Kochkurses „Nicht nur fürs Auge“ bei der Evangelischen Familienbildung Eppendorf. Hier bereiten Blinde und Sehende gemeinsam ein Menü vor – an insgesamt zehn Abenden im Jahr.

Tarkan Gürvardar ist heute für den Sauerkraut-Apfel-Salat zuständig: gemeinsam mit Jessica Maack (39), die kein räumliches Sehvermögen hat, und Horst Michaelis (73), der sehen kann. „Die Teilnehmer arbeiten immer in kleinen Gruppen zusammen“, sagt Kursleiterin Christa Lösch, „bei jedem Team ist ein Sehender dabei.“

Auf der Speisekarte: Sauerkrautsalat mit Apfelkernen

Horst Michaelis hält ab und zu die Salatschüssel fest, als Gürvardar Sauerkraut, Apfelstückchen und kleingeschnittene Weintrauben mit zwei Kochlöffeln vermengt. Danach hilft er Jessica Maack dabei, frisch geröstete Pinienkerne aus der Pfanne auf einen kleinen Teller zu schütten. Der 73-Jährige kennt viele Teilnehmer schon lange, denn er arbeitet ehrenamtlich als Fahrer für Blinde und hochgradig Sehbehinderte.

Dagmar Holtmann, Diakonin der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge der Nordkirche, erklärt: „Die meisten Teilnehmer haben noch eine zusätzliche Behinderung und sind nicht mobil genug, um selbstständig zur Familienbildungsstätte zu kommen.“

In jedem Team ist ein Sehender dabei

Wie selbstständig die einzelnen Teilnehmer seien, hänge jedoch weniger vom Grad ihrer Behinderung als vielmehr von ihrer Persönlichkeit ab, sagt Horst Michaelis. „Tarkan zum Beispiel ist ein sehr aktiver Typ, er traut sich  selbst viel zu und übernimmt oft die Initiative.“ Gürvardar lebt seit 14 Jahren selbstständig in Barmbek: „Ich habe bei einer Schulung am Iris-Institut gelernt, mich allein zu versorgen.“ Er freut  sich außerdem schon sehr auf eine inklusive Bibel-Freizeit für Blinde und Sehende, die im Frühjahr im Harz stattfinden wird. Die Reise wird ebenfalls von der Nordkirche angeboten.

Jessica Maack, die bei ihren Eltern lebt, möchte lieber nicht mit auf die Freizeit. Obwohl die Anderen aus dem Kochkurs sie gerne  dabei hätten. „Ich kann zwar etwas sehen, aber mir fehlt  die dreidimensionale Wahrnehmung“, erklärt sie. Daher könne sie sich in unbekannten Straßen nicht orientieren. „Auf einer Freizeit würde ich also viel Selbstständigkeit einbüßen.“ In ihrem Alltag hat Maack allerdings gerade eine große Hürde überwunden: Bislang wurde sie morgens von einem Fahrer zu ihrer Arbeit in Alsterdorf gebracht und nachmittags von ihm nach Hause gefahren. Nun hat sie bei einer speziellen Schulung gelernt, allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu fahren.

Warteliste für den Kurs

Der Kochkurs wurde ihr vor zwei Jahren von ihrer Familie zum Geburtstag geschenkt: „Ich finde das ganz toll, ich hatte auch schon in der Schule Kochen als Unterrichtsfach“, sagt Jessica Maack. Der Kurs sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft, so die Diakonin Dagmar Holtmann, die selbst blind ist:  „Mehrfach behinderte Menschen haben sonst kaum eine Chance, an einem regulären Kochkurs mit sehenden Menschen teilzunehmen.“ Denn sie benötigten intensive Assistenz, die nur durch freiwillige Mitarbeiter gewährleistet werden könne. „Ich finde es sehr wichtig, dass jeder die Möglichkeit hat, an allen Gemeindeveranstaltungen und Gottesdiensten aktiv teilzunehmen“, so Holtmann. „Das scheitert oft an Barrieren in Gebäuden und den Köpfen der Menschen.“

Die Familienbildungsstätte habe den Kurs vor ein paar Jahren für blinde, sehbehinderte und sehende Menschen ausgeschrieben. Dabei hätte sich ein Großteil der Teilnehmer und ihrer ehrenamtlichen Helfer schon vorher zusammengefunden – und den Kurs dann in Eppendorf fortgeführt. „Mit der Hoffnung, dass sich auch Sehende anmelden würden, die bislang noch keinen Kontakt zu Blinden hatten“, berichtet Holtmann. Doch bislang gibt es nur einen sehenden Teilnehmer, der regelmäßig dabei ist. Ausgebucht ist der Kurs allerdings trotzdem: Denn das Interesse der Blinden und Sehbehinderten sei sehr groß, sagt Kursleiterin Christa Lösch. „Heute sind wir 14 Leute. Zwei der regelmäßigen Teilnehmer sind im Urlaub – für sie sind zwei andere Blinde dabei, die auf der Warteliste für den Kurs stehen.“ Mit 15 Personen sei die Küche definitiv voll belegt.

Alle Rezepte auch in Blindenschrift

Bei der Auswahl der Menüs orientiere sie sich an den Jahreszeiten, erklärt die Kursleiterin. „Was genau wir dann kochen, entscheiden wir gemeinsam. Und die Rezepte gibt es sowohl in Blinden- als auch in Leseschrift.“ Heute steht als Vorspeise Hühnersuppe mit selbstgebackenen Sesambrötchen auf dem Menü. Der Hauptgang besteht aus einem Kartoffel-Hack-Auflauf mit dem Sauerkrautsalat als Beilage. Zum Nachtisch gibt es eine Creme aus frischen Orangen und Sahne, außerdem selbstgemachte Schokosplitter mit Zimt und Mandeln.

Am Ende zeigt Tarkan Gürvardar, wie er vermeidet, sich beim Schneiden zu verletzen: Verwendet er ein scharfes Messer, hält er mit einer Hand den Griff. Mit zwei Fingern der anderen Hand umgreift er die Klinge von oben und berührt ihre glatten, ungefährlichen Seitenflächen. Während des Schneidens hält er die Klinge sanft umfasst und bewahrt so die Kontrolle über das Messer. „Ich hatte schon in der Schule eine 1 im Kochen“, sagt er.

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