17. April 2017 | Schweriner Dom

„Die Auferstehung Jesu ruft in den Aufstand gegen den Tod“

17. April 2017 von Gerhard Ulrich

Predigt Lukas 24, 36 – 45 am Ostermontag

I

„Erschienen ist der herrlich Tag, dran niemand g´nug sich freuen mag…!“ – Dieses Osterlied ist von überschäumender Freude bewegt. Unerschrocken klingt es: „Die alte Schlange, Sünd und Tod, die Höll, all Jammer, Angst und Not, hat überwunden Jesus Christ…“ – „Die Sonn, die Erd, all Kreatur, alles, was betrübet war zuvor, das freu sich heut an diesem Tag, da der Welt Fürst darniederlag. Halleluja!“ Ja, so ist es! Preiset Gott! 

Manchmal bleibt der Osterjubel im Halse stecken – oder, liebe Gemeinde? Was heißt hier: überwunden!!? Da ist das tägliche Morden und Klagen: Bomben fallen, Kinder werden vergast, Menschen werden im Gebet von Sprengstoff zerfetzt; Flugzeugträger fahren drohend auf; Völkerrecht scheint das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht; ein Sportlerbus ist Ziel eines feigen Bombenangriffs. Menschen in Aleppo, die darauf warten, aus den Regionen des Schreckens evakuiert zu werden, werden in die Luft gejagt. Das letzte bisschen Hoffnung auf friedliches Leben, das letzte bisschen Vertrauen: zerstört, zerbombt! Angst, Unsicherheit allerorten: Für viele, allzu viele Menschen in der Welt herrscht ein nicht enden wollender Karfreitag! Nicht leeres Grab, sondern überfüllte Gräberfelder! – Das geht wohl vielen Menschen durch den Kopf angesichts der schrecklichen Meldungen der letzten Tage.

Jesu Kreuz vielfältig, immer neu aufgerichtet; der Vorhang zerreißt, Allerheiligstes geschändet, Gottes Name verhöhnt in terroristischen Verbrechen. Jesu Opfertod wird immer noch gestorben.

Aber dann auch, zur selben Zeit, dieses Österliche: Menschen versammeln sich trotz Warnungen an dem Platz, wo der LKW seine Todesspur gezogen hatte; Fans von Borussia Dortmund laden Fans von AC Monaco zu sich nach Hause ein, haben Tischgemeinschaft: Uns bekommt ihr nicht klein, unseren Hass bekommt ihr nicht, ihr Kleingeister, uns schafft ihr nicht: „…der Welt Fürst“ wird darniederliegen, ihr werdet sehen! Nein: wir werden des Lebens Zukunft nicht suchen bei den Toten, nicht in Gewalt und Sterben. Wir werden nicht aufhören, das Leben zu suchen bei dem, der auferstanden ist. Der unterbrochen hat den elenden Kreislauf von Tod und wieder Tod.

Der Osterjubel ist immer schon ein Jubel gegen den vielfältigen Tod. Nicht lautes Pfeifen im dunklen Keller, sondern Erinnerung an Verheißung des Lebens inmitten der Welt des Todes: die Schlange wird nicht siegen, der Tod nicht das letzte Wort behalten – egal, wie es jetzt aussieht und um die Welt bestellt ist. Wir sind nicht machtlos ausgeliefert den Mächten des Todes. Weil da einer ist, der mehr ist als aller Tod, der höher ist, als alle verirrte Vernunft. Der gezeigt hat, wie das geht: Auferstehen in das Leben, aus der Trauer heraus. 

„Sein' Raub der Tod mußt geben her,
Das Leben siegt und ward ihm Herr,
Zerstöret ist nun all sein Macht.“

Martin Luthers „Was Christum treibet“ treibt auch den Dichter dieses Liedes, Nikolaus Hermann: Dass Gottes Gerechtigkeit keine strafende, sondern liebende Gerechtigkeit ist. Uns zugewandt. Liebe, mit der er sich auf unsere Seite schlägt. So sehr, dass Gott im Menschen Jesus unser Bruder wird: Der Gott lebt. Für uns. Der stirbt. Für uns. Der stark ist in seiner Schwäche. Kraftvoll in seiner Gewaltlosigkeit. Und in seiner Liebe stärker als die Mächte, die ihn ans Kreuz nageln. Ja, stärker als der Tod selbst. Und dessen Grab am Ostermorgen leer gefunden wird. Weil der Herr da ist, wo er hingehört: bei den Lebenden.  

