Künstler Jonathan Meese stellt in Lübecker Kirche aus
31. Januar 2019
Der Lübecker Kulturpastor Bernd Schwarze wollte den Hamburger Künstler Jonathan Meese unbedingt in die Hansestadt holen. Im Februar kommt Meese tatsächlich - auch in die Kulturkirche St. Petri. Was der Künstler dort plant, weiß selbst Schwarze nicht.
Der Pastor der Lübecker Kulturkirche St. Petri, Bernd Schwarze, ist Mit-Initiator der bislang größten Ausstellung des Hamburger Künstlers Jonathan Meese (48) in Lübeck, die am 17. Februar unter dem Titel "Dr. Zuhause: K.U.N.S.T. (Erzliebe)" startet. Im Gespräch erklärt Schwarze, warum er den für seinen radikalen Atheismus bekannten Künstler unbedingt nach Lübeck holen wollte.
Herr Schwarze, wie laufen die Vorbereitungen zu der Ausstellung?
Gerade habe ich noch ein Telefonat wegen der musikalischen Begleitung der Vernissage am 17. Februar geführt. Nicht ganz einfach, wenn der Künstler unter anderem die Titelmelodie von den "3 Fragezeichen" mit dabei haben will. Es ist ein großer Spaß.
Bereuen Sie es, Meese nach Lübeck geholt zu haben?
Nein, ganz im Gegenteil: Ich bin völlig begeistert und aufgeregt. Mittlerweile habe ich ein gutes Gefühl. Das wird eine tolle Ausstellung, die in Lübeck etwas lostreten wird.
Inwiefern?
Wir haben Meese fast ein halbes Jahr lang in der Stadt. Ich bin mir sicher, er wird nicht nur die typische Kunstszene, sondern eine breite Öffentlichkeit ansprechen. Und so werden auch Menschen zu uns kommen, die sonst nicht den Weg ins Museum oder in die Kirche finden.
Die Lübecker Kulturkirche St. Petri wird einer der fünf Ausstellungsorte sein. Gab es zwischen Ihnen und Meese Streit darüber, was im kirchlichen Raum installiert werden sollte und was nicht?
Überhaupt nicht.
Aber Meese ist ja bekannt für seinen sehr radikalen Atheismus.
Ja, wenn die Kameras an sind, marschiert er in diese Rolle hinein, die kantig, extrem und radikal ist. In den Gesprächen, die wir mit ihm führen, hört er aber immer gut zu und reagiert adäquat. Er war neugierig darauf, was mir St. Petri bedeutet. Als ich ihm erklärt habe, dass St. Petri für uns "Kirche am Nullpunkt der Religion" ist, und dass wir die Glaubensfragen immer offen diskutieren, fand er das großartig.
Wissen Sie denn inzwischen, was er in St. Petri zeigen wird? Es soll ja um seine Großmutter und das Thema Macht gehen.
Ich habe ein paar Ahnungen, aber konkret weiß ich noch nichts.
Mit Verlaub: Das klingt nach einer ziemlichen Wundertüte.
Das ist aber doch das Mindeste, was man von Kunst erwarten kann: Dass sie überrascht!
Aber Sie haben doch sicher eine rote Linie, die in St. Petri nicht überschritten werden darf?
Wir haben keine festgelegte Grenze. Wir haben in St. Petri auch schon sehr harte Kunst gezeigt, die aber öffentlich kaum für Aufregung sorgte, weil der Künstler nicht so bekannt war wie Meese. Ich persönlich möchte keine pornografischen Darstellungen in St. Petri verantworten müssen, denn es kommen ja auch Familien mit Kindern. Auch mit einer expliziten Darstellung von Waffen hätte ich ein Problem.
"Action Painting", bei dem Meese spontan die Wände bemalen will, müssen Sie nicht befürchten, das soll ja in der Overbeck-Gesellschaft stattfinden.
Ja. Aber mit Pröpstin Petra Kallies habe ich folgendes abgesprochen: Wenn Jonathan Meese meint, er müsse einen blauen Farbeimer auf dem Kirchenfußboden auskippen, dann ist das für uns okay. Er muss den Klecks aber anschließend signieren.
Sie haben ja großes Gottvertrauen in Jonathan Meese.
Sagen wir es so: Ich habe großes Zutrauen, dass Orte wie St. Petri die Kraft haben, solche Konflikte auszuhalten. Für mich gehört zum kirchlichen Handeln dazu, dass Kirche sich anzweifeln lässt. Kirche ist der Ort, an dem man Sinnfragen stellen und mit den Menschen reden muss, die fragen: "Wo ist denn euer Gott?" Letztendlich wehrt Meese sich nicht gegen die Religion an sich. Die respektiert er sogar, hat sich selbst auch mal als Protestant bezeichnet und in einem Gottesdienst einen biblischen Text vorgelesen. Er wehrt sich gegen Institutionen, die nichts Neues zulassen. Und damit reflektiert er das, was viele Menschen über die Kirche denken.
Sie waren ja sozusagen Initiator der Ausstellung, Sie haben Meeses Kunst gesehen und wollten ihn in Lübeck haben. Was fasziniert Sie so an ihm?
Seine Energie, die Kraft in seinen Bildern. Das Wilde, Ekstatische, sein Humor. Bei unseren Gesprächen haben wir viel gelacht und uns königlich amüsiert. Er liebt das Spiel. Nicht umsonst kauft er sich jede Woche am Hamburger Hauptbahnhof ein neues Kuscheltier.
Wie bitte?
Ja! Einmal in der Woche fährt er von Berlin nach Ahrensburg, wo seine Mutter wohnt. An dem Steiff-Shop am Hamburger Hauptbahnhof kann er nicht vorbeigehen, ohne ein Plüschtier zu kaufen. Meese hat eben viele Gesichter.
