12. Juni 2016 | St. Petri-Dom zu Schleswig

„Ein Tag des Aufbruchs und der Freude“

12. Juni 2016 von Gothart Magaard

3. Sonntag nach Trinitatis, Predigt im Ordinationsgottesdienst zu 1. Tim 1,12-17

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch. Amen.

 

Liebe Festgemeinde,
liebe Ordinandinnen und Ordinanden,

der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 1. Timotheusbrief. Diesen Abschnitt lese ich noch einmal im Zusammenhang:

Ich danke dem, der mich ermächtigt hat, Christus Jesus, unserem Herrn, dass er mir sein Vertrauen geschenkt und mich in seinen Dienst gestellt hat,

mich, der ich zuvor ein Gotteslästerer war und andere verfolgte und misshandelte. Doch ich habe Erbarmen gefunden, weil mir, da ich noch im Unglauben war, nicht bewusst war, was ich tat.

Überreich aber zeigte sich die Gnade unseres Herrn und mit ihr Glaube und Liebe in Christus Jesus.

Zuverlässig ist das Wort und würdig, vorbehaltlos angenommen zu werden: Christus Jesus ist in die Welt gekommen,um Sünder zu retten - unter ihnen bin ich der erste.Aber eben darum habe ich Erbarmen gefunden: An mir als Ersten sollte Christus Jesus die ganze Fülle seiner Geduld zeigen, beispielhaft für alle, die künftig an ihn glauben und so ewiges Leben finden.

Ehre und Herrlichkeit sei dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren und einzigen Gott, in alle Ewigkeit. Amen.“

Liebe Schwestern und Brüder,

„ausgerechnet ich“ – so hätte der Apostel auch beginnen können. Ausgerechnet ich, der Christenverfolger, der religiöse Nullmerker und Geisterfahrer. Ja, es hätte wirklich bessere Kandidaten gegeben, um sein Evangelium in diese Welt zu tragen. Es hätte überzeugendere Botschafter seiner Menschenfreundlichkeit gegeben als einen, der Gottes Liebe so eng geglaubt hat. Für den dieser Christus einer war, der den Tod verdient hatte.

„Ausgerechnet ich“ – das sagt man im Rückblick, wenn sich das Leben vor einem entfaltet und man die merkwürdigen Wendungen darin sieht. Und rätselt und manchmal im Nachhinein ahnt, wo Gott seine Finger im Spiel gehabt haben mag.

Man tut das staunend, nachdenklich, fragend.  Man spürt die Widersprüche, die sich zwischen Gottes Plänen und den eigenen Zielen auftun.

Man wird auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: „Du bist Gottes Geschöpf, von Christus gerufen, in den Dienst genommen. Das hast du dir nicht ausgesucht – ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Ich habe meine eigenen Gedanken für dich. Und deine Widerstände, deine Unfreundlichkeit und ein Hass werden mich nicht schrecken.“

Liebe Gemeinde, die Gestalt des Paulus, hier wohl zu deutlich späterer Zeit noch einmal von einem nachdenklichen Christenmenschen reflektiert, ist bis heute von elementarer Bedeutung für unseren christlichen Glauben. Paulus war es, der das Evangelium über die Grenzen hinaustrug, der den Kontakt mit der griechischen Welt suchte und die gute Botschaft übersetzte.

Paulus war und ist es, der Christenmenschen Pfade in die biblische Überlieferung eröffnet, auf denen sich das Geheimnis Gottes erschließt. Die innerste Bewegung Gottes ist Liebe. Sie zeigt sich am Kreuz, in der Solidarität mit den geschundenen Menschen. Sie zeigt sich in der Todesferne, wo der Auferstandene Leben verheißt. Sie zeigt sich im Alltag der Gemeinde, wo Gottes Geist Menschen in den Dienst nimmt. Sie zeigt sich in der eigenen Biographie, in der Gott Wege durchkreuzt.

„Ausgerechnet ich“ stellt der Apostel nachdenklich fest und erinnert sich daran, wie er Gottes unverdiente Liebe am eigenen Leib gespürt hat.

Liebe Schwester und Brüder, zu solcher Nachdenklichkeit führen gelegentlich auch besondere Tage. Eben Tage wie der heutige.

Auf der einen Seite ist es ein Tag des Aufbruchs. Unsere Kirchengemeinden in Hollingstedt und Malente, in Tellingstedt und Wanderup, in Bad Segeberg und Teetenbüll/Katharinenheer, und mit Ihnen unser ganzer Sprengel, unsere ganze Nordkirche und unsere Partnerdiözese Ely in England freuen sich auf und über diese neuen Pastorinnen und Pastoren.

Erwartungsvoll sehen Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, die vielen haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden entgegen und freuen sich auf neue Ideen, auf Anfänge und Kontinuitäten, auf Begegnungen und Austausch mit Ihnen. Ganz gleich, ob es um Gottesdienste geht oder um Seelsorge, den Konfirmandenunterricht, die Gemeindeleitung oder das Engagement für die Flüchtlinge in unserer Nachbarschaft. Manche Menschen aus Ihren neuen Gemeinden sind heute hier nach Schleswig gekommen und es ist schön, dass Sie da sind und Ihre Pastorinnen und Pastoren am heutigen Tag begleiten! Andere wiederum beten für Sie aus der Ferne.

