Ehrenamtliche "Foodsaver" retten Lebensmittel
01. Oktober 2021
Ein nachhaltiger Umgang mit Nahrungsmitteln sollte nicht nur an Erntdank im Mittelpunkt stehen. Die Lübecker Kirchengemeinden engagieren sich in einem Foodsharing-Netzwerk und retten so Lebensmittel vor der Abfalltonne. Frei nach dem Motto: "Jeden Tag ist Erntedank".
Pro Jahr bewahren sie 131 Tonnen Lebensmittel vor der Mülltonne. Insgesamt 200 Ehrenamtliche helfen im Netzwerk mit - und geben die Lebensmittel weiter anstatt sie wegzuwerfen.
Keine Verschwendung
"Wir wollen Gutes tun und Menschen mit den Waren, die unsere Foodsaver retten, helfen, die sie brauchen", sagt Aktivistin Melanie Hardt. Die Produkte, die größtenteils aus dem lokalen Einzelhandel, aber auch aus Gastronomie und Hotellerie stammen, werden direkt weiterverteilt. "Wir haben ein gut funktionierendes Verteilungssystem in allen Stadtteilen aufgebaut", sagt sie.
Alternativ werden sie in den sogenannten Fairteilern einsortiert. Zwölf dieser Schränke gibt es in der Stadt. Drei von ihnen werden von evangelischen Kirchengemeinden betreut. "Beim Erntedankfest 2020 haben wir unseren Fairteiler offiziell mit einem Freiluft-
Gottesdienst eingeweiht", erinnert sich Anne Mareike Müller. Die Pastorin der Bugenhagen-Gemeinde in Lübeck-Buntekuh wollte ein Zeichen setzen - für Nachhaltigkeit, einen achtvollen und wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln.
Fairteiler wird sehr gut angenommen
Ein Vorhaben, das funktioniert - vor allem aber in dem Stadtteil hervorragend angenommen wird. "Wann immer der Fairteiler aufgefüllt wird, es dauert nie lang, bis er wieder leer ist." Obst und Gemüse, Aufbackbrötchen, Nudeln und Konservendosen finden reißenden Absatz. "Manchmal geht es auch ganz schnell: Einmal hatten wir größere Mengen Marzipanbruch - der war nach zehn Minuten schon weg."
Ein festes Team ehrenamtlicher Helfer - von der Konfirmandin bis zur Pensionärin - betreut den Fairteiler, schauen täglich nach dem Rechten, räumen auf, wenn in Einzelfällen doch einmal Waren nicht abgeholt wurden und verdorben sind. Wie groß das Engagement ist, kann Pastorin Müller aber noch an einem anderen Beispiel benennen: "Ich musste schon ein paar Mal Gemeindeglieder darauf hinweisen, nicht extra Produkte im Supermarkt zu kaufen, um diese in den Fairteiler zu bringen."
Ziel des Foodsharings sei primär, Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu retten. Und davon gibt es genug. Täglich sind Dutzende Foodsaver, die für eine notwendige Lizenz extra einen Lehrgang absolvieren müssen, zwischen Travemünde und Kronsforde unterwegs.
Jeden Tag im Einsatz
Konkrete Statistiken, wieviel Lebensmittel vor der Vernichtung gerettet werden, gibt es nicht. Aber eine bemerkenswerte Zahl kann Melanie Hardt von Foodsharing Lübeck dann doch benennen: "Pro Tag verteilen wir pro Fairteiler rund 30 Kilogramm Lebensmittel." Aufs Jahr gerechnet sind das mehr als 131 Tonnen.
Auch in der Wichern- und der St.-Georg-Gemeinde in Lübeck-Moisling fällt die Bilanz nach einem Jahr Fairteiler positiv aus. Anders als in Buntekuh und bei Andreas Mahler, Pastor der St.-Philippus-Gemeinde, auf Marli steht der bemalte Lebensmittelschrank nicht neben der Kirche sondern zentral an einem Gesundheitszentrum.
"Wir hatten so gut wie keine Probleme mit Vandalismus, im Gegenteil: Wir haben den positiven Eindruck, dass die Menschen auf ihren Fairteiler aufpassen - schließlich ist dieser ja auch von Moislingern für Moislinger", sagt Gemeindepastorin Barbara Hoffmann-Fette. Nicht selten würden vom Fairteiler nicht nur Menschen profitieren: "Häufig wird auch Tierfutter in den Schrank gestellt, was vielen Familien im Stadtteil zusätzlich hilft."
Freiwillige gesucht
Die Seelsorgerin hat Pläne, das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln weiter zu schärfen. "Ich würde gern aktiv in die Schulen gehen und gemeinsame Projekte rund um das Thema Foodsharing, Schöpfung und Nachhaltigkeit initiieren." Worte, die Melanie Hardt von Foodsharing Lübeck gern hört. "Wir suchen dringend weitere Freiwillige, die sich mit uns für die Lebensmittelrettung engagieren wollen", sagt die 34-Jährige.
Tatsächlich gebe es etliche Unternehmen und Betriebe, die sogar aus eigener Initiative Lebensmittel zur Abholung anbieten würden. "Leider scheitert dies mitunter einfach daran, dass wir nicht genug Ehrenamtliche haben - aber das möchten wir ändern und zwar lieber heute als morgen, denn jeden Tag gibt es überall Waren, die gerettet werden möchten."