Telefonseelsorge

In weihnachtlicher Not hilft der Griff zum Telefon

Wer an Weihnachten jemanden zum Reden braucht, erreicht die Mitarbeitenden der Telefonseelsorge auch an den Feiertagen rund um die Uhr.
Wer an Weihnachten jemanden zum Reden braucht, erreicht die Mitarbeitenden der Telefonseelsorge auch an den Feiertagen rund um die Uhr. © iStockphoto, Mixmike

20. Dezember 2022 von Marcel Maack

Ob Einsamkeit, Familienkrach oder Geldnot, Mitarbeitende der Telefonseelsorge haben auch an Weihnachten ein offenes Ohr für Menschen in Krisensituationen. Babette Glöckner findet den Seelsorge-Dienst an Festtagen „sinnlich und sinnstiftend".

Weihnachten im Kreis der Familie, in Kürze ist es so weit. Menschen freuen sich auf gemütliches Beisammensein, auf Liebe und Geschenke, Essen und Gespräche. Doch was, wenn jemand keine Familie hat? Oder wenn Streit bzw. Not das Fest überschatten? Dann hilft der Griff zum Telefon: Mitarbeitende der Telefonseelsorge haben auch an Weihnachten ein offenes Ohr, rund um die Uhr. Eine, die während der Festtage Anrufe entgegennimmt, ist Babette Glöckner, seit Sommer 2009 Leiterin der Telefonseelsorge des Diakonischen Werks Hamburg.

Kontakt

Brauchen Sie jemanden zum Reden? Die Telefonseelsorge ist gebührenfrei und anonym unter 0800/1110111 zu erreichen.

Glöckner ist froh, rund 100 Ehrenamtliche in ihrem Team zu wissen. Jeder und jede trage die besondere „Verantwortung, mit der Seele eines anderen Menschen umzugehen“. Dieses Vertrauen geschenkt zu bekommen, sei etwas ganz Tolles. Und es sei großartig, „dass Menschen ihre Freizeit für so einen anstrengenden Job geben“. Sie alle teilen sich die Telefondienste über das Jahr hinweg, in der Regel sind zwei Telefonseelsorgende im Einsatz. Auch an Weihnachten, für jeweils vier Stunden, dann ist Schichtwechsel.

Einsamkeit ein großes Thema an Weihnachten

„Weihnachten ist ein Sehnsuchtsfest“, sagt Glöckner, und Einsamkeit ein großes Thema. Die Sehnsucht nach Familie sei an den Festtagen besonders groß, weshalb die Enttäuschung umso ausgeprägter sei, wenn es keine Familie gebe oder diese nichts von sich hören lasse. Zwar sei Einsamkeit über das gesamte Jahr hinweg Thema in Gesprächen, aber an Weihnachten, da trete es eben „nochmal verschärft“ auf. „Überall sind die Lichter an, doch bei mir nicht“, beschreibt die Pastorin die Gedanken einsamer Menschen.

„Lassen Sie uns reden“

„Durch so ein symbolisches Fest kommt vieles ins Bewusstsein und kann plötzlich benannt werden“, sagt Glöckner. Das gelte auch für das Thema Beziehungskonflikte. Alles in allem also „keine neuen Themen zu Weihnachten“, sondern „die alten in Neuauflage, mit etwas mehr Druck drin.“ Glöckner weiß, wie sie helfen kann: „Lassen Sie uns reden“, animiert sie Anrufende dazu, ihr Herz zu öffnen. Denn: „Sprechen hilft.“ Die Pastorin und ihr Team stünden für „ein Näheangebot“. Zwar „nur für einen Moment“, aber die Anrufenden bekämen eines mit auf den Weg: „Wir sagen immer, wenn es noch mal kracht, dann rufen Sie wieder an!“

Kommt es an Weihnachten in Familien zum Streit, dann fühlt sich Babette Glöckner manchmal „mittendrin im Geschehen“. Das sei dann der Fall, wenn ein Mensch nicht wie sonst üblich aus einem „geschützten Raum“ heraus anruft, wo er oder sie allein ist, sondern wenn der Anruf direkt vom Ort des Streits aus erfolgt. Dann komme es vor, dass Glöckner durchs Telefon plötzlich weitere Beteiligte hört.

Steigende Energie- und Lebensmittelkosten belasten

Ein Themenbereich, der dieses Jahr auch an Weihnachten eine besondere Rolle spielen dürfte, betrifft den Geldbeutel der Menschen. Stark steigende Energie- und Lebensmittelkosten machen vielen zu schaffen. „Das ist schon voll hier in der Telefonseelsorge angekommen“, sagt Glöckner. Dabei spiele Scham eine Rolle, beispielsweise dann, wenn Menschen ihren Kindern keine Weihnachtsgeschenke kaufen könnten. „Es kracht im Moment an vielen Ecken“, fasst Glöckner die wirtschaftliche Lage der Menschen zusammen.

„Sternstunden der Begegnung“ an Weihnachten

Dass die Telefonseelsorge-Leiterin insbesondere an den Festtagen gern Dienste übernimmt, hat mehrere Gründe. Der erste lautet: „Da sollen die Ehrenamtlichen Weihnachten haben.“ Der zweite ist: „Ich find's wunderschön, mir würde sonst was fehlen.“ Denn an Weihnachten spreche sie mit Menschen, „die an diesen Tagen besonders berührbar sind“, wodurch es zu „Sternstunden der Begegnung“ komme. An diesen Tagen sei sie besonders dicht an den Menschen dran, „das ist eine Sinnerfahrung. Sehr sinnlich und sinnstiftend.“

Damit Babette Glöckners Kopf nach Ende einer vierstündigen Telefonschicht wieder frei wird, tut sie sich im Anschluss stets etwas Gutes. An Weihnachtstagen könne das so aussehen: „Ich organisiere mir ein superschönes Essen, das koche ich auch gern selbst.“ Außerdem werde sie sich „mit Sicherheit mit einem oder mehreren Menschen zum Spielen treffen.“ Lediglich richtig schwere Fälle ließen sich mit Spielen nicht aus dem Kopf bekommen. „Da brauche ich dann manchmal Supervision.“

Ein Jahr noch, dann wird Babette Glöckner 65 Jahre alt. Auch wenn manches Gespräch inhaltlich noch so schwer sein mag, eines kann sie sich kaum vorstellen: nicht mehr am Telefon zu sitzen. Insofern ist es gut, dass es keine Altersausstiegsgrenze für den Dienst am Seelsorge-Telefonhörer gibt. Sollte sie also irgendwann nicht mehr die Leitung der Telefonseelsorge innehaben, am Telefon kann sie weiterhin ihren Dienst tun - auch an Weihnachten.

Weitere Informationen

Auf evangelischer Seite gibt es in Hamburg die Telefonseelsorge des Diakonischen Werks Hamburg 0800/111 0 111, auf katholischer Seite die Telefonseelsorge der Caritas Hamburg 0800/111 0 222.

In Hamburg sind beide Nummern miteinander verbunden, d.h. Anrufende auf der evangelischen Nummer landen unter Umständen bei der katholischen Seelsorge und umgekehrt. Die Telefonseelsorge bietet Ratsuchenden unabhängig von Glaube oder Weltanschauung das anonyme Gespräch mit Ehrenamtlichen an.

Kontakt per Mail und Chat

Bundesweit ist die Telefonseelsorge neben den Nummern 0800/111 0 111, 0800/111 0 222 sowie 116 123 auch per Mail und Chat erreichbar unter online.telefonseelsorge.de.

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