6. September 2014 | Dom zu Schleswig

Das Leben ist eine Baustelle

06. September 2014 von Gothart Magaard

Einführungsgottesdienst von Bischof Gothart Magaard, Predigt zu 1. Kor. 3, 9-15

„Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Festgemeinde,

„Komm, bau ein Haus, das uns beschützt, pflanz einen Baum, der Schatten wirft, und beschreibe den Himmel, der uns blüht. Und beschreibe den Himmel, der uns blüht.“ Dieses Lied, das ich zuerst als Student beim Kirchentag in Berlin 1977 hörte, geht mir durch den Kopf.

Bauarbeiten - Viele von Ihnen hören und sehen sie rund um unsere Kirchen, Pastorate oder Gemeindehäuser. Und auch hier am und im Schleswiger Dom gibt es immer etwas zu tun. Gerade während des Sommers wird gehämmert und gebohrt, gedämmt und gemalt.

Sogar dort, wo Menschen eigentlich im Urlaub sind und doch anderes im Sinn haben sollten. Am Strand konnte ich das auch in diesem Jahr wieder beobachten: viele kleine und große Baumeisterinnen und Baumeister versuchen sich im Burgenbauen – und das mit bewundernswerter Kreativität: dort entsteht eine mittelalterliche Burg, mit Federn geschmückt, hier eher ein Schloss aus dem 19. Jahrhundert mit Muscheln und Steinen verziert.

In uns Menschen schlummert ganz offenbar ein natürlicher Hang zum Bauen. Und in den Sommermonaten, so scheint es mir, kommt er besonders zum Vorschein.

Und die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft werden zu wahren Baumeistern, nicht nur aus Lust, sondern auch qua Aufgabe, und nicht nur in den Sommermonaten.

Auch im heutigen Predigttext aus dem 1. Korintherbrief geht es um „Bauarbeiten“. Zusammengefasst könnte die Überschrift vielleicht wie der Titel eines Filmes aus den 90er Jahren lauten: „Das Leben ist eine Baustelle“.

Gerade ältere Menschen beschreiben ihr Leben oft als „Baustelle“, als Baugeschichte, wenn sie erzählen, wie sie gemeinsam oder alleine etwas aufgebaut haben.

Hören wir also noch einmal die Worte des Paulus:

Denn wir sind Gottes Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird's klarmachen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Es ist im Grunde genommen ein Alltagsbild, das Paulus wählt, damit die Menschen in Korinth zum Nachdenken über ihre Lebensbaustellen und den Bau der Gemeinde kommen.

Von ihm selbst war in Korinth ein fester Glaubens-Grund gelegt worden, durch seine Reisen und seine Predigten, und dann begannen die Menschen darauf aufzubauen. Das konnte ihnen ja auch kein Apostel abnehmen, sie sollten und mussten ihr Leben selbst in die Hand nehmen und damit auch ihrem Glauben Gestalt verleihen.

Und in Korinth, in dieser quirligen Hafenstadt mit Arbeitsmigranten, Matrosen, Handwerkern und einigen wohlhabenden Frauen und Männern begannen muntere Bauarbeiten und sofort auch Spannungen und Konflikte in der Gemeinde.

Lebensbauarbeiten also, wie auch wir sie hinter uns und vor uns haben. Lebensbauwerke entstehen manchmal mit Liebe zum Detail, gebaut mit einer spielerischen Leichtigkeit und als Ausdruck von Träumen. Manchmal auch in harter Arbeit, als ganz und gar ernste und schwere Aufgabe, der wir uns nicht entziehen können. Bei manchem macht uns die Vergänglichkeit keinen Kummer, bei anderem hoffen wir auf Dauerhaftigkeit und Bestand. Und wir sehen es an uns selbst, wie unterschiedlich die Ergebnisse am Ende aussehen werden.

Menschen bauen eben so, wie es ihrem Charakter, ihren Eigenarten und ihren Möglichkeiten entspricht: manche extrovertiert und ausladend, mit vielen Emotionen, andere schlicht, aber gediegen, wieder andere bescheiden und mit knappen Mitteln – es sind ganz unterschiedliche Lebensbauwerke, die auf dem Grund entstehen – damals in Korinth wie heute. Gewiss sind auch nicht alle nach unserem Geschmack. Aber sie sind ebenso unterschiedlich wie wir Menschen eben sind.

Paulus bleibt in seinem Schreiben ganz in diesem Bild der Bauarbeiten. Auch wenn er schließlich nachdenkliche Töne anstimmt.

Denn bei jedem Bauprojekt wird irgendwann eine Bauabnahme folgen, bei der gründlich geprüft wird, ob ordentlich und vertragsgemäß gearbeitet wurde. Es ist ein entscheidender Moment, denn jetzt zeigt sich, ob das Ergebnis Bestand hat oder ob vielleicht ungeeignete oder minderwertige Materialien verwendet wurden. Ob also manchem Bau dasselbe Schicksal droht, wie es den Sandburgen am Ende des Tages unweigerlich bevorsteht, weil sie Wellen und Wind nicht standhalten können.

Nichts anderes schärft Paulus auch den Menschen in Korinth ein:

auch für ihre Lebensbauwerke wird eine Bauabnahme folgen. Und er verschweigt nicht, was wir von allen anderen Bauten wissen: dass dabei nämlich Unterschiede zu Tage treten werden. Der Tag des Gerichts wird's klarmachen ... Ganz nüchtern kommt dieser Satz daher – und hat doch einen anderen Ernst, als die Prüfung der Sandburgen erst durch die Eltern und dann durch Wellen und Wind: „Der Tag des Gerichts wird's klarmachen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.“

Liebe Gemeinde, der Gerichtsgedanke ist nun eigentlich nicht das, was ich mir für diesen besonderen Tag wünsche, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Daher ist es wichtig, genau hinzusehen, und nicht unseren Phantasien von der Hölle freien Lauf zu lassen.

