Menschen in Not

Keine Wärme, kein Schutz: In der Weihnachtszeit sind Armut und Obdachlosigkeit besonders hart

Die Diakonischen Werke in Deutschland fordern mehr Anstrengungen im Kampf gegen Obdachlosigkeit. Dazu gehört, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Die Diakonischen Werke in Deutschland fordern mehr Anstrengungen im Kampf gegen Obdachlosigkeit. Dazu gehört, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.© Bodnarchuk/iStock

15. Dezember 2025

Lebenskrisen, Armut, fehlender Wohnraum: Die Gründe für Obdachlosigkeit sind vielfältig. Und wer auf der Straße leben muss, ist im Winter besonders gefährdet. Was wir oft vergessen: Auch die heilige Familie, Maria und Joseph, waren obdachlos und auf Nächstenliebe angewiesen. Angebote unserer Kirche versuchen, Not zu lindern und Menschen aufzufangen.

Die Wohnungslosenberichte für Norddeutschland zeigen, dass immer mehr Menschen bedroht oder betroffen sind. Obdachlosigkeit betrifft dabei nicht nur Städte, wie Hamburg oder Kiel, sondern auch ländliche Regionen, in denen die Mieten zu hoch sind und Angebote zu wenig.

"Winternotprogramme" sind in vielen Orten angelaufen und bieten akute Hilfe. Viele Diakonische Werke unserer Kirche stellen auch Schlafplätze zur Verfügung. Sie kritisieren, dass städtische Angebote zu wenig seien und auch Einzelzimmer nicht genug, denn viele Betroffene würden Mehrbettzimmer meiden.

"Neben Mahlzeiten fehlen vor allem Wärme und Ruhe" 

Laut dem Wohnungslosenbericht 2024 hat sich die Zahl der obdachlosen Menschen in Hamburg in den letzten sechs Jahren verdoppelt. Übernachtungsplätze stehen nicht einmal für jeden dritten Menschen zur Verfügung. Temperaturen um den Gefrierpunkt sind für Menschen, die im Freien übernachten, eine große Gefahr.

Im Einsatz: Cornelia Olbrichts versorgt gemeinsam mit ihrem Kollegen Werner Kopf Obdachlos
Im Einsatz beim Mitternachtsbus des Diakonischen Werks in Hamburg: Cornelia Olbrichts versorgt gemeinsam mit ihrem Kollegen Werner Kopf Obdachlose mit warmen Getränken und kleinen Snacks.© Silke Nora Kehl / epd-Bild

Mehr erfahren über das Hamburger Trinitatis-Quartier. "Raum für Hoffnung" lautet das Motto. Hier soll Raum für ein neues Miteinander entstehen.

"In Hamburg haben wir ein gutes Angebot für wohnungslose Menschen in der Essensversorgung. Aber ein warmer, ruhiger Ort, um sich länger aufzuhalten, ist gerade im Winter für viele sehr viel wert", weiß Lisa Skutella. Sie leitet die Tagesstätte "Mahl ZEIT" im neuen Hamburger Trinitatis Quartier. 

Hier bekommen die Menschen täglich ein Frühstück und sie können sich den ganzen Vormittag in dem Raum aufhalten. Außerdem gibt es zwei Sozialberater vor Ort. Neu ist auch das Housing-First-Angebot. 

Gäste und Ehrenamtliche in der MAhL ZEIT
Ein festes Team steht von Montag bis Donnerstag bereit und empfängt zu einem Frühstück. Sie haben auch Zeit für Gespräche und können zu Hilfsangeboten weitervermitteln.© Lisa Skutella, Diakonisches Werk

"Das Schicksal jedes einzelnen Menschen ist anders"

"Wir erleben hier sehr viele Einzelschicksale von Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen wohnungslos sind und in den verschiedensten Lebensbereichen nach Unterstützung fragen", berichtet Lisa Skutella. Wichtig sei es, den Gästen zielgerichtet Unterstützung anzubieten.

Um Vertrauen aufzubauen, helfe es enorm, den Raum und ein festes ehrenamtliches Team zu haben. "Die Menschen freuen sich über die Gesellschaft. Wir unterhalten uns, hören verschiedenste Lebensbiografien und -perspektiven und wir lachen auch viel miteinander." 

