Judentum

Projekt "Steinerne Zeugen" macht jüdische Friedhöfe sichtbar

Moechte man dem Toten bei einem Friedhofsbesuch eine Ehre erweisen, legt man nach juedischer Tradition einen kleinen Stein aufs Grab.
Moechte man dem Toten bei einem Friedhofsbesuch eine Ehre erweisen, legt man nach juedischer Tradition einen kleinen Stein aufs Grab.© Andrea Eberlein, epd-Bild

13. Mai 2025

Auf jüdischen Friedhöfen werden traditionell Steine anstatt Blumen zur Erinnerung an die Toten abgelegt. Das erklärte Viktoria Ladyshenski, Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein, bei einer Führung über den Alten jüdischen Friedhof in Kiel.

„Trotzdem sind hier auch viele Blumen zu sehen. Das liegt daran, dass Jüdinnen und Juden in der Sowjetunion ihre Bräuche sehr lange verbergen mussten“, sagte Ladyshenski. Als in den 1990er Jahren viele von ihnen nach Kiel flohen und hier begraben wurden, legten sie Blumen auf die Gräber, weil sie die jüdische Tradition nicht kennenlernen durften.

Jüdische Gemeinden in Kiel haben mit langer Geschichte

Über Traditionen, Regeln und das kulturelle und religiöse Erbe klärt jetzt auch eine Informationstafel auf, die heute am Alten jüdischen Friedhof in Kiel eingeweiht wurde.

Info

Link zum Projekt und zu den kommenden Einweihungen: Steinerne Zeugen

Die nächste Tafeleinweihung findet am Mittwoch, 14. Mai 2025, in Westerrönfeld statt, weitere Einweihungen folgen. Am 14. Juni ab 14 Uhr gibt es eine weitere Führung mit Vikotria Ladyshenski über den Alten jüdischen Friedhof in Kiel.

Der Friedhof erinnere an die lange Geschichte jüdischer Gemeinden in Kiel. In vielen Kommunen in Schleswig-Holstein sind solche Grabstätten die einzige, noch erhaltene Erinnerung an die jüdische Geschichte des Ortes. Um diese sichtbarer zu machen, hat sich das Projekt „Steinerne Zeugen“ mit den 22 jüdischen Friedhöfen in Schleswig-Holstein beschäftigt.

Informationstafeln für die Friedhöfe in Schleswig-Holstein

Unter der Leitung des Historikers Helge-Fabien Hertz haben zwölf Studierende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) einheitliche Informationstafeln für die Friedhöfe erstellt. Schleswig-Holstein sei das erste Bundesland in Deutschland, das alle jüdischen Friedhöfe mit einheitlichen Informationstafeln ausstatte.

„Jüdische Friedhöfe sind für die Ewigkeit angelegt"

Die im Zuge des Projekts entstandenen Tafeln informieren Friedhofsbesuchende über die Bedeutung der Friedhöfe im Judentum, über die Geschichte der einzelnen Stätten und geben wichtige Verhaltenshinweise. So dürfen Gräber nicht betreten oder berührt werden, der Friedhof dürfe am Shabbat (Sonnabend), an jüdischen Feiertagen und nach Sonnenuntergang nicht betreten werden und männliche Besucher sollten eine Kopfbedeckung tragen.

Grabstein mit abgelegten Steinen von Besuchern auf dem Jüdischen Friedhof in Worms.© Andrea Eberlein, epd-Bild

„Jüdische Friedhöfe sind für die Ewigkeit angelegt. Auf Hebräisch werden sie 'Bet Olam', Haus der Ewigkeit, genannt. Das drückt den jüdischen Glauben aus, dass die Seele nach dem Tod wiederaufersteht“, erklärte Ladyshenski. Das Projekt „Steinerne Zeugen“ erfülle sie mit Zuversicht über die Relevanz jüdischen Lebens und der jüdischen Geschichte in Deutschland: „An dem Zustand jüdischer Friedhöfe wird auch unsere Gesellschaft gemessen.“

Projektleiter Hertz ist auch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Seit 2022 leitet er zudem das Projekt „Net Olam“, das sich mit Schändungen jüdischer Friedhöfe in Deutschland beschäftigt. Seit 1945 seien rund 3.000 solcher Taten erfasst worden. „Daran dürfen wir uns nie gewöhnen. So wurde in Absprache mit den jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein klar: Wir wollen die Sichtbarkeit der Friedhöfe erhöhen“, sagte er.

Lebendige Erinnerungsarbeit

Der Alte jüdische Friedhof in Kiel wurde 1852 in der Michelsenstraße errichtet. Während der NS-Zeit wurde er massiv beschädigt. So wurden einige Grabstätten im hinteren Teil des Friedhofs vollständig zerstört und entfernt. „Dieses Projekt ist ein Mahnmal gegen das Vergessen“, sagte Gerhard Ulrich, Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus des Landes Schleswig-Holstein.

Die neue Informationstafel mache die bedeutende Geschichte des Ortes sichtbar und Erinnerungsarbeit lebendig. „Diese Aufgabe liegt jetzt auch in den Händen der jüngeren Generation.“

Hintergrund: Das Projekt ist eine Kooperation mit den jüdischen Gemeinden und Landesverbänden in Schleswig-Holstein, Kommunen mit jüdischen Friedhöfen sowie der Stiftung Diakoniewerk Kropp, dem Landesamt für Denkmalpflege SH, dem Jüdischen Museum in Rendsburg, der Sparkassenstiftung SH, dem Landesbeauftragten für politische Bildung, der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte (LAGSH) und zahlreichen lokalen Expertinnen und Experten.

 

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