NS-Zeit

Gedenken: Lübecks Backsteingotik in Trümmern

Luftaufnahme mit Blick auf die Marienkirche in Lübeck während eines Luftangriffs der Royal Air Force 1942.
Luftaufnahme mit Blick auf die Marienkirche in Lübeck während eines Luftangriffs der Royal Air Force 1942.© akg-images

25. März 2022 von

Nach nur drei Stunden Bombardement lag die Lübecker Altstadt in Schutt und Asche. Vor 80 Jahren, in der Nacht auf den 29. März 1942, wurde mit Lübeck die erste deutsche Großstadt flächendeckend zerstört.

Das Wetter war für die Piloten ideal: Ein voller Mond schien auf die Lübecker Altstadt, als sich in der Nacht auf den 29. März 1942 die britischen Bomber von Norden her näherten. Innerhalb von drei Stunden warfen sie rund 400 Tonnen Bomben ab. Es war eine Woche vor Ostern. Als der Palmsonntag dämmerte, lag die Lübecker Altstadt in Schutt und Asche.

Gedenk-Andacht in St. Marien

Erstmals wurde vor 80 Jahren eine deutsche Großstadt großflächig zerstört, die keine herausragende kriegswirtschaftliche Bedeutung hatte. Mit einer Andacht in der Citykirche St. Marien wollen Stadt und Kirche an den Jahrestag erinnern.

Vor allem die Folgen der 25.000 Brandbomben waren verheerend. In den engen Altstadtgassen entwickelten sich die Einzelfeuer zu einem Feuersturm. Bereits gelöschte Brände wurden durch neue Brandbomben wieder entflammt, während Sprengbomben die Fassaden zum Einsturz brachten und dadurch die Brandbekämpfung erschwerten. Die Löscharbeiten gestalteten sich schwierig, weil in der eiskalten Nacht der Fluss Trave und die Teiche zum Teil zugefroren waren und zudem die Hauptwasserleitung von Bomben getroffen wurde.

Tod und Zerstörung 

Am nächsten Morgen zog sich auf der historischen Altstadtinsel eine etwa 300 Meter breite Schneise der Verwüstung vom Dom zum Markt. Nach offiziellen Angaben kamen 320 Menschen ums Leben, knapp 800 wurden verletzt. 1.468 Gebäude wurden völlig zerstört, mehr als 15.000 Lübecker wurden obdachlos.

Die Stadtkirche St. Marien, „Mutterkirche der Backsteingotik“, brannte mit ihren beiden Türmen fast völlig aus. Vernichtet wurde auch die berühmte Totentanzorgel, auf der schon Dieterich Buxtehude und vermutlich auch Johann Sebastian Bach gespielt hatten.

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Mahnmal-Glocken in der Gedenk-Kapelle der Marienkirche in Lübeck , die 1942 bei der Zerstörung der Kirche während des Bombenangriffs vom 28./29.03.1942 aus 60 m Höhe in den Süddturm gestürzt waren.© akg-images / Jürgen Raible

Heute ist die Kapelle mit den zwei herabgestürzten deformierten Bronzeglocken ein Mahnmal gegen den Krieg. Mit einer Gedenk-Andacht wird in St. Marien am Montag (28. März, 20.30 Uhr) an die Bombenacht erinnert. Sprechen wird auch Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD).

Auch der Dom wurde weitgehend zerstört. Erst Sonntagmittag stürzten die beiden brennenden Türme unter den Augen der Bevölkerung ein. Das Rathaus kam vergleichsweise glimpflich davon. Die Aegidien- und die Jakobikirche blieben weitgehend unbeschädigt. Vom Buddenbrookhaus, dem Wohnhaus der Großeltern von Heinrich und Thomas Mann, stand dagegen nur noch die Fassade.

Strategisch habe Lübeck keine große Bedeutung gehabt, schrieb der Oberkommandierende Arthur Harris nach dem Krieg. Es gab einen Hafen und eine U-Boot-Werft. Entscheidend sei gewesen, dass Lübeck nicht zu groß gewesen sei. Zudem war die Hansestadt für britische Flieger gut zu erreichen.