Lisa Skutella, Leiterin der Tagesstätte Mahl Zeit des Diakonischen Werks Hamburg-West/Südholstein
Lisa Skutella leitet die Obdachlosentagesstätte MAhL ZEIT und das Housing-First-Projekt im Trinitatis-Quartier in Hamburg Altona. Betrieben werden beide Einrichtungen vom Diakonischen Werk Hamburg-West/Südholstein.© Inga Koch, Diakonisches Werk

Immer mehr Wohnraum-Projekte der Diakonie

Das Diakonie-Projekt Münzviertel ist auf Spenden angewiesen: Hier können Sie direkt spenden!

Entscheidend sei bezahlbarer Wohnraum. Das Neubauprojekt "Münzviertel" in der Hamburger Innenstadt des Diakonischen Werkes Hamburg will deswegen bereits im kommenden Frühjahr 31 Wohnungen für obdachlose Menschen schaffen. Das Projekt ist nach den Worten von Bischöfin Kirsten Fehrs ein "Leuchtturm der Nächstenliebe".

Die Bischöfin ist nicht nur Schirmherrin des neuen Diakonie-Hauses, sie stattet bereits seit vielen Jahren der Tagesaufenthaltsstätte der Diakonie Hamburg an Heiligabend einen Besuch ab. Auch in diesem Jahr verbringt sie mit den Menschen vor Ort Zeit, liest aus der Weihnachtsgeschichte, bringt kleine Geschenke mit.

Für Menschen ohne eigenen Rückzugsort, ohne familiäre Bindungen, ohne Nähe und Wärme sind die Weihnachtsfeiertage oftmals die schwerste Zeit des Jahres. Es ist immer wieder berührend zu sehen, wie dankbar wohnungslose Menschen sind, sich für ein oder zwei Stunden aufwärmen zu können, durchatmen zu dürfen und neben all dem, was gerade schwer ist im Leben, Gottes Segen zu spüren. Bischöfin Kirsten Fehrs

Auch in Husum gibt es ein Winternotprogramm und das Diakonische Werk hat eine Wohnung mit fünf Schlafplätzen angemietet.

Weihnachten für Alle mit Geschenke-Aktionen 

Nicht nur für Obdachlose, sondern für alle Menschen mit wenig Geld ist die Winter- und Weihnachtszeit eine Herausforderung: Heizen, Geschenke, vielleicht ein wenig Gemütlichkeit - dafür fehlen die Reserven.

Deswegen gibt es "Geschenke-Aktionen": Die Bahnhofsmissionen zum Beispiel nehmen "Päckchen mit Herz" entgegen. Und unter dem Motto "Wärme schenken" ruft die Diakonie dazu auf, Drogerie-Gutscheine, kleine Tüten mit Handschuhen oder Socken und auch Süßigkeiten oder Duschgel zu verpacken und abzugeben. 

Streetworker mit der "Warmen Kanne" in Husum

Mit einem Bollerwagen voller warmer Getränke, kleiner Mahlzeiten und offenen Ohren ist das Team des Diakonischen Werkes Husum regelmäßig rund um den Marktplatz unterwegs, um Menschen in schwierigen Lebenslagen zu unterstützen.

Das Streetwork-Team des Diakonischen Werks Husum mit einem Bollerwagen
Mit „Warme Kanne“ möchte das Streetwork-Team daran erinnern, dass niemand in der kalten Jahreszeit allein sein muss – und dass Mitmenschlichkeit oft in kleinen Gesten beginnt.© Diakonisches Werk Husum

Gast sein: Diakonische Einrichtungen laden zu Weihnachtsmenüs ein

Zum Beispiel der "Kieler Anker": Hier erhalten Menschen täglich eine gesunde und warme Mahlzeit gegen einen geringen Obolus. Außerdem natürlich Kontakte, Ansprache und Gemeinschaft.

Ein Höhepunkt in der Vorweihnachtszeit ist die Kochaktion der Politikerin Serpil Midyatli (SPD) und der Gastronomin Yuen Chi Kwong (YUMMY Kiel), die sie vor fünf Jahren erstmals initiiert haben. Sie spenden die Zutaten und stellen die professionelle Küche zur Verfügung.

