31. Oktober 2014 | Schwerin

Friedliche Revolution, Wunder und Gottesgeschenk

31. Oktober 2014 von Gerhard Ulrich

Festrede beim Reformationsempfang der Nordkirche im Sprengel Mecklenburg und Pommern, Schwerin, Reformationstag 2014

„Der Güstrower Vertrag als Rechtsgrundlage für den Dienst der Evangelischen Kirche an den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern – eine Würdigung“

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Schwesig,
sehr geehrte Frau Ministerin Kuder,
sehr geehrte Abgeordnete des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Voß,
sehr geehrter Herr Brigadegeneral Munzlinger,
sehr geehrter Herr Bürgerbeauftragter Crone,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Gramkow,
sehr geehrter Herr Weihbischof Werbs,
sehr geehrte Herr Bischof i.R. Rathke,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter aus den Landkreisen und Kommunen,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Universitäten und Gerichte, der Vereine und Verbände,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder in Christus!

In diesen Tagen erinnern wir uns an den hoffnungsvollen Aufbruch in Europa und in unserem Land im Herbst 1989. Viele Kirchengemeinden öffneten ihre Räume, damit sich Christen und Nichtchristen darin versammeln konnten. Damit sie frei reden und diskutieren konnten, wohl wissend, dass das, was gesagt wurde, nicht in den Kirchenmauern blieb eingesperrt blieb. Das war der erste Schritt, gegen Angst, Ohnmacht und Sprachlosigkeit aufzustehen. In den Gebeten und Gottesdiensten Orientierung zu finden, mit der Botschaft Jesu Christi Hoffnung, Gewaltlosigkeit und Friedfertigkeit einzuüben.

Und im zweiten Schritt bahnte sich die immer größer werdende Zahl der Menschen einen Weg auf die Straßen und Plätze der Städte. Wir erinnern uns in diesem Herbst an die friedliche Revolution vor 25 Jahren. Vor allem die riesige Montagsdemonstration am 9. Oktober war ein Fanal für das ganze Land. Das war ein wunderbarer Beitrag zur Weltfreiheitsgeschichte: „Wir sind das Volk!“ Ohne die offenen Kirchen und das Engagement der Christinnen und Christen in der ehemaligen DDR wäre das alles nicht möglich gewesen. Zugleich war sie ein Wunder und Gottesgeschenk, das zeigt, wie die Kirche in die Gesellschaft hineinwirkt. Dass sie eine Verantwortung trägt zur Mitgestaltung in der Welt. Dass sie sich nicht hinter Mauern zurückzieht, sondern ihre Türen öffnet, damit sich Menschen anstecken lassen vom im besten Sinne ansteckenden Bakterium mit Namen „Freiheit“!  

In dem Roman „Nikolaikirche“ von Erich Loest sagt ein ranghoher Stasioffizier als er am 9. Oktober auf den Demonstrationszug in Leipzig schaut: „Wir waren auf alles vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete.“ Nein, Kerzen und Gebete hatte die Stasi schlicht nicht auf dem Zettel – aber sie waren es, die die Mauer mit eingerissen haben.

In seiner Rede bei der Unterzeichnung des Güstrower Vertrages hat es der damalige Ministerpräsident Dr. Berndt Seite so ausgedrückt: „Allein, dass in der Kirche ein Raum blieb, der dem totalitären Anspruch trotzte, dass wir in der Kirche ohne Partei und Staat eine Ordnung am Leben erhielten, allein das war letztlich Sprengstoff für die Mauern aus Beton und Ideologie, in denen uns das Regime gefangen halten wollte.“

Mit der staatlichen Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 waren dann die Voraussetzungen dafür geschaffen, das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen neu zu ordnen und die kirchlichen Rechte im Gebiet der ehemaligen DDR wieder in Geltung zu bringen. Völlig neu war dabei, dass Staat und Kirchen nun als gleichberechtigte Partner zusammenwirken konnten. Alt hingegen waren die gesetzlichen Grundlagen, die nun wieder neu in den Blick rückten: Das in Artikel 4 des Grundgesetzes verankerte Recht auf Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit erlangte mit der Wiedervereinigung auch im neuen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern seine uneingeschränkte Gültigkeit. Darin heißt es: „ Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ – Auf dieser Grundlage sollte das Miteinander von Staat und Kirche auch für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern neu geregelt werden. Erste Verhandlungen zwischen dem Land und den Kirchen begannen bereits im Herbst 1991. Und dass die Verhandlungsführung direkt bei der Staatskanzlei lag, zeigt, welch hoher Stellenwert der Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche beigemessen wurde.