Denn eines steht für Paulus auch im Blick auf das Gericht außer Frage: der Boden, auf dem die Korintherinnen und Korinther gebaut haben, trägt. Er wird durch das Feuer nicht in Frage gestellt oder in Mitleidenschaft gezogen:

er selbst aber wird gerettet werden“, so schreibt Paulus, und dieser eine Satz bringt zum Ausdruck, was den Menschen erwartet, wenn er sich der Wahrheit über sein Leben zu stellen hat, ganz gleich ob engagierte Christin oder kirchlicher Amtsträger. Ohne wenn und aber gilt, dass kein Mensch dann unter die Räder kommen wird, auch wenn wenig in seinem Leben bestand hat, die Baumaterialien vielleicht ungeeignet waren und schon zu Lebzeiten vieles in die Brüche ging. Die Rettung des Menschen steht im Vordergrund, wenn Paulus vom Gericht redet.

Doch das Gericht wird den Menschen aber nicht unverändert lassen. Unser Leben wird geprüft und beurteilt durch den liebevollen Blick Gottes auf uns Menschen. Gerade weil Gott liebt, weil Gott Liebe ist, wird manches von unseren Motiven, von unserem Handeln und Denken vor ihm keinen Bestand haben.

Welches Licht durch Gottes Liebe, die in Jesus Christus ein Gesicht gewonnen hat, auf unser Leben fällt, welche Wahrheit über unser Lebensbauwerk dann sichtbar wird, all das wird uns nicht erspart.

Aber Paulus sagt damit zugleich, dass all das, was in unserem Leben und in unseren gemeinsamen Geschichten in die Brüche geht, nicht in die Ewigkeit eingehen und festzementiert wird. Dass Gott uns nicht mit unseren Lebensbauwerken gleichsetzen wird, sondern uns auf dem tragenden Grund seiner Liebe bewahrt. Wir sind in Gottes Augen immer mehr als unsere Lebensgeschichten, wie immer sie sein mögen.

Liebe Gemeinde, diese Worte des Paulus ermutigen mich auch für meinen Dienst in unserer Kirche als Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein. „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern“, heißt es im Lukasevanglium. Und so sehe ich für meinen Dienst natürlich vielfältige Herausforderungen in unserem Sprengel und in unserer Kirche:

Die Stärkung der Menschen, der Pastorinnen und Pastoren sowie der haupt-, und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Zukunftsperspektiven für das Leben in den ländlichen Räumen zu entwickeln und für die kirchliche Arbeit in einer multireligiösen Gesellschaft.

Gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Akteuren die wachsende Armut zu bekämpfen und den zahlreichen belasteten Kindern in unserem Land einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.

Und die Menschen, die als Flüchtlinge gerade in diesen Monaten vermehrt zu uns kommen, willkommen zu heißen und ihnen zu helfen, sich hier zu beheimaten.

Und natürlich die guten Kontakte und Projekte unserer Kirchen im deutsch-dänischen Grenzland zu fördern und die Verbundenheit und Partnerschaften in der Ökumene vor Ort in der weltweiten Ökumene, die heute so wunderbar sichtbar wird! Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, das Haus Europa und das Haus der Weltgemeinschaft so weiterzubauen, dass ein Leben in Frieden und Freiheit für alle Menschen möglich ist.

Das sind viele sehr unterschiedliche Aufgaben. Die meisten davon nur in Gemeinschaft mit Ihnen allen und vielen anderen Menschen in unserem Land anzugehen – und vor allem nur mit langem Atem.

Ich bin zuversichtlich, dass Vieles gelingen kann, aber natürlich werde auch ich, werden wir gemeinsam von der Erfahrung des Scheiterns nicht verschont bleiben, wird die Kraft manchmal nicht für das reichen, was wir uns vorgenommen haben. Vor diesem Hintergrund höre ich die Worte des Paulus an diesem Tag als eine ganz besondere Ermutigung.

Denn, liebe Gemeinde, die Bauarbeiten in unseren Gemeinden haben schon lange vor unserer Zeit begonnen, das wird uns bei den großen Kirchweihfesten besonders deutlich! Und sie werden weitergehen.

Die alten Dombauhütten zeugen von einem feinen Gespür dafür, dass die Kirche Jesu Christi mit ihren gemauerten und lebendigen Steinen eine Dauerbaustelle, aber eine verheißungsvolle Dauerbaustelle ist.

Sie ist eine Kirche im Aufbruch, sie verändert sich um Gottes; und das heißt: um der Menschen willen. Zögern und Zaudern oder gar Zukunftsangst, mit der manche so gekonnt zu jonglieren wissen, sind darum unangebracht.

Wichtig ist es hingegen, einmal mehr den Boden unter unseren Füßen zu spüren. Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Es ist ein Boden, der uns Kraft gibt, etwas um des Evangeliums willen zu wagen.

Ein Boden, der uns auffängt wenn wir fallen. Ein Boden, auf dem wir uns ausruhen können, wenn die Kräfte schwinden. –

„Komm, bau ein Haus, das uns beschützt, pflanz einen Baum, der Schatten wirft, und beschreibe den Himmel, der uns blüht“.

Auf diesem Boden unter unseren Füßen, diesem Grund in unserem Herzen und unserem Verstand können wir bauen:

Wo immer es geht spielerisch mit Liebe zum Detail. Und wo es notwendig ist, nüchtern und mit vollem Ernst. Amen.

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