Soziales

Nordkirche lobt Preis zum Thema Inklusion aus

Mit diesem Motiv wirbt der Inklusionspreis in einem Flyer
Mit diesem Motiv wirbt der Inklusionspreis in einem Flyer© Rey Kamensky / fotolia.com

04. Juni 2015 von Timo Teggatz

Nur wenige Gemeinden im Norden haben das Thema Inklusion auf ihrer Agenda. Die Nordkirche lobt jetzt erstmalig einen Preis aus, um gelungene Projekte auszuzeichnen – und um für eine Integration aller Menschen ins Gemeindeleben zu werben.

Zweifel an seiner Vision lässt Jörg Stoffregen gar nicht aufkommen. „Wenn Kirche in Zukunft Relevanz haben will, muss sie sich dieses Thema auf die Fahne schreiben.“ Aber er verhehlt auch nicht, dass es eine Generationenaufgabe ist. Die Rede ist von Inklusion. Oder wie der Diakon es lieber ausdrückt: von Vielfalt und Bewusstseinsbildung.

Vor drei Jahren gründete die Nordkirche das „Netzwerk Kirche inklusiv“, dem Stoffregen als Leiter vorsteht. Das Netzwerk will eine Plattform zum Austausch bieten, Kirchengemeinden beraten und im Umgang mit dem Thema schulen. Mit der Frage „Was muss Kirche tun, damit Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit zusammenleben können?“ versucht der Diakon, Inklusion in die Gemeinden zu tragen. Mittlerweile zählt das Netzwerk 150 Mitglieder aus Gemeinden und diakonischen Einrichtungen.

Inklusion ist ein Menschenrecht

Bewusst redet der Diakon in Vorträgen nicht nur von Menschen mit Behinderungen, die in das Gemeindeleben integriert werden sollen. Er zählt auch Senioren, psychisch Kranke, Ausländer, Demenzkranke dazu – alle Menschen eben. Am liebsten würde er gar keine Kategorien bilden. „Ich bezeichne Sie ja auch nicht als Brillenträgerin“, sagt er in einem Gespräch mit der Evangelischen Zeitung.

Inklusion ist keine Goodwill-Aktion, sondern ein Menschenrecht, das in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben ist, die auch von Deutschland ratifiziert wurde. Aber wie soll dieses Recht umgesetzt werden? Stoffregen ist überzeugt: Es geht! Auch wenn es seiner Prognose nach eine Generation dauert, bis sich beispielsweise der inklusive Konfirmandenunterricht durchgesetzt hat. „Inklusion entsteht zu 50 Prozent aus einer offenen, wertschätzenden Haltung. Die fehlt vielen unserer Hauptamtlichen noch.“ So würde lediglich ein Drittel der 900 Gemeinden in der Nordkirche sich um Inklusion bemühen.

Wenige Gemeinden um Inklusion bemüht

Lobend erwähnt Stoffregen den Ideenwettbewerb „Ein Platz für Dich“, den der Kirchenkreis Nordfriesland in diesem Jahr initiiert hat. Und Kirchengemeinden in Hamburg, die schon lange inklusiven Konfirmandenunterricht anbieten. Die Mehrheit der Kirchengemeinden mache aber weiter wie bisher, mit dem Argument: Wir haben keine Rollstuhlfahrer. „Dass es aber nicht nur um die geht, ist da noch nicht angekommen. Kein Wunder: Wir haben 100 Jahre Separation hinter uns“, so Stoffregen. Heute seien Menschen mit Einschränkungen nicht mehr wie früher in geschlossenen Anstalten untergebracht, sondern tauchten im lokalen Raum wieder auf. Eine Situation, der sich die Gemeinden öffnen müssten. „Dazu müssen wir nicht alle Sonderpädagogen werden, sondern uns nur gut vernetzen und nicht denken, dass Kirche Inklusion allein umsetzen muss.“

Auf Pfarrkonventen und Kirchengemeinderatssitzungen stößt Stoffregen oft erst mal auf Unverständnis. Besonders kritisch seien diejenigen, die Inklusionserfahrungen mit Schulen gemacht hätten, wie Elternvertreter oder Angehörige von Lehrern. „Wie Inklusion in den staatlichen Schulen im Bereich der Nordkirche umgesetzt wird, ist eine Katastrophe. Wir brauchen eine Bildungsreform hin zur Reformpädagogik.“

Schule nach EKD-Papier in Kritik

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte Anfang des Jahres eine 192-seitige Orientierungshilfe unter dem Titel „Es ist normal, verschieden zu sein. Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft“ vorgestellt und darin die Schullandschaft stark kritisiert. Einer inklusiven Schule stehe zu viel Frontalunterricht entgegen. Von der „Idee des gemeinsamen Lernens“ sei die „schulische Wirklichkeit“ oft weit entfernt, heißt es in dem Dokument. Lehrer seien noch nicht ausreichend vorbereitet. „Kirche unterliegt den Rahmenbedingungen von Schulen aber nicht. Wir haben ganz andere Möglichkeiten“, sagt Stoffregen.

Um auf Umsetzungsmöglichkeiten hinzuweisen, lobt das „Netzwerk Kirche inklusiv“ nun erstmals einen Inklusionspreis aus. Der erste Platz ist mit 3500 Euro dotiert. Bewerben können sich Kirchengemeinden, Kirchenkreise und kirchlich-diakonische Einrichtungen, die sich um Inklusion als Prozess bemühen und Angebote so gestalten, dass alle Zugang haben. „Es geht dabei nicht um den einmaligen Bau einer Rollstuhlrampe, sondern um langfristig angelegte Projekte. Ein Beispiel wäre eine Gemeinde, die sich im Umgang mit Demenzkranken fortbildet und ihre Gottesdienste dann so gestaltet, dass Menschen mit geistiger Beeinträchtigung teilnehmen können“, so Stoffregen.

Alle Kirchengemeinden wurden vom Netzwerk angeschrieben und aufgefordert, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Bis zum 30. Juni läuft die Bewerbungsfrist noch. Die bisherige Rückmeldungsquote zeugt von dem langen Weg, den Stoffregen noch vor sich hat. Bisher haben zwei Gemeinden ihre Bewerbungsunterlagen eingereicht.

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