Gedenken

Erinnerungen an den jüdischen Friedhof Niederhof

Er ist einer der ältesten jüdischen Gedenkorte der Ostseeküste: Der Jüdischer Friedhof Niederhof.
Er ist einer der ältesten jüdischen Gedenkorte der Ostseeküste: Der Jüdischer Friedhof Niederhof. © A. Klinkhardt

25. Februar 2021 von Annette Klinkhardt

"Gedenken" als Thema des Eröffnungsgottesdienstes der Landessynode. Die Synodale Henriette Sehmsdorf stellt im Gespräch mit Bischof Tilman Jeremias ihren Gedenkort vor – den Jüdischen Friedhof in Niederhof.

Bischof Tilman Jeremias: Für unseren Synodengottesdienst haben Sie sich als Gedächtnisort diesen jüdischen Friedhof hier in Niederhof ausgesucht, der älteste jüdische Friedhof an der ganzen Ostseeküste, habe ich gelesen. Was hat Sie bewegt, diesen Ort zu wählen?

Henriette Sehmsdorf: Es ist der älteste jüdische Gedenkort an der Ostseeküste, und ich bin sehr froh, dass wir den in unserer Gemeinde Sundhagen haben. Es macht mich stolz, dass hier Menschen den Mut hatten, zu sagen, hier ist Platz, hier könnt ihr herkommen und eure Toten beerdigen und ihrer gedenken. Das war 1776, als es für Juden in Greifswald und in Stralsund nicht erlaubt war, ihre Toten in der Stadt zu bestatten.

Boote als verbindendes Element

Besonders spannend an diesem Ort finde ich auch die unmittelbare Nähe zu diesem slawischen Burgwall, ein ganz magischer Ort, ein spiritueller Ort, der für mich auch noch ganz andere Assoziationen auslöst. Allein der Gedanke, dass unsere jüdischen Mitbürger ihre Toten hier nicht mit der Kutsche hergebracht haben, sondern mit dem Boot anlandeten, finde ich eine wunderschöne Vorstellung. Sie erinnert mich zugleich an unser ältestes Adventslied: "Es kommt ein Schiff geladen / bis an sein‘ höchsten Bord/ trägt Gottes Sohn voll Gnaden / Des Vaters ewigs Wort"

Das Bild des Schiffes ist für mich eine Verbindung, die einen Bogen schlägt zu allen Religionen, mit denen wir verwurzelt sind, mit denen wir Gemeinsamkeiten haben. Ich finde, dieser Ort ist etwas Einzigartiges. Er ist es wert, besucht zu werden, und ich würde mich freuen, wenn viele Menschen hier inspiriert werden.

Ein Ort der Erholung

Danke schön. Und es ist auch ein Ort, wo sie hingehen, um in Stille zu sein, um zu meditieren?

Ganz genau, dieser Ort fühlt sich ein bisschen an wie Ostsee, obwohl wir hier am Sund sind. Das bedeutet für mich Erholung und Einkehr. Ich finde hier diese Nähe von Land und Wasser, die friedliche Nachbarschaft von Judentum und Heidentum. Das ist etwas, was mich als Christin besonders bewegt und erfrischt.

Wir haben ja ein Gedenkjahr dieses Jahr, 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Sehen Sie auch diesen Friedhof als Zeugnis im Rahmen von diesem Gedenkjahr?

Ja, das ist ein schöner Zufall, dass wir 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiern, und hier in unserer Gemeinde in Sundhagen haben wir ein schönes Zeugnis, dass es auch Menschen gegeben hat, die diesem jüdischen Leben einen Platz eingeräumt haben.

Ganz herzlichen Dank!

Historiker Prof. Dr. Haik Porada zum jüdischen Friedhof Niederhof 

"Es gab bereits im Mittelalter entlang der Ostseeküste jüdische Friedhöfe, die allerdings nach den Pogromen und Ausweisungen in der Zeit um 1500 in der Regel zerstört worden sind. Diese Friedhöfe waren zweifellos ‚die ältesten an der Ostseeküste‘, wie es für Niederhof etwas vollmundig bei Wikipedia heißt.

Die Neubildung von jüdischen Gemeinden war danach in unserer Region für lange Zeit nicht mehr möglich. Auch nach der Reformation lehnte man sowohl in Mecklenburg als auch in Pommern eine Ansiedlung von Juden strikt ab. Dies lockerte sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts. In Schwedisch-Pommern, war es ihnen allerdings in dieser Zeit weiterhin verboten, ihre Toten zu begraben.

Nun brauchte man aber für den Betrieb der Stralsunder Münze Juden. Dies bedeutete, daß die Toten über die Landesgrenze ins Mecklenburgische zu den nächstgelegenen jüdischen Friedhöfen in Sülze (heute Bad Sülze) und Ribnitz gebracht werden mußten. Bei den damaligen Wegeverhältnissen und bei der hohen Kinder- und Frauensterblichkeit stellte das eine unerträgliche Qual für die „Münzjuden“ und ihre Familien dar. Daher hatte der Kammerrat und Münzdirektor Joachim Ulrich Giese diesen Begräbnisplatz auf seinem privaten Grund und Boden in Niederhof vor den Toren Stralsunds für seine jüdischen Mitarbeiter ab 1776 geschaffen.

Im Zuge der Novemberpogrome 1938 und in der Zeit danach sind die ‚neuen‘, also seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Friedhöfe, in oder bei den Städten größtenteils verwüstet und beseitigt worden. Die abseitige Lage von Niederhof und der Mangel an Eiferern im Ort und in der Umgebung hat diesen Friedhof vor diesem Schicksal bewahrt."

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