Wiederaufbau der Kirchen dauerte lang

Noch während des Krieges bekam die Marienkirche ein Notdach, bereits 1947 begann der Wiederaufbau. Die Herrichtung des Doms kam dagegen nur schleppend in Gang. Diskutiert wurde, ob man angesichts der materiellen Not und der vielen Flüchtlinge den Dom überhaupt wieder aufbauen sollte. Erst 1977 wurde der Chor fertiggestellt.

Noch länger dauerte der Wiederaufbau der zerstörten St. Petrikirche. Dach und Turmhelm waren verloren, die barocke Inneneinrichtung aus Holz vollständig verbrannt. Erst 1973 wurde St. Petri äußerlich wieder hergestellt. 1987 war dann der Innenraum fertig. Heute ist St. Petri Kulturkirche ohne Ortsgemeinde und der Turm ein beliebtes Touristenziel.

Opfergedenken am Palmsonntag

Die Kirchen gedenken der Opfer traditionell am Palmsonntag vor Ostern. Der Lübecker Altbischof Karl-Ludwig Kohlwage, der als Kind die Bombennacht in Lübeck miterlebt hatte, predigt am Palmsonntag (10. April, 10.40 Uhr) im Dom.

„Palmarum 1942 gehört ganz fest zu meiner Geschichte mit dem Dom. Die Erinnerung ist unauslöschlich“, so Kohlwage, der die Nacht vom 28. auf den 29. März 1942 im Luftschutzkeller verbrachte. „Wir wohnten damals in einem Mehrfamilienhaus am St. Jürgenring. Der Keller war mit Stützbalken unter der Decke und Betonplatten vor dem Fenster abgesichert. Ich kann mich an den dumpfen Krach, an das Rieseln von Mörtel und ein Schüttern und Beben, das durchs ganze Haus ging, erinnern. Als wir nach der Entwarnung vor die Tür traten, war es mitten in der Nacht taghell, gleißendes Licht kam uns entgegen – Lübeck brannte lichterloh“, erinnert er sich.

Bemühen um Versöhnung als bleibende Aufgabe

Dom-Pastor Martin Klatt ergänzt: „Was vor 80 Jahren geschah und was derzeit in der Ukraine geschieht, führt vor Augen, dass die Arbeit an der Erinnerung und das immer neue Bemühen um Versöhnung eine bleibende Aufgabe darstellt. Sie hört nicht auf.“

In St. Aegidien ist am 2. April Gioachino Rossinis „Stabat mater“ und Leos Janáceks „Vater unser“ zu erleben. Der Lübecker Bach-Chor, Mitglieder der Lübecker Philharmoniker, Raphael Arnault und Eckhard Bürger musizieren.

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Blick aus der Schumacherstraße auf die Kirche St. Aegidien in Lübeck nach den Bombenangriffen der Royal Air Force Ende März 1942.© akg-images

Zeitzeugen berichten

Bereits an diesem Mittwoch (30. März, 19 Uhr) betrachtet in der Passionsandacht „Das Leid hat viele Gesichter“ ein ökumenisches Team in St. Aegidien das Leid in der Welt. Dabei sollen sowohl der Krieg in der Ukraine als auch die Palmarumnacht 1942 in den Blick genommen werden. Zwei Wochen später, am Mittwoch nach Palmarum (13. April), erklingt in der musikalischen Mittwochsandacht „Impuls und Klang“ in St. Jakobi die Stellwagenorgel. Ab 17 Uhr spielt Jakobi-Assistenzorganist Gregor Früh, dazu berichten Zeitzeugen von ihren Erlebnissen der Bombennacht.

Verhaftung der "Lübecker Märtyrer" nach der Bombennacht

Die Bombardierung Lübecks führte indirekt auch zum Tod der „Lübecker Märtyrer“: Der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink und drei katholische Kapläne waren wegen ihrer kritischen Haltung bereits zuvor ins Visier der Gestapo gelangt. Stellbrink predigte am Palmsonntag 1942, dem Tag nach der Bombennacht, dass hier „Gott mit mächtiger Stimme“ gesprochen habe. Wenige Tage später wurden die vier Kirchenmänner verhaftet und am 10. November 1943 wegen „Rundfunkverbrechen, Landesverrat und Wehrkraftzersetzung“ hingerichtet. 2011 sprach die katholische Kirche die drei Priester selig, der evangelische Pastor Stellbrink wurde geehrt.

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