Aus der Dokumentation der damaligen Verhandlungen wird erkennbar, dass der länger andauernde Verhandlungszeitraum nicht zuerst gravierenden Meinungsunterschieden geschuldet war, sondern vielmehr der differenzierten Rechtsgestalt des Staats- und Kirchenrechts. Vor 20 Jahren, am 20. Januar 1994, konnte dann in Güstrow der Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und den Evangelischen Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern geschlossen werden. Über das Grundgesetz hinaus ist er eingebettet in das fortgeltende Verfassungsrecht der Weimarer Reichsverfassung und in das Recht der neuen Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern.

Sicher kamen damals auch Fragen auf: Warum sollte sich der aufgeklärte und religiös neutrale Staat heute noch auf umfassende Verträge mit den Kirchen einlassen?
Oder: Warum sollte man von kirchlicher Seite nach den Erfahrungen der DDR-Zeit partnerschaftlich mit dem Staat zusammen arbeiten?

Die Präambel des Güstrower Vertrages gibt eine Antwort auf diese Fragen. Zu Grunde liegt die Überzeugung, dass Staat und Kirche voneinander getrennt sind. Diese Trennung gebietet zum einen Distanz, macht aber darüber hinaus gerade die Kooperation zwischen Staat und Kirche möglich. Die Distanz ist geboten, wo sich der geistliche Auftrag der Kirchen von den weltlichen Aufgaben unterscheidet. Distanz auch, weil es neben der Glaubensfreiheit des Einzelnen das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gibt. Gleichzeitig spricht der Güstrower Vertrag von Kooperation, weil der christliche Glaube, das kirchliche Leben und der diakonische Dienst auch im religiös neutralen Staat für das Gemeinwohl und den Gemeinsinn der Bürger von hoher Bedeutung sind. So geht es in den Regelungen des Güstrower Vertrages nicht zuerst und allein um eine einseitige Sicherung der Rechte der Kirchen, sondern vor allem auch um die partnerschaftlich verantwortete Arbeitsteilung für die Gestaltung des öffentlichen Lebens. Es geht um die rechtliche Absicherung des Prinzips der Subsidiarität, in gerade in Deutschland mit seiner Geschichte von nationalsozialistischer oder totalitärer Übergriffigkeit des Staates hin auf alle Sphären des öffentlichen und privaten Lebens ein unverzichtbares Gut ist!

Der Kirchenrechtler und damalige kirchliche Verhandlungsführer Prof. Dr. Axel von Campenhausen hat den Güstrower Vertrag als einen Schritt zur Normalisierung des Verhältnisses von Staat und Kirche bezeichnet. Was vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Zeit des Dritten Reiches und der DDR als Normalisierung, also als eine positive Rückbindung an die Freiheitstradition der Weimarer Reichsverfassung verstanden werden kann, nimmt die Nordkirche heute im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern sehr dankbar in Anspruch. Auf dem Weg zur Nordkirche wurde durch eine gemeinsame Note des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Kirchen die Fortgeltung des Güstrower Vertrages in die Nordkirche hinein festgeschrieben. Das ist nicht einfach nur normal, sondern Ausdruck der guten und freundschaftlichen Zusammenarbeit, durch die der Güstrower Vertrag seit 1994 im Miteinander so vieler handelnder Personen aus Staat und Kirche mit Leben erfüllt worden ist. Dafür möchte ich heute meinen ausdrücklichen Dank aussprechen.

Ich erinnere mich sehr gut an den offenen Austausch, den wir am 3. März diesen Jahres, im Rahmen der Begegnung zwischen Kirchenleitung und Landesregierung hier in Schwerin miteinander geführt haben. Die Grundlage auch dafür liegt im Güstrower Vertrag, der festgeschrieben hat, sich zu Fragen von beiderseitigem Interesse und zur Vertiefung der Beziehungen in regelmäßigen Begegnungen auszutauschen. Der Geist einer vertrauensvollen Zusammenarbeit war spürbar in unseren Gesprächen. Und so verstanden ist die Erinnerung an den Güstrower Vertrag für beide Seiten ein Ruf nach vorwärts! Nämlich, dass wir anpacken die politischen Aufgaben, die sich stellen und sie zusammen lösen im Geiste des Vertrags!

