Kinder- und Jugendhilfe: "Es geht viel Leichtigkeit verloren"
06. April 2021
Für Kinder und Jugendliche, die in Wohngruppen leben oder deren Familien Unterstützung im Alltag bekommen, leiden besonders an den aktuellen Einschränkungen. Die Helfer werden häufig nur noch als Kontrollinstanz wahrgenommen.
Normalerweise hätten sie in den Ferien Ausflüge gemacht, eine große Gruppe aus Eltern, Kindern und Betreuern. Es wäre viel geredet und gelacht worden. Eltern, die sonst im Alltag viele Sorgen haben, hätten sich austauschen können. Doch wie die meisten anderen Gruppenangebote der Kinder- und Jugendhilfe mussten auch die Ausflüge der "Ambulanten Hilfen" der Hamburger Stiftung "Rauhes Haus" aufgrund der Corona-Beschränkungen ausfallen.
Kein Ausgleich mehr zum Alltag
"In der jetzigen Situation geht viel Leichtigkeit verloren", erzählt Katja Röschmann, Teamleiterin "Ambulante Hilfen" in Billstedt. Röschmann und ihr Team betreuen Familien, die Unterstützung bei der Erziehung brauchen und meist über das Jugendamt an sie vermittelt werden. Gerade diese Familien litten besonders unter der aktuellen Situation, erzählt die Sozialpädagogin. "Sie wohnen oft in zu kleinen Wohnungen, sind finanziell schlecht ausgestattet und haben jetzt gar keinen Ausgleich mehr zu ihrem Alltag. Da knallt und kracht es gewaltig."
Wenn sie oder ihre Mitarbeiter derzeit zu den Familien nach Hause fahren, tragen sie durchgehend eine Maske, dürfen die Kinder nicht in den Arm nehmen und versuchen, nicht so lange zu bleiben. "Die Familien nehmen uns nur noch als Kontrollinstanz wahr. Dabei ist es ganz wichtig, Vertrauen aufzubauen, damit die Familien sich uns überhaupt öffnen."
Ohne die Ausflüge, Kochkurse oder Grillfeste mit den Familien hätten auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen Ausgleich mehr zu dem Teil ihrer Arbeit, bei dem sie "oft Dinge erleben, die man nicht so leicht wegsteckt", erzählt Röschmann. Auch die Vermittlung und Anbindung der Familien an andere Beratungsstellen sei im Moment kaum möglich. "Die Angebote gehen normalerweise fließend ineinander über – jetzt kann nichts mehr fließen, weil alles geschlossen ist."
Soziale Kontakte sind begrenzt
Die Kinder aus den betreuten Familien hätten in der Regel einen Anspruch auf Notbetreuung in Schule oder Kita. Doch auch dort sind soziale Kontakte zurzeit begrenzt. Zuhause sind die Lernbedingungen oft schwierig, es fehlt ein ruhiger Ort oder ausreichend starkes Wlan, berichtet Röschmann. Positiv sieht sie, dass Schule mittlerweile sowohl von den Kindern als auch von den Eltern mehr gewertschätzt werde.
Kinder wollen wieder in die Schule gehen
"Alle unsere Kinder und Jugendlichen wollen wieder in die Schule gehen", erzählt auch Regine Mäkelburg, Teamleiterin einer Wohngruppe des "Rauhen Hauses" in Horn. Immerhin hätten die zehn Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 21 bei ihnen aber ein eigenes Zimmer als Rückzugs-und Lernort und bilden zusammen mit den Betreuern eine Hausgemeinschaft. Das Home-Schooling funktioniere mittlerweile ganz gut. "Manchmal nutzen aber Kinder, die sowieso Probleme mit dem Lernen haben, technische Schwierigkeiten als Ausrede, um sich vor den Aufgaben zu drücken", erzählt die Pädagogin.
"Zu Beginn der Pandemie haben wir im Team viel über unsere Abläufe diskutiert", berichtet Mäkelburg. Die Kinder dürfen ihre Eltern weiterhin besuchen, Auswärtige dürfen allerdings nicht in die Wohngruppe kommen. Draußen dürfen die Jugendlichen Freunde treffen. "Wir appellieren an sie, sich an die Abstandsregeln zu halten, aber wir können das natürlich nicht kontrollieren."
Angst, das Virus mitzubringen
Im Haus müssen die Jugendlichen keine Maske tragen, "das ist ja ihr Zuhause". Die Betreuer arbeiten in Wechselschichten rund um die Uhr, so dass immer jemand in der Wohngruppe ist. Die Angst, das Virus in die eigenen Familien zu tragen – oder auch umgekehrt – sei natürlich da.