Der Hanseat führte die Kirche durch stürmische Zeiten
24. Juni 2015
Göttingen/Hamburg. Der Bischof und Theologie-Professor Eduard Lohse galt als Vermittler und Brückenbauer, doch der gebürtige Hamburger scheute auch nie das klare Wort. Sechs Jahre lang führte er die Evangelische Kirche in Deutschland. Jetzt starb Lohse im Alter von 91 Jahren.
Als Wissenschaftler erwarb er sich ebenso Respekt wie als Bischof: Der frühere EKD-Chef und hannoversche Landesbischof Professor Eduard Lohse aus Göttingen ist am Dienstag im Alter von 91 Jahren gestorben. Zwischen 1979 und 1985 war der Theologie-Professor als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der höchste Repräsentant des deutschen Protestantismus. Und 17 Jahre lang, von 1971 bis 1988, stand er an der Spitze der größten deutschen Landeskirche, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Der heutige Landesbischof Ralf Meister würdigte ihn als "herausragenden Brückenbauer", der in der Kirche eine prägende Rolle gespielt habe. "Seine Fähigkeit zum Zuhören und sein partnerschaftliches Amtsverständnis ließen ihn in unserer Landeskirche und weit darüber hinaus höchsten Respekt genießen."
Er hielt die Kirche zusammen
Der Hanseat Lohse steuerte die evangelische Kirche durch stürmische Zeiten. Friedensdemonstranten protestierten lautstark gegen Atomraketen und erschienen auch vor EKD-Synoden. Auf der anderen Seite erhoben Konservative ihre Stimme. Lohse suchte mit beiden Seiten das Gespräch. "Meine Aufgabe war es, die Kirche zusammenzuhalten, so dass nicht einzelne Gruppen sich isolieren oder ausbrechen", sagte er vor rund einem Jahr. Umsicht und Weisheit, verbunden mit großer persönlicher Zuwendung haben ihm Weggefährten attestiert. Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), der Lohse sehr schätzte, lobte seine "Urteilskraft und moralische Integrität".
Der 1924 in Hamburg geborene Lohse scheute nie die klare Meinungsäußerung, etwa als er sich für die umstrittenen Ostverträge mit der DDR aussprach. Bereits 1979 mahnte er einen barmherzigen Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen an. Der frühere EKD-Chef Nikolaus Schneider schrieb ihm als einer seiner Amtsnachfolger: "Sie waren damit Ihrer Zeit und vielen Ihrer Zeitgenossen weit voraus."
Lohse selbst war stolz darauf, dass sich während seiner Amtszeit als Bischof landauf landab die Ordination von Frauen zu Pastorinnen etablierte. "Diese Neuformierung der Pfarrerschaft hat sich für unsere Kirche sehr positiv ausgewirkt", bilanzierte er später.
Lohses Werke prägten Generationen von Studenten
Seine wissenschaftliche Laufbahn begann der Sohn eines Studienrats unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er als Schnellboot-Kommandant bei der Marine gedient hatte. Bereits 1949 promovierte er in Göttingen. Professor für das Fach Neues Testament wurde er zunächst in Kiel, seit 1964 in Göttingen, wo er auch Rektor der Georg-August-Universität war. Seine wissenschaftlichen Werke prägten Generationen von Studenten.
1970 wählte ihn die hannoversche Landessynode zum Nachfolger von Landesbischof Hanns Lilje. Der populäre Lilje überraschte damals viele, als er einen Wissenschaftler für seine Nachfolge vorschlug. Lohse wiederum weckte als Bischof Erstaunen, als er sich für ein Studienhalbjahr in die USA zurückzog. In seine Zeit als Vorsitzender der Deutschen Bibelgesellschaft fiel die Modernisierung der Lutherbibel – für Lohse eines der wichtigsten Ereignisse seiner Amtszeit.
Trauerpredigt für Loki Schmidt
Mehrere Universitäten im In- und Ausland haben den Neutestamentler mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Die päpstliche Universität Gregoriana in Rom lud den Theologen zu Gastvorlesungen ein. 1988 wählte ihn der Weltbund der Bibelgesellschaften zu seinem Präsidenten. 2007 wurde Lohse für sein "einzigartiges wissenschaftliches Werk" und seine Impulse für das Verhältnis zwischen Juden und Christen mit dem Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen geehrt.
Viel Beachtung erfuhr Lohse Anfang November 2010: Im Hamburger Michel hielt er die Trauerpredigt für Helmut Schmidts verstorbene Ehefrau Hannelore ("Loki"). Und erst vor wenigen Wochen gab er noch eine einstündige Bibelarbeit vor dem Kirchenparlament in Hannover.
Wichtig war ihm die Gemeinschaft der Kirchen in der Ökumene. Gemeinsam mit dem Mainzer Bischof Karl Lehmann war er Vorsitzender des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen. Und besonders wichtig war ihm seine Familie, in deren Kreis er am Dienstag starb: seine Frau Roswitha, mit der er 63 Jahre verheiratet war, sowie drei Kinder und sechs Enkel.