Paulus sagt: „Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“

II

Dieses Wunder des Umschwungs vom Tod zum Leben wurde gefeiert und besungen schon von den ersten Christenmenschen, und in die Welt hineingerufen. Ganz am Anfang der Glaubensgeschichte der Christen steht, singt und tanzt die Freude über die Nachricht, dass einer, der tot war, auferweckt wurde von Gott zum Leben! Das Entsetzen der Frauen am Ostermorgen wurde verwandelt in diese Freude. Ebenso die Erfahrung der beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus – der Fremde, der das Brot bricht und den sie daran erkennen als den auferstandenen Christus: „Brannte nicht unser Herz“?

Und genauso in unserem Predigttext bei Lukas im 24. Kapitel:

„Als sie aber davon redeten, trat er selbst mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Da sie es aber noch nicht glauben konnten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm's und aß vor ihnen. Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Moses und in den Propheten und Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden.“

Der Auferstandene bleibt sich treu. Nicht durch gewaltige Erscheinungen überzeugt er. Nicht so gewinnt er die Herzen und lässt sie brennen. Nicht wie die Götzen der Macht und Stärke, der Eleganz und Schönheit. Erst recht nicht wie die politischen Gottheiten, die sich aufschwingen zu Herren über Leben und Tod. Auch nicht wie die Verbrecher, die als Terroristen sich aufschwingen zu Herren über Leben und Tod, die dabei ihre eigene Religion verraten und alle Religionen der Welt gleich mit; in deren Händen Autos zu Mordwaffen werden, mit denen sie die Sicherheit zerfahren und Keile fahren in den Frieden.

Ganz anders: Der Auferstandene bleibt einer zum Anfassen. Einer, der zusammenbringt die Versprengten. Der die Hoffnungslosen überrascht – ganz ungeahnt leiblich: einer, der Zeit lässt, ihn neu zu begreifen.

Er geht auf die Jünger zu. Hört zu. Er kennt ihre Zweifel, ihre Fragen; ihre Ängste und inneren Kämpfe. Sie würden doch nur zu gerne glauben.

Aber: können wir unserer eigenen Wahrnehmung trauen, fragen sie sich? Wohin treibt uns dieses Wechselbad aus Bangen und Hoffen, aus Verzweiflung und Zuversicht? Sehen wir schon Gespenster?

In ihrem Trauma von Verlust und Schmerz sind sie tief verunsichert. Und der Auferstandene versteht das. Er hilft allen, die ihm nahe sind, zu begreifen, was in und mit ihm geschieht. Er führt ihnen seine Auferstehung vor Augen. Macht das Un-Begreifliche be-greifbar. „Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße.“

Der Auferstandene nimmt sie, nimmt uns ernst. Und er geht noch einen Schritt weiter. Er bittet um Essen. Als er vor ihren Augen isst, da hat er sie ganz überzeugt.

Welch ein menschenfreundlicher Christus! Er weiß: unsere Seele braucht Zeit, um zu begreifen; braucht Zeit, um durch alle Zweifel hindurchzustoßen. In Lebenskrisen – sei es eine Wandlung zum Schlimmen oder eine zum Schönen – da kann unsere Seele nicht fliegen. Wenn etwas in unser Leben so einschneidet, dass hinterher alles anders ist als vorher. Dann kreist die Seele auf der Stelle, umrundet immer wieder das große Geschehen. Da helfen nicht Twitter und Facebook: die Seele geht nach wie vor zu Fuß. Da brauchen wir Zeit und müssen abgeholt werden. Und Christus holt uns ab und lässt uns dabei erfahren, was Großes, was da Weltbewegendes in unser Leben getreten ist. Immer neu. Trotz immer neuer, uralter Zweifel.

III

Das ist das Ungeheuerliche, Umwälzende: Jesus, am Kreuz gestorben, tot ins Grab gelegt. Dort ist er jetzt nicht mehr. Das ist Ostern: der Weckruf des Glaubens angesichts des Unglaubens, angesichts des vielfältigen Todes um uns herum und in uns: nichts muss bleiben in der Grabkammer des Schreckens! Alles darf hinaus. Alles darf neu ins Leben.

Diese grundlegende Revolution Gottes bleibt in Kraft – und keine Mauer, kein mit Stacheldraht umgürtetes vermeintlich christliches Abendland, kein „Kampf der Kulturen“ wird sie sichern müssen oder aufhalten können. Diese Revolution Gottes bedroht nichts und niemanden – außer den Tod und die Mächte des Todes, seine Agenten. Sie allein werden ent-mächtigt. Eine große Verwandlung ist da geschehen, ein für alle Mal: Gott hat den gekreuzigten und gestorbenen Jesus auferweckt von den Toten. Es ist nicht alles aus, wenn es zu Ende ist! Bei Gott geht nichts und niemand verloren!

