Gerechtigkeit für Klima, Kinder, Pflegekräfte
09. August 2021
Kinderarmut, Kinderarmut, Kinderarmut. Gleich mehrfach fällt dieses Stichwort bei der Podiumsdiskussion mit den Kieler Direktkandidaten zur Bundestagswahl am vergangenen Donnerstag (05.08.) in der Petruskirche im Stadtteil Wik.
Christian Jensen Kolleg BreklumEvangelische Akademie der Nordkirche Ev.-Luth. Kirchenkreis Altholstein
Moderator Joachim Kretschmar hat ihnen zuvor die Frage gestellt, was sie als die größte Ungerechtigkeit empfinden. Luise Amtsberg von den Grünen sieht die Situation in Kiel als dramatisch an. Wenn es nach ihr geht, dann sollte der Bundestag sobald als möglich eine Kindergrundsicherung beschließen und die Rechte von Kindern im Grundgesetz verankern. "Wir sollten den Blick auf die Kinderinteressen als eine Grundlage verstehen, bei allem was wir legislativ vorhaben. Das sind wir den Familien schuldig", ist die Politikerin überzeugt.
Wähler fragen Kandidaten
Gerechtigkeit ist die große Überschrift dieses Demokratiekollegs, zu dem rund 20 Besucherinnen und Besucher in die Petruskirche gekommen sind. Zwar haben die Moderatoren des Abends, Nora Steen und Joachim Kretschmar, sich sorgfältig auf die Diskussion vorbereitet. Doch den Vortritt lassen sie schließlich den Fragen aus dem Publikum: direkt von Wählern an die Kandidaten.
Bezahlung für Pflegekräfte
So gibt ein Zuschauer zu bedenken, dass die Zustände und die Bezahlung in der Pflege aus seiner Sicht alles andere als gerecht sind. Der Kandidat der Linken, Lorenz Gösta Beutin, möchte dem Problem mit einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, begegnen. In eine ähnliche Richtung zielt die Grüne Amtsberg ab, die die Pflegeversicherung neu organisieren will. FDP-Kandidat Max Mordhorst möchte den Pflegekräften für ihre eigentliche Arbeit Luft verschaffen, in dem vorschlägt, Bürokratie und Papierkram zu reduzieren. Stärker die Pflege in den Familien stützen, schwebt hingegen Thomas Stritzl von der CDU vor, Zitat: "Wenn da was wegbricht, haben wir ein echtes Problem."
Klimagerechtigkeit
Ähneln sich die Antworten der Kandidaten zur Situation der Pflege und zur Bekämpfung der Kinderarmut noch, gewinnt die Diskussion beim Thema Klimagerechtigkeit merklich an Fahrt. "Die Bevorzugung des Autos, das geht so nicht mehr weiter", spitzt es Amtsberg zu. Das möchte Stritzl so nicht unterschreiben und verweist darauf, dass Arbeitsplätze davon abhingen, dass sie auch mit dem eigenen Wagen gut erreichbar seien.
"Der Millionär darf soweit fahren wie er will", karikiert es Matthias Stein von der SPD, der bei allen Maßnahmen zum Klimaschutz immer auch einen sozialen Ausgleich schaffen möchte. Er stehe zudem für einen Infrastrukturkonsens ein, wenn es beispielsweise um den Ausbau von Bahnstrecken oder um neue Stromtrassen gehe. Diesen Konsens sieht Mordhorst eher als Hemmschuh und meint: "Wir müssen einfach schneller vorankommen und über den Preis für das klimaschädliche Gas CO2 das persönliche Verhalten steuern."
Seinem Mitbewerber Stritzl wirft er vor, die Verantwortung beim Klimaschutz auf die internationale Ebene abgeben zu wollen. Dieser kontert, Deutschlands Anteil am Ausstoß von CO2 läge weltweit nur bei zwei Prozent:"Deshalb sind alle Länder aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten, und wir können sie mit unseren Technologien dabei unterstützen." Marcel Schmidt vom SSW möchte hingegen mehr Offshore-Windparks errichten und mit den Nachbarn in Skandinavien beim Klimaschutz an einem Strang ziehen.
Doch selbst beim kontroversen Thema Klimagerechtigkeit findet sich ein gemeinsamer Nenner unter allen Kieler Kandidaten: Der Ostsee droht eine Katastrophe, wenn nicht bald die Gefahren durch im Zweiten Weltkrieg versenkter Munition beseitigt werden. Eine Bergung könnte die Lösung sein, doch wie diese zu finanzieren ist, darüber ist man schon wieder unterschiedlicher Meinung.
"Nicht schweigen, sondern Stellung beziehen"
Pröpstin Almut Witt dankt zum Ende der zweistündigen Diskussion den Kandidaten für genau diese Lebendigkeit und für die vielen persönlichen Einschätzungen. Das Publikum regt Kiels leitende Geistliche an: "Erzählen Sie andern davon, was sie heute gehört haben. Dann potenziert sich das. Wir sollten nicht schweigen, sondern selbst Stellung zu politischen und gesellschaftlichen Fragen beziehen."