Heute ist erkennbar, dass mit den Regelungen des Güstrower Vertrages vor 20 Jahren ein tragfähiger rechtlicher Boden geschaffen worden ist, auf den eine fruchtbare Zusammenarbeit aufbauen konnte. Mein Dank gilt deshalb heute auch all jenen, die an dem Zustandekommen dieses Vertrages Anteil haben. Wertschätzend möchte ich würdigen, dass man damals versucht hat, alle in Frage kommenden Bereiche in den Blick zu nehmen und einvernehmliche Regelungen zu finden.

Der Güstrower Vertrag gewährleistet Religionsfreiheit und kirchliches Selbstbestimmungsrecht, den Körperschaftsstatus für die Kirchen und ihre Untergliederungen und die Anerkennung des kirchlichen Dienstes als öffentlichen Dienst. Er garantiert den Bestand und die Freiheit der theologischen Fakultäten in Rostock und Greifswald, das Recht, Schulen und Bildungseinrichtungen zu betreiben, den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach, der in Übereinstimmung mit den kirchlichen Grundsätzen und aufgrund einer kirchlichen Bevollmächtigung (Vokation) erteilt wird. Der Güstrower Vertrag regelt auch das Zusammenspiel von Staat und Kirche im Bereich des Denkmalschutzes, den Schutz kirchlicher Friedhöfe, die Staatsleistungen und das Kirchensteuerrecht, die Zusammenarbeit im Meldewesen, das Recht, öffentliche Versammlungen abzuhalten, die Seelsorge in den öffentlichen Krankenhäusern, Heimen, Justizvollzugsanstalten und bei der Polizei, die Anerkennung der Kirchen als Träger der freien Jugendhilfe, den Anspruch auf eine gleiche Förderung wie andere freie Träger in der Wohlfahrtspflege, den Schutz der kirchlichen Sonn- und Feiertage, das Zeugnisverweigerungsrecht der Pastoren, soweit die Verfahren dem Landesrecht unterliegen und eine angemessene Berücksichtigung in den Rundfunksendungen wie die Beteiligung in den Aufsichtsgremien öffentlicher Rundfunkanstalten.

Im Blick auf den Charakter des Vertrages ist hervorzuheben, dass der souveräne Staat die Rechtslage ändern kann. Im Vertrag verpflichtet er sich jedoch dazu, dies nicht ohne Einvernehmen mit dem Vertragspartner zu tun. Gerade vor dem historischen Hintergrund der Diktaturen, die keine rechtliche Schranke gegen staatliche Willkür kannten, war der für beide Seiten bindende Vertragsabschluss Ausdruck des Willens, zu rechtsstaatlichen und freiheitlichen Verhältnissen zurückzukehren. Dazu gehört auch, dass Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder die Anwendung des Vertrages auf freundschaftliche Weise beigelegt werden sollen. Und dass die Landesregierung die Kirche bei Gesetzgebungsvorhaben, die die Belange der Kirche unmittelbar berühren, beteiligt.

Ich möchte auf einige Kooperationsfelder etwas genauer eingehen. Dabei leitet mich ein Satz von Dietrich Bonhoeffer: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“

Persönlich sehr berührt hat mich der Besuch zusammen mit Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin Kuder vor einigen Monaten in der Justizvollzugsanstalt Neustrelitz! Wenn es darum geht, die Buchstaben eines Vertragswerkes – und seien es die des Güstrower Vertrags – ins Leben zu ziehen, dann ist mir das, was wir dort erlebt haben, ein vorbildlich gelebtes Miteinander: Die Inhaftierten sind jung. Anfang Zwanzig oder jünger. Junge Frauen und junge Männer, die schon so manches hinter sich haben: zerbrochene Familien, als Kinder vernachlässigt, Gewalt zu Hause. Schule oder Lehre abgebrochen. Kontakt mit Drogen. Keine Struktur in ihrem Alltag. Oft haben sie sich genommen, was sie meinten, haben zu müssen. Haben ihrer Wut freien Lauf gelassen: Diebstahl, schwere Körperverletzung - wegen solcher oder ähnlicher Straftaten werden sie eingesperrt hinter hohen Mauern mit Stacheldraht. Bewacht rund um die Uhr. Aufschluss nur zu bestimmten Zeiten. Ständige Kontrolle, denn Vorsicht ist geboten.

