Landesbischof Ulrich: "Die Sicherheitslage muss neu bewertet werden"
29. Mai 2017
Für einen bundesweiten Abschiebestopp nach Afghanistan setzt sich die Erste Kirchenleitung der Nordkirche ein. Sie fordert die Innenministerkonferenz (IMK) auf, bei ihrer nächsten Sitzung vom 12. bis 14. Juni in Dresden einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Dies sei zum Schutz der Menschen dringend geboten.
In seinem Schreiben an den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Staatsminister Markus Ulbig (Freistaat Sachsen), appelliert Landesbischof Gerhard Ulrich (Schwerin) an die Innenministerkonferenz, „zu einer guten, verantwortlichen Entscheidung hinsichtlich der Abschiebepraxis in Deutschland zu gelangen“. Er bittet die Innenminister, die Sicherheitslage in Afghanistan aktuell zu bewerten und dabei die humanitären Gesichtspunkte besonders zu berücksichtigen. „Eine Abschiebung in Sicherheit und Würde scheint uns in Afghanistan derzeit nicht gewährleistet zu sein“, so Ulrich, der zugleich Vorsitzender der Ersten Kirchenleitung ist.
Acht schwere Anschläge seit Jahresbeginn in Kabul
Die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan ist laut Ulrich weiterhin sehr hoch. Am 31. Mai wurden bei einem Selbstmordanschlag vor der Deutschen Botschaft in Kabul mehrere Dutzend Menschen getötet, Hunderte wurden verletzt. Es ist der achte schwere Anschlag seit Jahresbeginn in der afghanischen Hauptstadt. Insgesamt verzeichnet die UN Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) in ihrem Bericht vom April 2017 einen Anstieg der Zahl ziviler Opfer insbesondere unter Frauen und Kindern. „Wir hielten es für geraten, Abschiebungen nach Afghanistan erst dann wieder zu vollziehen, wenn sich die dortige Situation dauerhaft gefestigt hat“, heißt es in dem Schreiben.
Viele junge Afghanen sind verunsichert
Zugleich berichtet Landesbischof Gerhard Ulrich „von einer starken Verunsicherung unter jungen Afghanen, die sich hier in Deutschland in Integrationsmaßnahmen befinden und auf ihre Anerkennung warten.“ Durch die Abschiebungen der vergangenen Wochen hätten sie jegliche Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland aufgegeben.
Diskussion um Verlängerung des Abschiebestopps in Schleswig-Holstein
Hintergrund der Diskussion in der Ersten Kirchenleitung ist ein Antrag des schleswig-holsteinischen Innenministers Stefan Studt (SPD) an den Bundesinnenminister auf Zustimmung zu einer Verlängerung des Abschiebestopps in Schleswig-Holstein, einem der drei Bundesländer (neben Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg), die zum weitaus größten Teil im Bereich der Nordkirche liegen. Bischof Gothart Magaard (Sprengel Schleswig und Holstein) hatte bereits im Februar 2017 den Schritt der Kieler Landesregierung, Abschiebungen nach Afghanistan für eine begrenzte Zeit zu stoppen, ausdrücklich begrüßt. Die Erste Kirchenleitung setzt sich zudem für eine Bleiberechtsregelung für afghanische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Deutschland ein.
SPD begrüßt Forderung der Kirchenleitung
Die SPD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag begrüßte die Forderung der Kirchenleitung. Eine Rückkehr nach Afghanistan in Sicherheit und Würde könne derzeit nicht garantiert werden, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin, Serpil Midyatli. Mit dem vorläufigen Abschiebestopp Schleswig-Holsteins werde sichergestellt, dass Kriegsflüchtlinge in Frieden in Deutschland leben können.