Frei Frauen mit Schürzen und einer Schüssel Champignons beim Kochen
"Wo immer Menschen sich entscheiden, den Nächsten aus ihrem Umfeld Türen zu öffnen, wird die Not etwas kleiner," sagt Bischöfin Nora Steen und engagiert sich mit Gesa Kitschke und Serpil Midyatli bei einem Weihnachtsessen der Kieler Anker GmbH.© Antje Wendt, Nordkirche

"Die Finanzierung erfolgt zu 100 % über Spenden. Ohne das Engagement der privaten Unternehmen und Personen würden viele Menschen in Kiel keine warme Mahlzeit erhalten", ergänzt Gesa Kitschke von der Diakonie Altholstein.

Aktion "Adventskochen" für Gäste der Bahnhofsmission Husum

Verein Köche der Westküste kocht in der Bahnhofsmission Husum
Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten schlüpfen Mitglieder des „Vereins der Köche Westküste e.V.“ an einem Tag in der Adventszeit in ihre blütenweißen Kochjacken, um den Gästen der Bahnhofsmission Husum ein Weihnachtsmenü zuzubereiten. © Diakonisches Werk Husum

Verein Köche der Westküste kocht in der Bahnhofsmission Husum
Für eine herzliche Willkommenskultur für die 25 erwarteten Gäste sorgte Renate Lunks, Hauswirtschafterin der Bahnhofsmission, mit festlich-vorweihnachtlich gedeckten Tischen: Gutes Porzellan auf weißen Tischtüchern und liebevoll gefaltete Servietten.© Diakonisches Werk Husum

Mehr erfahren auf der Website des Diakonischen Werkes Husum

Rendsburg: Acht "Sheltersuits" angeschafft

Nicht jeder möchte in die Notschlafstelle, die in Rendsburg vom Diakonischen Werk des Kirchenkreises betrieben wird. Und so freute sich Sabine Willert, Teamleiterin Wohnungslosenhilfe bei der Diakonie, bereits im Frühjahr über acht gespendete Sheltersuits. Das sind warme und wasserdichte Parkas mit Schlafsackfußteil.

Alexander von Bargen und Christine Lütje vom Vorstand der JHG bei der Übergabe der Sheltersuits.
Alexander von Bargen und Christine Lütje vom Vorstand der JHG bei der Übergabe der Sheltersuits. Sie machen sich vor Ort bei Sabine Willert ein Bild von der Arbeit für die Wohnsitzlosen in Rendsburg und rufen zu weiteren Spenden auf.© Helge Buttkereit

Verantwortlich dafür war die Johanniter Hilfsgemeinschaft Kiel (JHG). Alexander von Bargen und Christine Lütje vom Vorstand der JHG hatten zu Spenden aufgerufen, so dass für je 300 Euro ein Sheltersuit angeschafft werden konnte.

Hintergrund: Sheltersuits (1/2)

Erfunden hat die Sheltersuits der Niederländer Bas Timmer, nachdem der Vater eines Freundes an den Folgen einer Unterkühlung durch Obdachlosigkeit verstorben war. Daraus ist die "Sheltersuit-Foundation" geworden, die heute weltweit Funktionskleidung für Menschen bereitstellt, die auf der Straße leben. Über die Johanniter Hilfsgemeinschaften sind in ganz Deutschland mehr als 1000 Sheltersuits verteilt worden, davon 55 in Kiel und Umgebung.

Nicht nur die Funktionalität spielt eine große Rolle, sondern auch das Design. Einem obdachlosen Menschen etwas Funktionelles, aber auch Schönes zum Anziehen zur Verfügung zu stellen, gibt der Person eine gewisse Würde zurück. Die Sheltersuits werden komplett aus aussortierten Materialien hergestellt, also ein typisches Produkt aus dem Bereich UpCycling. Außerdem werden die Sheltersuits von Menschen gefertigt, die im normalen Arbeitsmarkt keine Chance haben. Dies ist ein weiterer wichtiger sozialer Aspekt des Projekts.

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