Aber sie finden hier nicht nur Wächter. Sie finden Menschen, die sie achten und fördern. Im Unterricht, in einer Lehre, in Gesprächstherapien. Bei der gärtnerischen Pflege des Geländes.

Bei unserem Besuch erzählen sie von ihrer Sehnsucht, dass das Tor sich öffnet und sie frei kommen. Sie erzählen von ihrer Schuld. Und davon, die Schuld loszuwerden.

Und sie erleben noch etwas hinter den Mauern: dass sie verstanden und ernstgenommen werden. Von einem einfühlsamen Direktor, einer zugewandten Ministerin und auch von Mitarbeitenden, die sich kümmern. Und dann ist da auch noch Kirche hinter den Mauern. Ein katholischer Priester und ein evangelischer Pastor: Eine Kapelle, in der sie gemeinsam Gottesdienst feiern. Die Geschichten hören von der Freiheit, die Jesus verspricht.

"Ich war im Gefängnis und Ihr habt mich besucht", sagt Jesus. "Wann haben wir das getan?", fragen die Leute. "Was ihr einem der Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan", antwortet Jesus. Sie sind meine Brüder und Schwestern. Ein Kernsatz des Evangeliums. Seine Botschaft ist klar: Jeder Mensch verdient, dass er wert geschätzt und anerkannt wird. Auch hinter den Mauern eines Gefängnisses. Und wenn er rauskommt, dann braucht es offene Arme.

Als einen mir sehr wichtigen anderen Bereich der Kooperation nenne ich die Schulen in freier Trägerschaft im Lande, für uns besonders natürlich gebündelt in der Schulstiftung der Nordkirche. Etwa im Vorstand und im Kuratorium der Stiftung wird auf vorbildliche Weise gesucht nach Wegen, die im Geiste des Güstrower Vertrages gemeinsam zu gehen sind, um gute Bildung, gute Schulen betreiben zu können – nicht als Konkurrenz zu den öffentlichen Schulen, sondern als sinnvolle, notwendige Ergänzung des Schulangebots für alle. Gerade für die intensiven Gespräche über Lehren und Lernen (und eben nicht nur über den Religionsunterricht), über das Menschenbild, das uns leitet, bin ich überaus dankbar und empfinde großen Respekt für die Bereitschaft, sich hier zu öffnen.

Nach den Schwierigkeiten für die freien Träger durch die veränderte Privatschulverordnung sind wir dankbar für die Neuregelungen, die jetzt mit der Veränderung des Schulgesetzes in den Blick genommen werden.

Auch zwischen den staatlichen Schulen und den Kirchen beider Konfessionen gibt es mit dem Projekt TEO – Tage ethischer Orientierung – ein bewährtes schulkooperatives Modell. So wurde beispielsweise im Herbst diesen Jahres das neue TEO-Modul „protect-privacy – Mein Klick, meine Verantwortung?!“ in Kooperation mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Dabei ging es um Themen wie Datenspuren im Internet, soziale Netzwerke, Cybermobbing, Suchtpotentiale, Computerspiele und den Umgang mit Handys und Smartphones. Wir wissen alle, dass die technischen Möglichkeiten nach kompetenten Umgangsformen verlangen. Da gilt es Fragen der Menschenwürde bei der Nutzung der digitalen Medien wach zu halten. Genau dies ist das Anliegen des neuen TEO –Moduls „protect privacy“, das speziell für die 5. Und 6. Klasse konzipiert ist.

Gerade vorgestern hat die Sozialministerin dem Projekt TEO Fördermittel für die Jugendarbeit übergeben. Sie hat dabei ausgeführt: „Das Projekt TEO dreht sich um das Thema Sozialverhalten und ergänzt in diesem Bereich auf hervorragende Weise das Wirken der Schulen…TEO erhöht die Chancen der Azubis und Studierenden von morgen, sich in unserer Arbeitswelt zurechtzufinden…“

Und das Pädagogisch-Theologische Institut der Nordkirche hat für Mecklenburg-Vorpommern einen Wettbewerb für Schulklassen ausgerufen. Er trägt den Titel „Wer bin ich…? …wenn sich alles ändert?“. Dies geschieht in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung in Mecklenburg-Vorpommern. Anlass ist der 25. Jahrestag der friedlichen Revolution. Schülerinnen und Schüler sind eingeladen, ihren eigenen Identitätsfindungsprozess auf der Folie der Erfahrungen solcher Menschen zu beschreiben und zu reflektieren, die in den Jahren 1989/90 Jugendliche in demselben Alter waren. Auf diese Weise verschränkt der Wettbewerb persönliche und historische Perspektiven bei der Suche junger Menschen in unserem Land nach ihren je eigenen Antworten auf die Frage, wer sie sind und sein wollen. Dabei liegt der Fokus auf der Frage nach der Identität.