IV

Wir brauchen es, dass wir erinnert werden an Gott, seine Macht und Kraft. Denn die Mächte des Todes sind gegenwärtig. Überall in der Welt werden wir zu Zeuginnen und Zeugen von Kriegen, Hunger, Ungerechtigkeit, Verfolgung. Manchmal fühlen wir uns selbst wie abgestorben: es gibt so viel, was uns im Glauben erschüttert und zweifeln lässt an uns, an anderen, an Gott. Ja, es wird noch gestorben in dieser Welt, und es wird noch getötet in dieser Welt. Und die gewaltsame Herrschaft des Todes gewinnt noch an Kraft und Dynamik durch Sünde und Gesetz, sagt Paulus, durch die überheblichen wie frommen Versuche, Gott gleich sein zu wollen, ihn im eigenen Leben zu entmachten oder ihn ins Festtagsexil zu verbannen. Aber es gibt die Bewegung von Ostern her: es hilft das Aufschauen auf den, der alles so herrlich regieret. Der, der dem Tod in die Speichen greift, wird auch das Rad meines Lebens drehen und lenken.

Viele Menschen leben von dieser Oster-Energie her und versuchen, sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Die Welle der Hilfsbereitschaft für Flüchtende seit vorletztem Jahr, die Christen und Konfessionslose vereint und die ja längst noch nicht zu Ende ist: sie steht dafür. Und es kann uns nicht ruhig lassen, wenn der Diktator in Syrien weiter auf sein eigenes Volk Bomben wirft, andere ihn dabei protegieren, wieder andere Schaukämpfe mit ihm ausfechten und so ein Volk in die Flucht getrieben wird. Und es kann uns nicht ruhig lassen, wenn Christen in Ägypten und an anderen Orten der Welt verfolgt, getötet werden – wie es uns nicht ruhig sein lassen kann, wenn Angehörige anderer Religionen wegen ihres Glaubens verfolgt und ihre Heiligtümer niedergebrannt werden. Doch dem Hass werden wir nicht mit Gleichgültigkeit begegnen. Und auch nicht mit neuem Hass!

In Ägypten geschieht es, dass Muslime sagen: der Tod unserer christlichen Schwestern und Brüder ist unser Tod, ihre Trauer ist unsere Trauer. Und sie finden sich ein in Gottesdiensten, bieten ihre Moscheen an für Gottesdienste, sind beieinander im Gebet.

Gott kehrt die Werte der Welt um; er zeigt, wie er ein Ende macht dem Elend und einen Anfang mit Freiheit und Gerechtigkeit, die fließen sollen wie ein Strom. Dieser Gott lässt sich nicht vereinnahmen von denen, die ihn so gern für sich gepachtet hätten: die Mächtigen, die mit ihm in den Krieg ziehen wollen; die Wahnsinnigen, die in seinem Namen töten, terrorisieren, unterdrücken: in Stockholm, St. Petersburg und London. In Aleppo und Palmyra. Die Frommen, die selbstgerecht richten über Gut und Böse, Himmel und Hölle. Der Gott der Auferweckung Jesu vernichtet nicht. Und indem er richtet, richtet er auf – hebt den Bedürftigen aus dem Staub und den Armen aus der Asche. Es ist sein Wille nicht, dass das Elend dieser Welt das letzte Wort behalte. Es ist sein Wille nicht, dass Menschen Hungers sterben, verfolgt werden und verachtet – das ist von Menschen gemachter Irrsinn. Sein Wille ist es, dass ein Ende damit sei.

Ja, die Auferstehung Jesu ruft in die Auferstehung jetzt, in den Aufstand gegen den Tod, gegen alles, was das Leben bedroht hier in der Welt; ruft in den Widerspruch gegen allen Hass und alle Gewalt, gegen Intoleranz und radikale Ideologien.

„Geht nach Galiläa“, sagt der Engel zu den Frauen. Geht dahin, wo die Menschen sich sehnen nach Gott, wo sie warten auf das befreiende Wort, die helfende Tat. Geht als Verwandelte und erhebt Einspruch überall da, wo der Mensch zum Objekt wird. Geht als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu. Bringt den Menschen, was wir alle brauchen: Brot und Gemeinschaft, Liebe und Zukunft. Denn: „der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“
Amen. 

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