Die verschollenen Malereien der Kirche von Glewitz erzählen eine Geschichte
11. August 2015
Glewitz. Jeden Sommer feiert die Glewitzer Gemeinde das Margarethenfest und erinnert daran, wie Restauratoren 1995 in ihrer Kirche auf eine Heiligenlegende stießen. Der Fund wurde zum Segen für das ganze Gebäude.
Eigentlich ging es nur um die Fenster, als vor 20 Jahren ein Restaurator die Dorfkirche Glewitz bei Grimmen betrat. „Das Gebäude hatte damals ein feuchtes, muffiges Klima“, erzählt Rolf Kneißl, seit 23 Jahren Pastor in der Gemeinde. Trist und dunkel wie ein Keller habe der Raum gewirkt, zwei der Fenster waren mit Lehm verschlossen. „Die wollten wir öffnen.“ Aber vorher sollte ein Fachmann prüfen, ob unter der graugrünen Wandfarbe alte Malereien schlummerten.
Das Ergebnis verblüffte. „Ein paar Jahre vorher hieß es noch, in der Kirche gebe es so was nicht“, erzählt Rolf Kneißl. Diesmal wurde Restaurator Reinhard Labs aus Stralsund fündig: An einem Probestück unter den Fenstern kamen mittelalterliche Bilder zum Vorschein – skizzenhaft, hier ein Pferderücken, da ein Gesicht. Labs legte weitere Probeflächen frei. Die Bilder, die er entdeckte, schienen eine Geschichte zu erzählen, fast wie ein Comic. „Wir wussten nur nicht, welche Geschichte“, sagt Kneißl. Dann habe sich der Greifswalder Kunst- und Kirchenhistoriker Professor Hans Georg Tümmel alles angesehen und erklärt: „Das ist die Legende von der heiligen Margarethe.“
Zentimeter um Zentimeter zum mittelalterlichen Bild
Bis heute feiert die Gemeinde Glewitz jeden Sommer diese Entdeckung; gerade wieder gab es am 20. Juli, dem Tag der heiligen Margarethe, ein Fest mit rund 100 Besuchern. „Dass unsere Kirche heute in einem relativ guten Zustand ist, haben wir ja den Wandmalereien zu verdanken“, erklärt Kneißl. Lange Zeit habe man vorher vergeblich versucht, Fördermittel zu bekommen, um die feuchten Mauern des rund 700 Jahre alten Gotteshauses trockenzulegen, das Dach zu reparieren. Erst, als Experten sicher waren, dass unter dem Putz noch reiche mittelalterliche Malereien lagen, öffneten sich Fördertöpfe.
Nicht alle in der Gemeinde erkannten gleich den Wert des Fundes. „Viele hätten den Raum am liebsten weiß getüncht“, erinnert sich Kneißl. Stattdessen legten Restauratoren über fünf Jahre Zentimeter um Zentimeter der über 600 Jahre alten Malereien frei.
Wie eine Bildergeschichte
Heute finden Besucher an allen Wänden Malereien vor, die aus einer Hand stammen. Kirchenführer erzählen, dass der Maler um 1370 hier gestanden und in die feuchte und trockene Kalkschlemme hinein gemalt haben muss. Detailreiche Bilder warf er an die Wand. „Sie erinnern an böhmische Buchmalerei aus dem 14. Jahrhundert“, sagt Kneißl. Noch etwas sei besonders: „Dass sie fast vollständig erhalten sind.“ Weil bei der Restaurierung nichts ergänzt wurde, hat man heute fast die ursprüngliche Malerei vor sich. Damit gehören die Glewitzer Bilder zu den bedeutendsten hochmittelalterlichen Wandmalereien von MV.
31 Einzelbilder hat der Maler der heiligen Margarethe von Antiochien gewidmet. Auch andere Heilige, Legenden und biblische Geschichten hinterließ er an den Wänden. Im 14. Jahrhundert, vermutet Kneißl, konnten die Gläubigen das noch lesen wie eine Bildergeschichte.