Und Sie, liebe Ordinandinnen und Ordinanden, das habe ich in unseren Gesprächen bei der Vorbereitung dieses Tages deutlich gespürt, sind hoch motiviert und gespannt auf das, was nun auf Sie zukommt. Sie sind gut vorbereitet und gestärkt durch das Theologiestudium und die Ausbildung und Begleitung im Predigerseminar, durch die Gemeinschaft in Ihrem Vikariatskurs und all das, was Sie aus Ihren Vikariatsgemeinden mitnehmen. Und auch von dieser Seite werden Sie heute bei diesem wichtigen Schritt begleitet. Das ist wunderbar und vielversprechend, wenn Sie so gestärkt beginnen können.

Und zugleich kommt heute etwas zum Abschluss: der Weg der Annäherung an den Beruf des Pastors und der Pastorin, der bei manchen bereits deutlich vor dem Theologiestudium begonnen hat: mit dem Interesse, das vielleicht schon früh in der Kindheit an biblischen Geschichten geweckt wurde; bei anderen vielleicht in besonderer Weise durch die Musik; durch Begegnungen mit Menschen, die Christinnen und Christen waren und Ihnen vielleicht Vorbild wurden, zu Gesprächen bereit waren, sich ihren Fragen und Zweifeln gestellt haben.

Denn der Glaube entwickelt sich nie beziehungslos, er braucht das Gegenüber. Vielleicht waren es Menschen im familiären Kontext, Religionslehrerinnen oder -lehrer, Gemeindeglieder, eine Pastorin oder ein Diakon. Aus Impulsen wurde ein Weg durch das Theologiestudium mit neuen Anreizen, mit Lust und vielleicht auch Frust, mit vielen neuen Gesprächspartnern, mit Begeisterung und Anfechtung.

Auch wenn das Thema „Fortbildung“ Sie begleiten wird – der Ausbildungsweg ist nun abgeschlossen. Sie lassen heute auch etwas hinter sich, das werden Sie merken, in der Verantwortung, in den Erwartungen, mit denen Sie umgehen lernen müssen.

Liebe Schwestern und Brüder, all diese Begegnungen, dieses theologische Wissen, diese Erfahrungen prägen Ihre Identität als Pastorin oder als Pastor und das wird angereichert werden mit Erfahrungen im Pfarramt. Sie werden Veränderungen an sich beobachten, gute und kritische und in das Amt hineinwachsen, zu dem wir Sie heute beauftragen. Und wir trauen Ihnen das zu!

„Ausgerechnet ich“ – Ob der eine oder die andere unter Ihnen womöglich im Rückblick auch darüber staunt, dass Sie nun heute hier sind und diesen Weg gehen werden? Bei der Vorbereitung meinte jemand, der Paulustext für diesen Sonntag passe wie die Faust aufs Auge. Also Vorsicht!

Mich jedenfalls ermutigen die Worte aus dem Timotheusbrief, die Paulus so gekonnt in den Mund gelegt werden. Sie ermutigen mich dazu, auch das Sperrige in unseren Glaubensgeschichten wahrzunehmen.

Wir müssen unsere Geschichten nicht schönreden oder „frisieren“. Wir können uns ihnen stellen und darüber staunen, was Gott mit uns vorhat.

Und mehr als das: das, was in unseren Glaubensgeschichten widerständig ist, wo wir gehadert haben und Zweifel spüren, ist eine wertvolle Ressource. Es ermöglicht uns, mit denen ins Gespräch zu kommen, die selbst mit Gott ringen, zweifeln und mehr Fragen als Antworten haben.

Und überhaupt: Theologie, mit der Sie hoffentlich nicht so schnell abschließen werden, ist ja nicht die Wissenschaft der richtigen Antworten, sondern die der Auseinandersetzung mit der Überlieferung und der Gegenwart. Sie ist die Kunst, Fragen zu stellen, mit Martin Luther: in oratio – tentatio – meditatio: im Gebet, in Anfechtung und Meditation dem Evangelium nachzuspüren.

Es ist die Kunst, unseren Alltag mit den vielen auf den ersten Blick oft weltlichen Aufgaben so zu entziffern, dass noch in der sprödesten Verwaltungssitzung Spuren von Gottes Menschenfreundlichkeit – und vielleicht auch von seinem Humor – aufleuchten.

Wir sind in den Dienst genommen mit all dem, was wir als Person mitbringen. Ganz und gar, mit Haut und Haaren, mit Herz und Verstand, mit Gelingen und Scheitern – Wir sind genau so in den Dienst genommen und gefordert und dabei menschenfreundlich angesehen von dem, der sich durch unsere abgründigen Seiten nicht schrecken lässt.

Liebe Schwestern und Brüder,

der nachdenkliche Rückblick des Apostels ist im Timotheusbrief vom Lob Gottes eingefasst: Am Anfang: Ich danke dem, der mich ermächtigt hat, Christus Jesus, unserem Herrn, dass er mir sein Vertrauen geschenkt und mich in seinen Dienst gestellt hat. ... Und am Schluss: Ehre und Herrlichkeit sei dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren und einzigen Gott, in alle Ewigkeit. Amen.“

So endet der Predigttext. Noch einmal staunend: diesmal nicht angesichts der eigenen Vergangenheit, sondern angesichts der Unergründlichkeit dieses göttlichen Geheimnisses. Es ist das Geheimnis des Glaubens, das uns in seinen Bann zieht, das mit Gedanken und Worten nie endgültig zu fassen ist, das uns antreibt und anstiftet und um Himmels willen von diesem Gott nicht schweigen lässt.

Der Segen dieses Gottes leite Sie in ihrem Dienst!

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen in Christus Jesus.
Amen.

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