Welchen identitätsstiftenden Beitrag kann die Kirche also für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern leisten?

Vor allem der Kirchenkreis Mecklenburg ist ja reich an Steinen. In ihm gibt es ca. 680 Kirchen, von denen 97% unter Denkmalschutz stehen. Rein statistisch berechnet sind im Durchschnitt etwa 280 Kirchenmitglieder für eine Kirche verantwortlich. So viele Mittelpunkte für geistliches Leben, Kunst, Kultur und Kommunikation sind ein kostbarer Schatz, der identitätsstiftend wirken kann, aber auch zugleich eine große finanzielle Belastung. Deshalb ist es großartig, dass sich allein in Mecklenburg mittlerweile rund 130 und in Pommern rund 50 Fördervereine um den Erhalt der Zeugnisse aus Fels und Backstein kümmern. Und das interessante dabei, die Mehrheit der engagierten Ehrenamtlichen in diesen Fördervereinen wird von Menschen aus dem Ort gebildet, die nicht Kirchenmitglied sind. Dennoch ist in ihnen das tiefe Wissen: „Unser Dorf braucht die Kirche. Sie gehört zu unserer Kultur, man darf sie nicht verfallen lassen.“

Der Güstrower Vertrag spricht von der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Kirche für den Schutz und den Erhalt der kirchlichen Denkmale. Wir sind dankbar für die gelungenen Vereinbarungen zu den Patronatsleistungen. Mit Sorge haben wir aber die Umstellung der Förderung in der Denkmalpflege auf die LEADER-Aktionsgruppen im Blick auf die aktuelle EU-Förderperiode verfolgt. Die Gefahr, die wir hier sehen liegt darin, dass vonseiten des Landes die eigene Verantwortung für die Denkmalpflege ohne Gewähr an die Aktionsgruppen der Regionen weiter gegeben wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Themenfelder kann ich hier in der gebotenen Kürze nur exemplarisch nennen – wichtig ist mir das solidarische Miteinander von Staat und Kirche, das ja einschließt sachdienliche Kritik im ringen um die möglichst beste Lösung. Grundlegend dabei ist immer wieder eine Atmosphäre des Vertrauens, die ja aber eben auch nicht einfach so vom Himmel fällt, sondern miteinander gewonnen und auch erarbeitet wird.
Sehr geehrte Frau Ministerin Kuder, ich erinnere mich noch gut an den dreifachen Wunsch, die sie anlässlich der Einführung unserer Kirchenleitung im August letzten Jahres im Schweriner Dom ausgesprochen haben: Die Kirchen sollen ökumenisch zusammen stehen; die Kirche soll im Dorf bleiben, also für die Gemeinschaft vor Ort lebendig bleiben; und sie soll sich dem demografischen Wandel stellen und auch in kleineren Gemeinden Großes leisten. Dann fügten Sie noch hinzu: „Jeder Mensch hat einen Glauben. Jeder Mensch kommt irgendwann mit Gott in Berührung. Wenn er vor ihrer Tür steht, zeigen Sie ihm, was Kirche ihm bedeuten kann.“

Es ist gut und wichtig, auf den eigenen Auftrag gelegentlich so exakt und einfühlend von außen hingewiesen zu werden. Wir als Evangelische Kirche in Norddeutschland wollen genau das, nämlich Bezeugen das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat. Und das geschieht ja auch jeden Tag auf vielerlei Weise. Um Gottes – und um der Menschen willen! Der Güstrower Vertrag ist ein „weltlich Ding“ im besten Sinne, das uns Kirchen hilft unseren Auftrag möglichst umfassend erfüllen zu können. Insofern ist er uns Erbe und Verpflichtung – wie ich schon sagte, ein Ruf nach vorwärts!

Herzlichen Dank dafür – und fürs Zuhören auch!

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