Nordkirche fördert junge Talente mit Preachercard und Jugendandachtspreis
10. September 2021
Wie gestaltet man eigentlich eine Andacht? Und wie schreibt man eine Predigt? 30 junge Menschen haben es beim ersten Preachercard-Kurs der Nordkirche gelernt. Der Abschluss der Fortbildung wird mit einem Jugendgottesdienst in Lübeck gefeiert. In diesem überreicht Bischof Tilman Jeremias auch den ersten Jugendandachtspreis der Nordkirche.
Am morgigen Samstag ist es so weit: Um 16 Uhr erhalten 30 junge Erwachsene in der St.-Martin-Kirche Lübeck den Nachweis, dass sie eigenständig Andachten und Predigten halten können. Gleichzeitig vergibt die Nordkirche den ersten Jugendandachtspreis, dessen drei Plätze mit 1000 Euro, 500 Euro und 300 Euro dotiert sind. Die Auszeichnungen unter dem Motto #beblessed überbringt Bischof Jeremias.
Eine gute Möglichkeit, eigene Themen einzubringen
"Es ist großartig, wenn junge Menschen ihren eigenen Glauben bezeugen können. Wenn sie das, was ihnen Halt gibt, so ausdrücken können, dass es andere berührt. Ein Beitrag dazu ist die Preachercard-Ausbildung, in der sie das Handwerkszeug dazu erhalten und Raum, sich auszuprobieren", so Bischof Jeremias. "Ich ermutige alle Kirchengemeinden, junge Leute Gottesdienste und Andachten gestalten zu lassen."
Irmela Redhead ist Beauftragte der Nordkirche für die Konfirmandenarbeit und hat den Kurs gemeinsam mit dem Jugendpfarramt und der Nachwuchsförderung der Nordkirche auf den Weg gebracht. "Für die Jugendlichen ist es am schönsten, Gottesdienste zu feiern, wenn sie beteiligt sind, ihre Themen vorkommen und sie voneinander lernen", erzählt sie.
Predigttexte bestechen durch Individualität
Die 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus allen Sprengeln der Nordkirche und haben zwei Wochenenden und einen Tag lang gelernt, was man für eine gelungene Andacht wissen muss – von Ästhetik und Raumgestaltung über Fürbitten bis hin zur eigenen Predigt. Irmela Redhead. "Das wichtigste war, die Leute zu ermutigen, herauszufinden, wie sie gestrickt sind und sie darin zu bestärken. Jemand, der eher introvertiert ist, wird zu einer Andacht etwas anderes beitragen als eine, die gerne vor vielen Leuten auftritt."
Ein Aha-Erlebnis sei für viele gewesen, dass eine Predigt gar nicht steif und bedeutungsschwer daher kommen müsse: "Die jungen Leute konnten einen meditativen Text schreiben, einen Dialog oder auch interaktiv predigen. Sie haben gelernt, dass ihre Zweifel und ihre Begeisterung der Weg zum Text sind. Und wir haben gemeinsam Knallersätze für den Einstieg gesucht. Dabei haben wir viel gelacht – das geht sogar mit Zoom."
Von der Poetry-Slam-Bühne in die Kirche
Eine der Teilnehmerinnen ist Rike Bauckhage aus Greifswald. Sie ist 21 Jahre alt und macht gerade eine Ausbildung zur Erzieherin. Sie gehört zum Greifswalder Kinder- und Jugendrat und engagiert sich seit ihrer Konfirmation vor sieben Jahren als Teamerin bei Jugendfreizeiten. "Kirche war für mich immer ein Ort, wo ich so sein konnte, wie ich bin und dafür geschätzt wurde – ein sicherer Hafen", sagt sie.
14 Monate hat sie in Portugal bei Google gearbeitet und bekam dort Lust, selbst zu predigen: "In Portugal habe ich Gottesdienste erlebt, die mich begeistert haben. Das war Wahnsinn! Das war eine junge Gemeinde, und die waren so lebensnah und enthusiastisch. Hier erlebe ich leider manchmal Pastoren, bei denen ich unmittelbar nach der Predigt nicht mehr weiß, was sie eigentlich gesagt haben. Deshalb habe ich mir gedacht, was brauche ich eigentlich für eine Andacht, wie schreibt man eigentlich eine Predigt?" Seit 2014 macht Rike Bauckhage Poetry Slam und hat schon einmal die Landesmeisterschaft in Mecklenburg-Vorpommern gewonnen.
Wertschätzendes Miteinander ermutigt
Von dem Preachercard-Kurs schwärmt sie: "Das war soo gut! Manchmal habe ich das Gefühl, dass Christen so ein bisschen judgemental sind und nicht so offen gegenüber anderen Meinungen und Glaubensausprägungen. Hier waren alle so wertschätzend, das war gerade in der Coronazeit ein Segen." Dass der Kurs per Zoom stattfand und nicht in Hamburg, sei ihr als Greifswalderin entgegengekommen. "Das Jugendpfarramt hatte uns Pakete geschickt mit Suppe, veganen Snacks, Texten, Kerzen und einem Salböl. Wir haben dann nach dem Kurs noch gemeinsam vor dem Bildschirm Abendbrot gegessen, das hat so viel Spaß gemacht!"
Gelernt hat sie viel, erzählt sie: "Ich hatte einen supertollen Mentor, mit dem ich meine Predigt besprechen konnte. Die wichtigste Erkenntnis für mich war, dass eine Andacht nur angedacht ist und nicht fertig. Ich habe gelernt, dass ich nicht alleine bin, wenn ich so etwas mache, sondern dass es ein Team gibt und dass ich in einer Andacht den Heiligen Geist wirken lassen darf."
Berufswunsch verfestigt
Nun brennt sie darauf, das Erlernte umzusetzen. Die 21-Jährige sagt: "Ich finde es gut, wenn Jugendliche nicht nur etwas vorlesen dürfen, hinter dem sie vielleicht gar nicht stehen, Wen spricht das nicht an, wenn ein Jugendlicher vorne steht und hat was Persönliches geschrieben und zittert vielleicht sogar ein bisschen beim Lesen?" Rike Bauckhage weiß auf jeden Fall, was sie jetzt möchte: Theologie studieren.